Dem Tod ins Auge geblickt
Sie überlebte Völkermord – und rät zur Vergebung
In jungen Jahren erlebte Jeanne Celestine Lakin die Gräuel des Völkermordes in Ruanda. Sie verlor Mutter, Vater und ein drei Wochen altes Geschwisterkind. Heute ermutigt sie zum Gebet und zum Loslassen von Hass.
Als Kind hatte Jeanne Celestine Lakin alles, wovon sie träumte. Die Eltern führten je ein Geschäft. «Sie gaben Armen zu essen und kleideten sie ein. Und sie bezahlten Schulgeld für Kinder aus Familien, die weniger Glück hatten.» Bei Konflikten war der Vater in der Gemeinde als guter Vermittler bekannt.
Gerade erreichte Jeanne die Mittelstufe, als die Lehrer die Schüler nach ethnischer Zugehörigkeit aufteilten – Tutsis auf die eine und Hutus auf die andere Seite. «Ich gehörte zu den besten Schülern, hatte aber keine Ahnung, welcher Ethnie ich angehörte. Das lag daran, dass meine Eltern nicht an die menschliche Familie glaubten, sondern an das Königreich.»
«Schlangen und Kakerlaken»
Ihr wurde angedroht, aus der Schule zu fliegen, wenn sie ihre Ethnie nicht sagte, also ging sie nach Hause, um die Mutter zu fragen. Diese antwortete: «Mach dir keine Sorgen, du bist ein Kind Gottes.» Beim Nachfragen sagte Mama, dass sie zum Tutsi-Volk gehört.
Ein harter Schlag, denn über Tutsi wurde gesagt, sie seien «Fremde im Land» sowie «Schlangen und Kakerlaken». Sie wurde vom Menschen zum unerwünschten Wesen.
Am 7. April 1994 begann der Völkermord. «Die Art und Weise, wie sich die Menschen so schnell gegeneinander wendeten, verstehe ich bis heute nicht.» Die Familie floh in den Busch. «Wir lebten monatelang da und sahen, wie die Menschen direkt vor unseren Augen starben.»
200-mal nicht gesehen
Auch Jeannes Mutter wurde getötet. «Ich war am Boden zerstört. Ich hatte das Gefühl, dass mein Leben zusammenbrach.» Sie erfuhr von ihrem Onkel, wo die Mutter ermordet worden war. Jeanne wollte hingehen und das drei Wochen alte Baby, das wohl noch bei Mutter war, retten. Doch als sie den Ort erreichte, sah sie, dass auch das Kleine getötet worden war.
Ihre Eltern hatten sie viel über die Kraft des Gebets gelehrt. «Mein einfaches Gebet lautete nun: 'Gott, blende sie. Ich weiss, dass sie mich sehen können, Gott. Aber du kannst Wunder vollbringen. Blende sie, damit sie mich nicht sehen.' Als ich in der Gegenwart dieser Leute mit Macheten und Gewehren und Granaten stand, mit Blut, das von ihren Waffen tropfte und betete: 'Gott, blende sie, damit sie mich nicht sehen', wurde ich über 200-mal nicht gesehen.»
«Wir töten dich»
Einmal wurde sie gepackt. «Sie gaben mir 15 Minuten Zeit zum Beten, dann würden sich mich umbringen.» Jeanne betete. «Diese Männer sahen aus, als wären sie betrunken oder durch irgendetwas abgelenkt. Ich hatte das Gefühl, dass es durch das Gebet war. Sie hatten wohl vergessen, dass ich dort sass. Sie gingen einfach weg.»
Später starb auch ihr Vater. «Ich wurde als Kind vergewaltigt. Vergewaltigung war eine Waffe gegen Frauen. Über 500'000 Frauen wurden während des Völkermordes vergewaltigt. Darunter auch ich.»
«Das ist mein Kind!»
«Gott hat uns mit einer Möglichkeit zur Wahl geschaffen, damit die Menschen sich dafür entscheiden können, Gutes zu tun. Menschen können sich aber auch dafür entscheiden, Böses zu tun. Es war nicht Gott, der mit Macheten und Knüppeln Menschen in Ruanda tötete.»
Nach dem Völkermord wollte sie fliehen. Sie wollte einen Fluss überqueren, um ins Nachbarland zu gelangen. «Sie identifizierten immer noch Menschen, die wie ich aussahen und als Tutsis erkannt wurden. Sie nahmen mich und einige andere, stellten uns in eine Reihe und töteten jeden einzelnen Menschen vor mir und warfen ihre Leichen in den Fluss. Wieder betete ich, dass Gott mich noch einmal beschützt. 'Gott, du hast mich nicht hierhergebracht, damit ich hier sterbe. Du hast mich nicht durch all das Chaos des Völkermordes gerettet, um mich auf die andere Seite zu bringen, damit ich hier sterbe. Ich habe deine Wunder gesehen. Gott, ich möchte, dass du mich noch einmal beschützt.'»
Plötzlich drängte sich eine Frau hinzu, die rief: «Das ist mein Kind!» Die Mörder befragten Jeanne und die Fremde separat und alles schien übereinzustimmen – Jeanne konnte mit ihr gehen. Kurz danach sagte die Frau: 'Ich werde mit dir sein.' Sie liess meine Hände los und verschwand.»
Gottes Geschenk der Vergebung
Nach den heillosen Wirren betete sie eines Tages: «Ich möchte in der Lage sein, zu vergeben. Ich möchte wirklich loslassen, was mir passiert ist und normal sein.» Doch sie konnte nicht. «Ich betete weiter: 'Gott, ich brauche deine Hilfe. Ich kann das nicht allein tun. Gib mir die Kraft.'»
Als sie schliesslich dazu in der Lage war, empfand sie grosse Freude. «Ich fühlte einen tiefen Frieden in meinem Herzen. Es ist die Liebe Gottes, die uns in die Lage versetzt, Freude zu erleben. Wir können innerlich frei werden, wenn wir fähig sind, zu vergeben.»
Ein Gott, der sieht
Später, beim Studium in den USA, lernte sie ihren Mann Paul kennen. «Wir bekamen unseren Sohn Samuel. Gott nimmt die Stücke, die so zerbrochen sind, dass wir sie als Menschen nicht mehr zusammensetzen können und Gott erschafft etwas Schönes aus der Asche. Gott fügt die Teile wieder zu diesem wunderschönen Mosaik zusammen, das wir am Ende bewundern können.»
Wenn man Hass, Bitterkeit, Wut und Groll im Herzen habe und am Schmerz festhalte, könne man sich nicht an den einfachsten Dingen erfreuen, die Gott für uns geschaffen hat. «Ich bete dafür, dass die Menschen, die von der Vergebung hören, innerlich frei werden, denn ich habe das Gefühl, dass Gott so viel mehr für uns Menschen bereithält, als wenn wir an Hass oder Schmerz festhalten.»
Heute ist Jeanne Celestine Lakin preisgekrönte Autorin und Menschenrechtlerin.
Zur Website:
Jeanne Celestine Lakin
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Quelle: JesusCalling / gekürzte Übersetzung: Jesus.ch
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