Interview

«Polizisten sind eigentlich eher sensible Leute»

Viele Polizisten haben Probleme mit der Verarbeitung von schwierigen beruflichen Situationen. Das stellt der Berner Bundeskriminalpolizist Felix Ceccato fest. Als Präsident der Christlichen Polizeivereinigung Schweiz (CPV) lebt er selber nach einem ungewohnten Leitspruch, wie er in einem Interview mit „idea Spektrum Schweiz“ erklärt.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Kriminalität?
Felix Ceccato: Wenn man den Statistiken Glauben schenkt, dann hat die Kriminalität vor allem bei den Gewaltdelikten zugenommen. Ich gehe davon aus, dass es noch eine grosse Dunkelziffer gibt, gerade bei häuslicher Gewalt oder bei Körperverletzungen durch Jugendgewalt.

Offensichtlich nimmt die Gewalt unter Jugendlichen weiter zu. Was steckt dahinter?
Grundsätzlich «verdient» jede Gesellschaft die Probleme, die sie sich selber schafft! Wenn man sieht, wie oft Kinder keine geordneten Familienverhältnisse oder Jugendliche keine persönlichen Perspektiven mehr haben, dann muss man sich über diese Entwicklung nicht wundern. Dann landen die jungen Menschen eben früher oder später auf der Strasse und in teils fragwürdigen Ersatzfamilien. Hier liegt keineswegs nur ein polizeiliches Problem vor. Es liegt zuerst an den Eltern, aber auch an der Schule und an der Politik, sich vermehrt um unsere Jugend zu kümmern.

Wie könnte die Familie gestärkt werden?
Der Staat kann die Rahmenbedingungen verbessern, zum Beispiel im steuerlichen Bereich. Alleinerziehenden Müttern können Tagesstrukturen eine Hilfe sein. Dann sollte man sich die Einführung von einer Art Spitex für Eltern überlegen, die bei der Umsetzung von erzieherischen Massnahmen hilft. Man muss die Familie grundsätzlich stärken. Dazu gehört auch die Wertediskussion. Wer die Familie mit christlichen Werten stärkt, hilft ihr am meisten.

Worauf achten Sie selber bei der Erziehung Ihrer Kinder?
Unsere beiden Kinder, elf und sechs Jahre alt, und unsere drei Tageskinder im gleichen Alter brauchen zuerst unsere Zeit. Das ist die Hauptaufgabe meiner Frau. Wir versuchen viel Zeit in unsere Kinder zu investieren, um auf ihre Fragen und Bedürfnisse eingehen zu können. Wir wollen ihnen Vorbild sein und mit Liebe begegnen. Wir haben aber selber nicht immer Lösungen. Deshalb hilft es uns sehr, dass wir uns an christlichen Werten und der christlichen Gemeinschaft orientieren können

Im Blick auf die christlichen Werte sind Sie offenbar daran, eine neue Polizeibibel zu schaffen.
Nachdem wir seit zwei Jahren mit der deutschen Polizeibibel arbeiten, bereiten wir jetzt eine schweizerische Polizeibibel vor. Sie sollte Ende Jahr in einer Auflage von 8000 Exemplaren herauskommen.

Wir sprechen aber eher von einem Ethik-Handbuch, da diese Bibel neben den Zehn Geboten und dem Neuen Testament auch einiges über Menschenrechte und Ethik enthalten wird. Dazu kommen Lebensberichte von Polizisten und Grenzwächtern und nützliche Tipps für die Polizeiseelsorge und die Polizeipsychologie. Wir gehen davon aus, dass das Buch dann auch als Lehrmittel im Polizeiunterricht verwendet wird.

Welches sind die grössten Probleme für den modernen Polizisten?
Ich denke vor allem an das Verarbeiten dessen, was man erlebt hat. Als Polizist sind wir immer wieder Situationen ausgesetzt, die «ans Läbdige» gehen. An einer Unfallstelle muss der Polizist einfach funktionieren. Doch danach kommt die Verarbeitung. Wir sind ja dem Amtsgeheimnis unterstellt, so dass sich auch immer wieder die Frage stellt, was man selbst mit der Ehefrau reden kann und was nicht. Da kann es eine grosse Hilfe sein, wenn man mit Kollegen oder Fachleuten reden kann.

Viele Polizisten wollen aber Schwächen nicht gerne eingestehen. Sie leben mit dem Klischee, dass ein Polizist nicht schwach sein darf. Dabei sind Polizisten nicht einfach Rambo-Typen! Polizisten sind eigentlich eher sensible Leute. Sie müssen ein besonderes Gespür haben, um auf die Bürger einzugehen.

Viele Polizisten meinen, sie dürften nicht schwach sein?
Für jüngere Polizisten ist das weniger ein Problem als für ältere und für solche in Vorgesetztenfunktionen. Im Allgemeinen wird darüber innerhalb der Polizei auch zu wenig diskutiert. Polizisten mit einem starken Charakter haben weniger Mühe zu sagen, sie fühlten sich hilflos. Doch gerade Vorgesetzte können oft nicht zu persönlichen Problemen stehen.

Was läuft in Ihnen ab, wenn Sie einen Schwerverbrecher vor sich haben?
Ich versuche auch in einem solchen Fall, den Menschen zu lieben und christliche Werte zu leben. Als Polizist liegt mir viel daran, nicht den Menschen zu kritisieren, sondern nur sein Verhalten. Ich habe nur die Tat zu klären. Von Straftätern wird es geschätzt, wenn sie erleben, dass ich sie als Mensch achte, und nur ihr Verhalten als strafbar betrachte.

Welcher Tipp von Jesus ist Ihnen für Ihren Dienst besonders wichtig?
Mein persönlicher Leitspruch steht in Matthäus 5,9: «Glücklich sind die, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes sein.» Das ist mir ein Ansporn, als Polizist «ein Freund und Helfer» zu sein. Im Epheserbrief steht auch, dass Gott mein Schutz und Schild ist. Darauf will ich einfach vertrauen!

Wie oft waren Sie schon darauf angewiesen?
Immer wieder! Es gab Situationen, da ich dachte, jetzt sei meine Zeit abgelaufen. Es gab die konkrete Situation, als sich der Täter und ich gegenseitig die Waffe ins Gesicht hielten. Es war Gottes Eingreifen zu verdanken, dass der Täter und ich bewahrt blieben. Vor Einsätzen bete ich darum oft um Hilfe und Schutz. Vor schwierigen Einsätzen lasse ich auch einen Gebetsalarm an meine Gebetsfreunde los.

Beten Sie auch für Täter?
Manchmal bete ich für ein Geständnis eines Täters. Mit der besten Befragungstechnik kann man nicht immer ein Geständnis erreichen.

Wie pflegen Sie sonst den Kontakt mit Gott?
Die Gemeinschaft mit Gott ist mir zur Selbstverständlichkeit geworden. Ich beschäftige mich am Morgen in der Stillen Zeit intensiv mit Gott und seinem Wort. Dann gibt es auch während des Tages immer wieder Situationen, in denen ich bei Gott zurückfrage, welches die richtigen Schritte sind.

Und Gott hilft konkret?
Ich spüre oft, ob eine Tür aufgeht oder geschlossen bleibt, ob ein Kontakt richtig ist oder nicht. Ich erlebe es, dass Sitzungen, Einsätze und Fälle oder private Anliegen besser herauskommen, wenn ich dafür gebetet habe.

Gottes Hilfe

Die Christliche Polizei-Vereinigung Schweiz (CPV) zählt gegen 300 Mitglieder und Sympathisanten und hat Regionalgruppen in den Kantonen Basel, Bern, Zürich, Thurgau, Graubünden, St. Gallen und Tessin, in der Innerschweiz, der Romandie und bei der Grenzwacht. Die CPV ist eine überkonfessionelle Berufsvereinigung von Polizisten, die sich bewusst sind, dass sie für die vielseitigen Anforderungen ihres Berufes Gottes Hilfe in Anspruch nehmen können. Sie fördert die Berufsethik auf der Basis des christlichen Glaubens und führt Projekte im In- und Ausland durch, um Sicherheit, Frieden und Gerechtigkeit weltweit zu fördern. In vielen Ländern werden - in Zusammenarbeit mit der EU, der UNO und anderen Organisationen - Seminare für Politiker, Polizei, Militär, Justiz- und Strafvollzug sowie für Juristen im Bereich Führungsethik, Antikorruption und Menschenrechte durchgeführt.

Die CPV hat für die Verkehrsprävention ein Malbuch für Kinder und zur Jugendgewalt sowie zur Euro 08 eine Präventionsbroschüre erstellt. Bezug: Informationsverlag GmbH, Fachverlag für polizeibezogene Publikationen, Bösch 108, 6331 Hünenberg. www.iv-verlag.ch

Webseite: www.cpv.ch

Datum: 07.08.2008
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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