Holocaust-Überlebender Peter Loth
Hass und Misshandlung überlebt
Bin ich bereit zu vergeben? Peter Loth im Herbst 2006.
Peter Loth ist der Sohn einer Halbjüdin und eines Deutschen. Unter dem Druck der Nazis verliess Loths Vater seine Mutter, als sie schwanger wurde. Wenig später – Helena Loth war im dritten Monat – wurde sie mit ihrer Familie verhaftet. An einem Ort unsäglicher Grausamkeiten, im KZ Stutthof bei Danzig, kam Peter 1943 zur Welt. Als die beiden 1945 nach Auschwitz verfrachtet wurden, griffen Partisanen den Zug an. Helena fehlten die Kräfte, mit dem Kleinen zu fliehen; sie vertraute ihn einer Polin an. „Meine ‚Matka’ (Mama) liebte mich und tat alles, um Nahrung und Unterkunft für uns zu besorgen.“
Hölle Waisenhaus
Eine Zeitlang hausten Peter und seine Matka in unterirdischen Abwasserkanälen der westpolnischen Stadt Torun/Thorn. „Meine früheste Erinnerung ist jene von Männern, die mich von meiner Matka mit Gewalt getrennt haben. Ich wurde in ein Waisenhaus gebracht, wo 30 bis 40 deutsche Kinder in einem Raum gehalten wurden. Die Russen und Polen waren so voller Hass gegen die Deutschen, dass sie ihren Zorn an den Kleinen ausliessen. Im Waisenhaus fehlte es an allem. Die Knaben wurden tags zur Arbeit gezwungen und nachts wiederholt missbraucht. Der Bruder von Matka, Offizier in der polnischen Armee, holte Peter mehrere Male heraus; Wochen später war er wieder im Horror gefangen. „Ich habe gesehen, wie Waisenkinder vergewaltigt, missbraucht und hingerichtet wurden.“
Peter Loth und seine Matka.
Kleine Freundin – erschossen
Weil Matka, eine Zirkuskünstlerin, alles hergab, auch ihren Körper, entging Peter der Erschiessung; ein mit ihm befreundes jüdisches Mädchen kam um. „Ich sah meine kleine Freundin, das Mädchen mit dem gelben Stern – sie lag tot auf dem Leichenhaufen.“ Im Alter von sechs Jahren empfand Peter einen derart intensiven Schmerz, dass er sich umbringen wollte. Oft wurde er misshandelt. Später konnte er wieder bei Matka wohnen.
Ein kaum erträglicher Schock traf ihn, als sie ihm eröffnete, sie sei nicht seine wahre Mutter. Diese hatte sie übers Rote Kreuz ausfindig gemacht. Helena Loth hatte Westdeutschland erreicht und unterdessen einen US-Soldaten geheiratet. Weil ihr Brief von einer US-Basis kam, geriet Peter unter Spionageverdacht. Über acht Monate wurde er verhört und misshandelt: „Warum kennst du Amerikaner?“ Schliesslich wurde die Ausreise aus Polen erlaubt – Peter gelangte über den Berliner Checkpoint Charlie in den Westen.
Peter Loth, etwa zwei Jahre alt.
Traumatische Begegnung
Für seine Mutter, bei der er nun leben sollte, empfand er vorweg eines – Hass. Denn sie hatte ihn einst den Folterern überlassen. Nun begegneten sie einander. „Sie sprach Deutsch und Englisch und ich sprach Polnisch und Russisch. Wie konnte sie mich nur verlassen, um selbst frei zu sein? Meine Mutter musste den Schmerz bemerkt haben und all die Fragen in meinen Augen. Sie knöpfte ihre Bluse auf und zeigte mir ihren Rücken; er war von Narben übersät. Sie zeigte mir ihre Brust; sie war verstümmelt. Ihrem Unterarm war eine Nummer eintätowiert.“ Peter verstand – sie hatte unsagbar gelitten, sie auch. „Aber ich wusste nicht, wer das alles getan hatte und warum. Weinend umarmte ich meine Mama.“
Peter Loth vor der Gaskammer in Stutthof, wo seine Grossmutter und seine Tante vergast wurden.
Schlüssel zur Heilung
Der Umzug in die Vereinigten Staaten 1959 brachte neue Probleme mit sich. Erst viele Jahre später gelang es Peter Loth, seine inneren Verletzungen Gott hinzuhalten und Heilung zu erleben. Das war nicht einfach: „Gott brachte mich auf die Knie. Er sagte mir: ‚Vergib, und ich vergebe dir deine Übertretungen.’ Mir wurde deutlich, dass ich allen vergeben sollte, die mir Leid angetan hatten: Nazis, Russen, Polen, Deutschen, Amerikanern…“ Heute ist der Mann, dem die Familie und die Kindheit geraubt wurden, als Botschafter der Versöhnung unterwegs – zunehmend auch in deutschsprachigen Ländern.
Lesen Sie auch den zweiten Teil von Peter Loths Geschichte:
Schatten des Holocausts: „Es ist Zeit für Vergebung“
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch
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