Tiefer graben
Das Wilde und die Freude
Advent ist da, Covid ist immer noch da – eine Zeit, die viele von uns emotional fordert wie lange nicht mehr. Vielleicht aber gerade eine Zeit, durch den rot-goldenen Kitsch des süssen Jesuleins durchzudringen und den wilden Messias zu finden.
Man muss zugeben: Es gäbe Weihnachten schon lange nicht mehr, wenn sich hinter dieser ganzen Geschichte nicht etwas Tieferes, Wilderes verstecken würde. Die ganze Story des menschgewordenen Messias ist ja von Anfang an eine einzige Unmöglichkeit, die trotzdem passiert ist: Eine Jungfrau kriegt ein Kind, ein König wird im Gästezimmer-Stall geboren, die Letzten, Niedrigen kriegen auf dem Feld Besuch vom Engel-Heer, ein paar Wissenschaftler reisende Tausende von Kilometern, um sich vor einer Sensation in Form eines zweijährigen Kindes niederzuwerfen.
Die Welt, auf den Kopf gestellt
Und so geht es weiter. Gehen wir mal über die Ränder unseres angepassten Kulturchristentums hinaus und staunen, was dieses Kind auf unserem Globus angerichtet hat. Sein irdisches Leben dauerte nur gut 30 Jahre, aber seitdem ist die Welt nicht mehr die gleiche. Mit diesem Kind hat Gott ein neues «Haus» in der Welt gebaut, in das er seitdem mit offenen Armen einlädt.
Die Poetin und Künstlerin Lori Hetteen aus Minnesota hat «durchgeblickt» und drückt es so aus:
Gefangene verfassen Schriften,Huren sind Helden
und jedes Gesicht widerspiegelt Heiligkeit.
Die Füsse der Bauern werden vom König gewaschen,
und das Gesetz beugt sich vor der Liebe.
Outsider sind Insider,
und die Tür ist nicht offen, sondern aus den Angeln gerissen.
Dies ist das Haus, das Gott gebaut hat.
Klingt auf Deutsch nicht besonders, und man muss diese radikale Message so lesen, wie sie wunderschön aufgeschrieben und in die Geschichte von ganz normalen Häusern hineingewoben ist. Hohes wird niedrig, Niedriges wird erhöht; die Hinterletzten werden die Ersten – und umgekehrt.
Subversive Freude
Es kommt immer darauf an, wo man hinsieht. In allen Kulturen, schon lange vor Covid und sicher für immer nach Covid, bringt Jesus eine radikale Umwertung des Bekannten. «Lass die Schwachen sagen: 'Ich bin stark' / Lass die Armen sagen: 'Ich bin reich' / Lass die Blinden sagen: 'Ich kann sehen' – das ist es, was der Herr an mir getan hat», singen Christen gelegentlich; ab und zu blitzt etwas davon auch im Alltag auf.
Unzählige erleben diese grosse Umkehrung auf der ganzen Welt, egal in welcher Kultur. Darum dürfen wir nie aufhören, zu singen und anzukünden: «Freue dich, Welt» – mitten drin und trotz allem.
Denn – und das ist eigentlich das Schönste: Er kommt nochmal wieder. Dann macht er fertig, was er vor 2000 Jahren angefangen hat. Die Welt wird «ge-richtet». Darum gehören unsere Köpfe nicht in den Sand, sondern hoch in die Luft. Freude herrscht. Denn die Herren dieser Welt – und auch die Nöte dieser Welt – gehen; unser Herr kommt.
Zum Thema:
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch
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