Basler Blaukreuz-Brockis
Wiedereingliederung von Mensch und Möbel
Des Schweizers Zuhause wurde in den letzten Monaten tüchtig ausgemistet. Nicht zuletzt führte das Corona-Zuhausebleiben zum Überdenken, was es eigentlich so braucht und was man loshaben will. Die Brockis waren dankbare Abnehmer. Doch bietet das Blaukreuz nebst Arbeitsintegration und Nachhaltigkeit noch viel mehr.
Die Blaukreuz-Brockenhallen Reinach und Muttenz sind Arbeitsbereiche der Stiftung Jugendsozialwerk. Hinter den auf- und angenommenen Menschen stehen immer auch Schicksale, die bewegen. So durfte Livenet unter anderem einen Teil von zwei Lebensgeschichten mitbekommen.
Gelebte Nächstenliebe, Bibelinput und Gebet
Zu den beiden Standorten gehören 14 Festangestellte, die zusammen rund 50 Personen begleiten, welche aus dem ersten Arbeitsmarkt gefallen sind. Diese erhalten Coaching, Arbeitstraining und Unterstützung bei der Stellensuche.
Zusammengezählt haben die beiden Brockis eine Verkaufsfläche von 1600 m2. Das Werk in Reinach ist auf Familien ausgerichtet, dort hat es einen internen Kinderspielplatz mit einer 14m-langen Rutschbahn. In Muttenz wird der Schwerpunkt auf Events und Cafébetrieb gesetzt. Falls gerade kein Corona ist, bieten sie dreimal im Jahr den beliebten Muttenzer Brocki-Brunch an. Es werden ebenfalls Geburtstage gefeiert und GVs abgehalten.
Sie beschäftigen Menschen, die leicht im Arbeitsnetz durch die Maschen fallen, wie können Sie da genau helfen?
Benjamin Singer: Unser erstes und oberstes Ziel ist es, allen Betroffenen wieder eine positive Arbeitserfahrung zu ermöglichen. Viele sind belastet, bringen eine Suchtthematik oder Erkrankung mit. Wir bieten ihnen hier eine Teamzugehörigkeit und eine Arbeitsmöglichkeit, bei der sie wieder «gebraucht» werden, beziehungsweise Erfolgserlebnisse haben können. Wir arbeiten mit Selbsteinschätzungs- und Qualifikationsrastern, die helfen, Ziele möglichst erreichbar zu setzen. Diese können jedoch sehr unterschiedlich sein. Bei den einen geht es darum, innert Wochenfrist wieder eine Stelle anzutreten bei den anderen einen Klinikaufenthalt für eine Therapie oder einen Entzug aufzugleisen.
Zwei Beispiele: Stefan (Name geändert) wurde uns über das Sozialamt vermittelt. Er ist 36 Jahre alt, übergewichtig, ohne Ausbildung und schon seit fünf Jahren Sozialhilfeempfänger. Er ist sehr intelligent und sieht bei jeder Arbeit sehr positive Optimierungsprozesse. Wir helfen ihm nun, sein Gewicht unter Kontrolle zu bringen, seinen Lebenslauf bewerbungstauglich zu machen und eine Lehrstelle aufzugleisen.
Mirjam (Name geändert) hat vor zwei Jahren ihren Sohn verloren. Sie fiel in eine tiefe Depression und war nicht mehr in der Lage, ihrem Beruf nachzugehen. Durch eine IV-Verfügung kann sie nun ihren Lebensunterhalt bestreiten. Hier in der Brockenhalle hat sie eine begleitende Arbeitsstruktur. Für sie wurde die Brocki zum neuen Arbeitsplatz und wir helfen ihr dadurch, einer geregelten Tagesgestaltung nachzukommen.
Welches sind konkret Ihre Beiträge zu «Nachhaltigkeit» in der Gesellschaft?
Wir verfolgen fünf Grundziele: günstige Einkaufsmöglichkeit für Mittellose, Vermittlungsrolle zwischen Wohlhabenden und Benachteiligten, ökologischer Stellenwert durch Recycling, Arbeitsmöglichkeit und Geldertrag. Der «nachhaltige» Stellenwert hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Obwohl wir sehr darauf bemüht sind, so viel Ware wie möglich wieder zu verwerten, müssen wir doch auch sehr viel Material entsorgen. Im letzten Jahr sind es über 630 Tonnen, welche über unsere Hände den Weg zur Entsorgungsstelle fand. Das zu entsorgende Material wird von uns getrennt, wie beispielsweise Holz zu Holz und Metall zu Metall etc. So sparen wir Entsorgungskosten und können schon vor der Entsorgung einen nachhaltigen Akzent in unserer Wegwerfgesellschaft setzen.
Scheinbar haben viele Schweizer während der Coronazeit zu Hause ausgemistet, wie haben Sie das erlebt? Ist das Brocki-Geschäft gleichbleibend oder zunehmend?
Auch wir hatten zwei Lockdowns zu überstehen. Während der ganzen Zeit konnten wir unsere Dienstleistungsaufträge weiterführen. Beim ersten Lockdown war es mit dem Schutzkonzept nicht ganz einfach, die Erträge aufzuholen, beim Zweiten hatten wir innerhalb zweier Wochen einen ganzen Monatsumsatz hereingeholt, weil so viele unserer Stammkunden auf einmal die Brocki wieder aufsuchten.
Das Kreuz im Blaukreuz ist durchaus christlich geprägt. Inwiefern fliesst dies in Ihre Arbeit ein, ist dies erlebbar?
Wir orientieren uns an christlichen Werten. Das heisst, dass wir die Leute, welche wir begleiten, nicht durch ihre Umstände oder ihr erstes Erscheinungsbild bewerten, sondern sie als Kinder unseres himmlischen Vaters betrachten. Nicht alle Festangestellten sind in einer Kirche oder einer Gemeinde aktiv, dennoch ist ein Gebet oder ein Input aus der Bibel oder einem christlichen Buch morgens vor der Arbeit ein wichtiger Bestandteil geworden. Wir merken, dass gerade durch gelebte Nächstenliebe Herzen geöffnet und Blockaden überwunden werden können. Oft gibt es auch Abbrüche und erst nach Jahren werden die Veränderungen sichtbar, die unübersehbar sind.
Zur Webseite:
Blaukreuz-Brockenhallen
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Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet
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