Hoch motiviert, bis zum Zusammenbruch
Volksseuche Burnout
Der Chefarzt der christlichen Psychiatrischen Klinik Sonnenhalde in Riehen bei Basel, Samuel Pfeifer, erläutert im folgenden Beitrag das Phänomen Burnout und erklärt, wie man sich davor schützen kann.
“Ich habe immer gedacht, wenn man sich nur zusammennimmt, kann man erreichen, was man will. Aber dann hat mein Körper nicht mehr mitgemacht.” So und ähnlich beginnen viele Geschichten vom Ausgebranntsein, auch Burnout genannt. Aus dem fulminanten Einsatz wird plötzlich das verglühende Abtrudeln einer Raketenstufe, die ins Meer taumelt. So beschrieb es ein Mann mittleren Alters: Er fühle sich wie die verglühte Hülle einer Feuerwerksrakete. Er habe sich über die Massen eingesetzt, Nächte und Wochenenden aufgewendet, seine Familie immer vertröstet, dass es schon besser würde. Seine Hektik wirkte bald störend, sein Telefonieren während der Arbeitspausen, sein Fernbleiben von geselligen Anlässen führte zu einer Entfremdung. Und dann der Sturz mit dem Fahrrad, eine Verletzung am Knie – “Plötzlich war die Luft draussen. Ich konnte nicht mehr. Eine tiefe Erschöpfung ergriff mich. Ich hatte keine Ideen mehr und fragte mich, wozu das alles gut war.”
Jedes Jahr erleben Tausende hoch motivierter Menschen einen solchen Zusammenbruch. Verschiedene Berufsgruppen sind besonders gefährdet, nämlich Menschen in sozialen und helfenden Berufen, aber auch in Berufen, die ein hohes Mass an menschlicher Kompetenz, Motivationsgabe und Führungsverantwortung erfordern – Pastoren, Lehrkräfte, Sozialpädagogen, Pflegende.
Die vier Faktoren
Die Erfahrung zeigt, dass vier Faktoren das Ausbrennen beeinflussen: der Arbeitsplatz, die Persönlichkeit, das Privatleben (Familie, Partnerschaft) und die körperliche Gesundheit. Den Arbeitsplatz zur Falle machen können: zu grosse Arbeitsmenge, zu komplexe Aufgaben, unklare Erwartungen des Chefs, Angst vor Arbeitsplatzverlust. Zum Persönlichkeitsprofil ist zu sagen: Burnout trifft oft die besten Mitarbeiter! Bei ihnen paaren sich hohes persönliches Engagement im täglichen Umgang mit anderen Menschen mit einem hohen Anspruch an sich selbst: “Ich will gut sein – Ich will erfolgreich sein – Ich will es den andern zeigen!” Diese Menschen haben oft eine besondere Sensibilität für Mitarbeiter und Situationen. Sie möchten anderen helfen und fühlen sich dann oft machtlos im Getriebe eines Unternehmens mit seinen vielfältigen Sachzwängen.
Immer für andere da...
Doch gerade dieses hohe Engagement in der Firma, im Team, in einer Gemeinde oder im Umgang mit Not leidenden Menschen kann zum Bumerang für Partnerschaft und Familie werden. “Ständig muss man auf ihn warten; das Geschäft geht immer vor; wir haben das Nachsehen”, so höre ich Klagen von Ehefrauen, die dieses Muster leid sind. Die Kinder wachsen heran und erleben den Vater nur in seinen müden Stunden. Bei berufstätigen Frauen kommt es häufig zur Mehrfachbelastung zwischen Beruf, Kindererziehung und Haushalt. Ein weiteres Problem ist die Vernachlässigung des Privatlebens. Es heisst dann, “wenn wir diese Durststrecke durchhalten, dann wird es wieder besser!” Doch so wie eine Pflanze bei Wassermangel eingeht, so kann auch eine Beziehung bei allzu langen Entbehrungen verwelken.
Ständig unter Hochdruck
Wer ständig unter Hochdruck steht, bei dem lösen selbst kleine gesundheitliche Probleme Angst aus. Eine banale Fussverletzung macht schlagartig die Abhängigkeit von anderen bewusst. So kann auch eine Grippe zu einer länger dauernden Erschöpfung mit konstanter Übermüdung führen. Erschöpfung kann sich auch in den Gefühlen äussern: man hat sich nicht mehr im Griff, ist nicht mehr belastbar, leicht gereizt, den Tränen nahe, ohne Distanz. Menschen im Burnout verlieren die Fähigkeit, Aufgaben zu planen und stufenweise anzugehen. Am Ende steht die Hoffnungslosigkeit: “Ich schaffe es doch nicht!”
Es gibt sogar Beispiele in der Bibel. Als Mose Besuch von seinem Schwiegervater Jethro bekommt, fällt dieser aus allen Wolken. Er erlebt einen Schwiegersohn, der von Morgens bis Abends mit der Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Volk Israel beschäftigt ist. “Du machst dich zu müde”, erkennt Jethro sofort und rät: “Suche dir einige rechtschaffene Männer für die kleineren Streitigkeiten - und du richtest nur noch die grossen und wichtigen Fälle.” (2. Mose 18,13-27)
Überlebens-Strategien
Wie kann man vorbeugen? Das rettende Schlagwort heisst: Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben.
1. Bedenken Sie, dass jeder Mensch nur begrenzte Energie hat. Sie können ihren seelischen Akku schnell herunterfahren oder aber Ihre Kräfte gezielt einsetzen.
2. Bauen sie bewusst Atempausen in den Alltag ein – eine halbe Stunde an die frische Luft, ein kurzer Spaziergang um den Block, ...
3. Lernen Sie Nein zu sagen – freundlich, aber bestimmt!
4. Wenn es zu hektisch wird: Halten Sie inne und fragen Sie sich: “Was kann passieren, wenn ich die Arbeit aufschiebe? Sind die Folgen wirklich so schlimm?” Wenn Sie ausbrennen, dankt Ihnen schliesslich niemand dafür. Das wusste schon der Prediger Salomo, als er schrieb: “Sei nicht allzu gerecht und allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest.” (Prediger 7,16).
5. Setzen Sie Grenzen: Verlagern Sie berufliche Probleme nicht ins Privatleben.
6. Nehmen Sie sich Zeit – etwa für Hobbys, Entspannung, Sport oder Musik. Überprüfen Sie ihren Tagesrhythmus. Sind Sie ein Morgen- oder ein Nachtmensch? Passen Sie Ihren Arbeitsalltag entsprechend an.
7. Spitzenleistungen sind manchmal nötig. Aber sie dürfen dann auch ein Gegengewicht setzen: Nehmen Sie sich Zeit, Wochenendarbeit, Jetlags oder Übermüdung auszukurieren. So kommen sie wieder frisch und mit neuen Ideen zur Arbeit.
8. Wenn alle Stricke reissen und Sie den Eindruck haben, der Job mache Sie kaputt, so seien Sie konsequent: Haben Sie schon an eine Auszeit (Sabbat-Jahr) gedacht? Überlegen Sie, ob es Sinn machen kann, sich versetzen zu lassen, die Stelle zu kündigen oder gar den Beruf zu wechseln.
In der Krise eines Burnout liegt auch eine Chance, in unserem Leben die Weichen neu zu stellen. Manche sagen: “Ich bin so viel wert, wie ich leiste.” Christen wissen, dass Gott die Menschen unabhängig von ihrer Leistung liebt. Im Arbeitseinsatz geht immer wieder der Blick für die Regeln zum Umgang mit unserer Gesundheit verloren. Ruhetag und Ruhezeiten werden vernachlässigt. Ebenso die Zeit für uns selbst, für Familie und Freunde.
Ein Knackpunkt liegt im Nein-Sagen. Jesus macht es uns vor (Mk 1,35-39). Er hat in Kapernaum so beeindruckend gewirkt, dass ihn am nächsten Morgen die Jünger beim Beten stören und sagen: “Jedermann sucht Dich!” Jesus denkt kurz nach, besinnt sich auf seine eigentliche Aufgabe und antwortet: “Lasst uns anderswohin gehen, in die nächsten Städte; dass ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.” Wichtig ist, dass er dies nicht nur sagt, sondern es auch tut. Wer den Ansprüchen aller Menschen genügen will, ist hochgradig Burnout-gefährdet.
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Quelle: idea Deutschland
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