Hoffnungsbarometer 2022
«Kirchen können den Gemeinschaftssinn wieder stärken»
Im Jahr 2021 haben in der Schweiz weniger Menschen soziale Verbundenheit und emotionale Unterstützung anderer erfahren. Zu diesem Ergebnis kommt der diesjährige Hoffnungsbarometer. Welche Rolle spielen da Christen und Kirchen?
Das Hoffnungsbarometer ist eine jährliche Studie, welche in Zusammenarbeit der Universität St. Gallen mit Swissfuture und Swippa entsteht. Dabei werden das Stressempfinden, Bewältigungsstrategien, persönliches Wachstum und individuelle Einstellungen, sowie die kollektive Hoffnung der Gesellschaft ermittelt. Dieses Jahr fand die Studie mit über 5500 Personen in der zweiten Novemberhälfte statt.
Über die allgemeine Lebenszufriedenheit bilanziert die Universität St. Gallen: «Verglichen mit 2020 sind die Menschen in der Schweiz zwar genauso zufrieden mit ihrem Leben, aber deutlich unzufriedener mit der Politik, den gesellschaftlichen Trends und der mangelnden Bewältigung der Covid-19-Pandemie. Die Entwicklung der Wirtschaft wird im 2021 deutlich positiver bewertet und die Stressbelastung befindet sich auf einem ähnlich mittelstarken Niveau wie im Vorjahr. Zwischen 15 und 20 Prozent der Bevölkerung haben stark unter der aktuellen Krise gelitten, vor allem Jugendliche und alleinstehende Personen.»
Soziale Verbundenheit gesunken
Vor einem Jahr hiess es noch, die Krise mache die Menschen sozial. Nun sieht es anders aus. Die Hilfsbereitschaft anderen Menschen gegenüber hat mit 68 Prozent deutlich abgenommen. Zudem gaben mehr als drei Viertel der Teilnehmenden an, sich von anderen Menschen nicht emotional unterstützt zu fühlen. Der Drang, gemeinsam die Krise zu meistern und sich gegenseitig Solidarität zu erweisen, schwindet. Gegenüber der 20 Minuten-Redaktion, die als Medienpartner an der Auswertung beteiligt war, erklärt Studienautor Andreas Krafft: «Nun ist dieses Feuer, 'es gemeinsam zu packen', weitgehend erloschen.»
Weiter bilanziert er: «Die soziale Verbundenheit ist im Vergleich zu den Vorjahren aufgrund der Spaltung auf ein Allzeittief gesunken.» Im Bericht wird als Grund dafür die Diskussion zur Covid-Impfung genannt. Die Universität St. Gallen erklärt, dass es signifikante Unterschiede zwischen den Antworten der Geimpften und Ungeimpften gebe.Andreas Krafft bedauert diese Entwicklung, da gerade jetzt mehr Verständnis und Respekt für andere Meinungen gefragt wäre, damit sich weniger Menschen allein gelassen fühlen. Es brauche nun Verbundenheit und Geborgenheit, um den Gemeinschaftssinn wiederherzustellen. Eine gute Grundlage dafür wären offene Kommunikation, gegenseitige Akzeptanz und die Betonung gemeinsamer Ziele.
Religiosität macht einen Unterschied
In der Umfrage gaben 8,7 Prozent der Befragten an, stark religiös zu sein. 18,9 Prozent wiesen sich eine mittlere Religiosität zu und 72,4 Prozent gaben an, wenig oder gar nicht religiös zu sein. Mit diesen Angaben konnte ermittelt werden, dass religiöse Menschen signifikant hoffnungsvoller sind als weniger religiöse Menschen. Zudem haben religiöse Menschen im Jahr 2021 stärker persönliches Wachstum in allen Kategorien; Wertschätzung des Lebens, neue Möglichkeiten, spirituelles Wachstum, zwischenmenschliche Beziehungen und persönliche Stärken, erfahren. Insgesamt haben sie ein höheres Wohlbefinden, psychologisch wie auch sozial, machen sich jedoch mehr Sorgen über Nebenwirkungen der Covid-Impfung und sind gegenüber staatlichen Institutionen kritischer.
Die Aufgabe der Kirchen
Eine repräsentative Studie im Juni zeigte, dass Freikirchen tatsächlich einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Als Aufgabe der Kirchen und Christen sieht Andreas Krafft darum, «den Zusammenhalt in der Gesellschaft durch Nächstenliebe und gegenseitige Akzeptanz zu fördern.» Gegenüber Livenet erklärt er, dass Kirchen keine Partei für oder gegen Corona-Massnahmen ergreifen dürfen, sondern die Überzeugungen und Anliegen aller Menschen gleichermassen wertschätzen müssen. «Besonders junge Menschen benötigen einen Ort, wo sie sich angenommen und geborgen fühlen. Allgemein können Kirchen den Gemeinschaftssinn wieder stärken. Dies kann erreicht werden, indem die christlichen Werte der Toleranz, des Respekts, der Offenheit und der Wertschätzung gelebt werden.
Zum Thema:
Das Hoffnungsbarometer 2021: Lebenszufriedenheit trotz Pandemie praktisch unverändert
Hoffnungsbarometer 2019: Licht am Zukunftshorizont
Am Forum und im Talk: Andreas Krafft macht Hoffnung
Autor: Hanna Krückels
Quelle: Livenet
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