Aufbruch zum Leben

Der Brahmanen-Rebell

Er stammt aus der höchsten Kaste. Manche Inder dürften nicht einmal auf seinen Schatten treten. Doch heute arbeitet Prabhudan im Kehrichtdampf für die Ärmsten der Armen. Er engagiert sich in den Slums Kalkuttas.

Zusammen mit einem jungen Schweizer Ehepaar arbeiten Prabhudan und Sipra in einem hoffnungslos überfüllten Slum in Kalkutta. Hoffnung ist hier etwa so häufig anzutreffen wie ein Königspinguin bei den ägyptischen Pyramiden. Doch das indische Ehepaar und die jungen Schweizer packen an und verschaffen Arbeitsstellen und geistliche Kraft.

Für Prabhudan (56) keine Selbstverständlichkeit. Denn gemäss hinduistischer Lehre wäre er schon fast göttlicher Natur, da einer Familie der höchsten Kaste, der Priesterkaste der Brahmanen entstammt. Während die Leute im Slum sogenannte «Unberührbare» sind. Sie dürften eigentlich nicht einmal auf seinen Schatten treten! Und nun sind er und seine Familie da, um ihnen zu dienen!

Zu den Brahmanen gezählt

So sah es lange nicht aus. Denn statt brahmanischer Weisheit beschäftigten Prabhudan ganz andere Dinge. Seine Vorfahren waren 1920 von Dhaka (heute die Hauptstadt von Bangladesch) in eine überwiegend christliche Gegend in Kalkutta umgezogen.

«Wir übten keine Religion aus, waren aber als Konvertiten vom Hinduismus zum Christentum bekannt.» Bei der vielfältigen, hinduistischen Götterwelt und dem passiven Christsein fiel Prabhudan aber nicht aus dem Rahmen. Er wurde daher von der Umgebung trotzdem zur Brahmanenkaste gezählt.

«Ich war ein Dieb!»

Gerade ein «Brahmanen-Vorarbeiter» sei er nicht gewesen, sagt Praphudan heute: «Mein Denken war böse und korrupt, ich verwendete betrügerische Mittel, um viel Geld von meinen Eltern zu kriegen. Manchmal stahl ich Geld aus der Tasche meines Vaters. Ich war Experte im Lügen.»

Glauben mochte er an nichts. «Die Religion, die um mich herum praktiziert wurde, schien von der Realität des Lebens entfernt zu sein.» Dafür glaubte er an seine Karriere: «Ich hatte an der Calcutta University studiert und war mir meiner Möglichkeiten bewusst.»

Daheim seien regelmässig Familiengebete gesprochen worden, erinnert sich der Inder. «...Wir verrichteten unsere religiösen Aktivitäten. Meine strenge Indoktrination in religiöser Hinsicht liess mich die Religion in einem sehr armen Licht sehen. Ich schloss daraus, dass Religion Menschen nur schicksalsergeben macht... Und dass Religion zur Verbesserung der Situation der vielen Armen und der Heruntergekommenen nichts anzubieten hat.»

«Im Slum verraten wir unsere Abstammung nicht»

Dabei war ihm diese gar nicht bekannt: «Ich wusste nichts über die Situation von Unberührbaren. Ich kam an einem Platz zur Welt, wo die meisten Menschen nominelle Christen waren. Unsere soziale Kaste vermischte sich nicht mit Menschen von tieferen Kasten.» (Das gilt für Hindus aus den hohen Kasten weiterhin, sie würden sich sonst rituell verunreinigen.)

Prabhudan allerdings lässt sich nicht mehr von seiner Herkunft bestimmen, sondern geht unter die Leute. Doch sprechen er und seine Frau Sipra mit den Menschen, die sie in den Slums besuchen, nicht über ihren Hintergrund. „Wir stellen uns als Bruder und Schwester in Christus vor. Auf diese Weise bauen wir keine Barriere zwischen uns und ihnen auf.»

Stolz zerbrochen

Denn Prabhudan und Sipra sind erweckte Christen. «Der Wechsel des Lebensstils war ein kritischer Moment für uns, alle irdischen Ambitionen liessen wir fallen.» Und dies ging so: Sipra erhielt von einem Mitarbeiter des Missionswerks ‚Operation Mobilisation’ (OM) ein christliches Buch in Bengalisch. Nachdem sie es gelesen hatte, sprach sie mit diesen Christen und sie entschied sich für ein Leben mit Jesus. Das war 1985.

Prabhudan war durch den Glaubenswechsel seiner Frau stark herausgefordert. Der neue Weg seiner Frau beinhaltete viel Konfliktstoff. 1989 – vier Jahre später – entschied auch er sich für Christus. Er war inzwischen überzeugt, dass er selbst mit seinem sündigen Leben und seiner Rebellion Jesus ans Kreuz nagelte. Diese Einsicht liess den Stolz von Prabhudan zerbrechen.

Ein Jahr «Time-Out»

Im folgenden Jahr verliess Prabhudan seine Familie für ein Jahr, um auf den Andaman- und Nikobar-Inseln im Indischen Ozean eine Auszeit zu nehmen und nach Gottes Willen für die Zukunft der Familie zu forschen. Er verliess nicht nur die Familie für ein Jahr, sondern auch seinen gut bezahlten Regierungsjob und die irdische Sicherheit.

Nach seiner Rückkehr durchlief er ein zweijähriges Bibelstudium. Dann verliessen Prabhudan und Sipra ihre Nachbarschaft und wechselten mit den Kindern in ein kleines Zuhause. In seiner Auszeit hatte er Gott versprochen, den Armen zu dienen. Neuseeländische Missionare hatten ihn gelehrt, in Slums Hauskirchen zu gründen. Diese Arbeit nahm das Ehepaar in Angriff. Inzwischen sind 15 Hauskreise in 13 Slums entstanden.

Webseite: www.bornpoor.com


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