Appetit auf Zukunft
Markus Spiekers Rückblick auf Asien: «Übermorgenland»
Mehr davon! Der ehemalige Leiter des ARD-Studios in Südasien schaut zurück auf seine Erfahrungen und sortiert sie aus westlicher und christlicher Perspektive ein. Markus Spieker plaudert, analysiert und beschreibt. Seine «Weltvorhersage» ist mehr als lesenswert – und sie macht Appetit auf Zukunft.
Er ist Historiker und Journalist. Und er outet sich immer wieder als Christ. Markus Spieker (48) leitete vier Jahre lang das ARD-Studio in Südasien. Wieder zurück in Deutschland, liegt es für ihn fast auf der Hand: Ein Buch muss her. Über das exotische und fremde Asien. Beim Nachdenken darüber – «Herr Spieker, was war eigentlich Ihr spannendstes Erlebnis?» – entsteht etwas völlig anderes, eine «rasante Zukunftsschau», «eine Weltvorhersage». Vor allem aber differenzierte Bilder und Berichte aus einer Region, die schon lange nicht mehr das Schlusslicht der Welt bildet: Asien.Erster Eindruck
Zugegeben: Wenn ich ein Buch in die Finger bekomme, dann fühle ich erst einmal, wie es sich anfasst. Und ich rieche daran. Erst danach kommt der Klappentext auf der Rückseite dran. «Übermorgenland» von Markus Spieker bewegt sich hier für mich in der oberen Mittelklasse. Das Buch hat einen positiven Titel und ein fantasievolles Cover mit Prägedruck und Goldfolie. Gut 300 Seiten, die ich gern in die Hand nehme. Der Infotext auf der Rückseite ist dagegen durchwachsen. Es wird nicht so recht klar, ob das Buch Chancen und Möglichkeiten beschreibt oder eher in den Chor der christlichen Apokalypsen einstimmt, dass alles immer schlechter wird. Gut, dass der Autor hier mit seinem Inhalt und seiner Schreibe punktet. «Übermorgenland» ist einfach lesbar, intelligent und interessant geschrieben. Und die Kategorien «Mahnung» und «Hoffnung» gehen darin fliessend ineinander über – wie im wirklichen Leben.Das Hamlet-Problem
Spieker teilt sein Buch in drei Abschnitte: Gesternland – Warum wir die Welt nicht mehr verstehen, Morgenland – Wohin die Welt sich wirklich entwickelt, und Übermorgenland – Wie wir besser, krisenfester und unsterblich werden.
Zu Beginn beschreibt er seinen jahrelangen Arbeitsplatz Asien im typisch westlichen Klischee. Natürlich waren hier einmal Hochkulturen angesiedelt, doch von Menschenrechten bis hin zum Lebensstandard bewegen wir uns hier doch fast in der Steinzeit. Oder nicht? Margot Kässmann, ehemalige EKD-Vorsitzende, betonte einmal: «Nichts ist gut in Afghanistan!». Doch Aussagen wie diese gelten nur so lange, bis man einmal tatsächlich vor Ort ist. Das jedenfalls unterstreicht Markus Spieker immer wieder.
Zu Beginn des Buches weist er deshalb auf das Hamlet-Problem hin. Der vielleicht berühmteste Theaterheld klagt einmal: «Die Zeit ist aus den Fugen.» Er versteht die Welt nicht nicht mehr. Dabei ist er allerdings selbst das Hauptproblem… Diesen Spiegel hält Spieker uns als Lesern, gerade auch auch mit christlicher Prägung, immer wieder vor. Er bügelt keine Menschenrechtsverletzungen oder Christenverfolgungen glatt, doch er zeigt deutlich, dass sich in Asien mehr bewegt als das, was uns die Nachrichten zeigen.
Die Welt wird frommer
Vor 100 Jahren war einer von 25 Erdbewohnern deutsch. Das hat sich längst geändert. Inzwischen herrscht im christlich geprägten Westeuropa die Meinung: Wir sind auf dem absteigenden Ast. Dabei stimmt das global gesehen gar nicht. Der Hinduismus wird bald nicht mehr weiter wachsen und der Buddhismus stagniert schon lange. Doch der christliche (aber auch der islamische) Glaube wächst weiter. Weltweit. Und besonders in Asien. «In der Jahrhundertmitte werden zwei Drittel der Menschheit einem monotheistischen Glauben folgen.»
Diese Wahrnehmung liegt deutlich neben unserer westeuropäischen Spur, doch Markus Spieker stellt an diesem, wie an vielen anderen Punkten klar, dass die europäische Weltsicht eben nicht das Mass aller Dinge ist. «Warum boomen Religionen, vor allem die monotheistischen, im Zeitalter der Globalisierung? Nicht zuletzt deshalb, weil sie sozialen Rückhalt geben und Sinn stiften… Die Welt wird also wieder immer mehr, was sie immer war: religiös.»
Der Engel von Karachi
Neben vielen Anregungen, was Christen ändern könnten, sollten und müssten, legt Spieker selbst beim Blick in die Zukunft einen Schwerpunkt auf das, was bereits geschieht. So beschreibt er seinen Besuchbei der Ärztin Ruth Pfau (1929-2017), dem «Engel von Karachi». Angewidert vom Wirtschaftswundergedanken ging sie nach Pakistan. Dort gelang es ihr, die Ausbreitung der Lepra praktisch vollständig zu stoppen. In Pakistan erhielt die engagierte Medizinerin dafür ein Staatsbegräbnis – in Deutschland war ihr Tod ein Dreizeiler in den Zeitungen. Der fast gleichzeitig verstorbene Hugh Hefner bekam als Gründer des Playboy wesentlich mehr Medienaufmerksamkeit.
Gerade Asien hat eine besondere Geschichte mit engagierten Christen. Wo manche Deutsche beim Glauben zuerst an Inquisition und Kreuzzüge denken, reden Menschen in Indien von Bildung, Krankenpflege und Frauenrechten. «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst» hat hier unendlich viel in Bewegung gesetzt.
Für Spieker sind Geschichten wie die von Ruth Pfau ein Ansporn zu sehen, was wir als westliche Christen von der Welt lernen und was wir ihr weitergeben können.
Viele Gedanken des Buches werden bei mir und den anderen Lesern des Buches kaum hängenbleiben. Sie sind interessant, vielleicht herausfordernd, aber etwas fremd. Doch was mir nach dem Lesen hängenbleibt, ist eine hohe Achtung vor den Menschen in Asien, die weit über Pekingente und Wirtschaftsleistungen hinausgeht. Und es ist das Schlussbild des New Yorker Clubs «Schimanski». So enttäuschend Markus Spieker seinen Besuch dort beschreibt, er hält fest: «Alles, was gut ist, kommt irgendwann zurück.» Auch christliche Errungenschaften. Denn «Zukunft braucht Herkunft» (Odo Marquardt).
Mein Tipp: Lesen Sie jeweils ein Kapitel des Buchs vor der Tagesschau. Es wird Ihre Weltsicht positiv verändern.
Markus Spieker: Übermorgenland. Eine Weltvorhersage, Fontis 2019, Basel, ISBN 978-3-03848-164-5, SFr 29,80, Euro 20,-.
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Quelle: Livenet
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