Geld allein ist nicht genug
Ein Banker setzt sich für andere ein
Bevor er seinen Job an den Nagel hängte, war Jean-Luc Wenger erfolgreicher Banker in einer Schweizer Grossbank. Heute schult er Menschen in Kirgisien, wie man mit Geld umgeht und erfolgreich ein Unternehmen aufbaut. Er sagt: «Es ist möglich, mit Geld Gutes zu tun, aber es gibt effektivere Möglichkeiten.»
Jean-Luc Wenger ist ein Mensch, der sich klare Ziele setzt. Nach dem BWL-Studium an der HSG St. Gallen wollte er Geld verdienen – und das nicht schlecht. Er stieg im Sport-Marketing bei einer Schweizer Grossbank ein und landete bereits nach drei Jahren im «Hardcore-Banking», wie er es nennt. Die Arbeit gefiel Wenger gut, er lebte in London. Es war die Zeit vor der Finanzkrise 2008. Die Boni für Mitarbeiter entsprachen teilweise einem Jahressalär. Manche Fondsmanager flogen am Wochenende mit dem Helikopter ins Ferienressort. «Nach fünf Jahren hatte ich mein finanzielles Ziel bereits erreicht», erinnert sich der Vater von drei Kindern.Er stellte sich die Sinnfrage
Doch bald merkte Wenger, dass der Lebensstil ihm nicht das geben konnte, was er sich vorgestellt hatte. Der heute 44-Jährige stellte sich die Sinnfrage: «Ich wollte mit dem Wissen, das ich in der Bank erworben hatte, in anderen Bereichen etwas zurückgeben.» Er lernte einen Fondmanager kennen, der in Entwicklungsländern investiert. Gemeinsam besuchten sie einige Betriebe in Kirgisien. Während der Reise bot Wenger einem Druckereibetrieb an, vor Ort beim Marketing zu helfen. Der Chef war einverstanden und Wenger nahm sich eine Auszeit bei der Bank, mit dem Ziel, nach einem Jahr zurückzukehren.
Doch daraus wurde nichts. Der Finanzspezialist fand Gefallen an Land und Leuten und lernte seine heutige Frau kennen. Zudem kam er mit der Stiftung BPN (Business Professionals Network) in Kontakt, deren Arbeit ihn sofort faszinierte. «Ich sah, dass das, was sie taten, sehr nachhaltig war», erklärt Jean-Luc Wenger. BPN legt grossen Wert auf Schulungen und vergibt Kredite zu fairen Konditionen.
Geld führt zu Abhängigkeit und Passivität
Mit seinen Kenntnissen im Vermögens- und Anlage-Management stieg Wenger schliesslich bei der Stiftung BPN ein. Die Erfahrungen, die er dort machte, liessen den ehemaligen «Hardcore-Banker» allerdings bald zu der Überzeugung kommen, dass es nicht ausreicht, einfach Geld zu geben: «Es ist möglich, mit Geld Gutes zu tun, aber es gibt effektivere Möglichkeiten», betont er heute.
Dabei denkt Wenger vor allem an die Schaffung von Arbeitsplätzen und Ausbildungsmöglichkeiten. «In Entwicklungsländern herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit und ein grosses Vakuum an betriebswirtschaftlichem Wissen», so der ehemalige HSGler. Was nützt es beispielsweise, eine Ausrüstung zu bezahlen, wenn der Besitzer sie nicht richtig einsetzen kann. «In Kirgisien warten die Menschen teilweise, bis ihnen eine NGO alles finanziert. Das führt zu Abhängigkeit und Passivität.»
«Du bist einer von uns!»
Die Leute müssten zuerst einmal lernen, wie man mit Geld umgeht. «Das Ansehen einer Person hängt daran, wie viel Geld sie hat. Oft werden erst mal Statussymbole gekauft, wie etwa ein schönes Auto», macht Wenger deutlich. «In unseren Seminaren geben wir darum der Finanzethik sehr viel Raum.» Wenger erklärt weiter: «Nach meiner christlichen Überzeugung bin ich nicht der Eigentümer, sondern der Verwalter des Geldes. Daraus ergibt sich eine völlig andere Perspektive. Ich habe eine Verantwortung, das mir Anvertraute sinnvoll einzusetzen und andere zu unterstützen.»
Um solche Werte zu vermitteln, braucht es aber gute Vorbilder. «Glaubwürdigkeit erhält man nur, wenn man das vorlebt, was man sagt», betont Wenger. Um das zu erreichen, brauche es viel langfristigere Engagements als in der Entwicklungszusammenarbeit normalerweise üblich. «Viele Projekte sind auf fünf bis sechs Jahre angelegt. Doch dann geht es erst richtig los», erklärt der BPN-Programmleiter Kirgisien.
Jean-Luc Wenger selbst bewegt sich mit seiner Frau und Familie fast nur unter der Lokalbevölkerung, was in der Entwicklungszusammenarbeit ungeheuer hilfreich ist. Die Sprache beherrscht er fliessend. Das schönste Kompliment gab ihm ein Einheimischer einmal während eines Seminars: «Jean-Luc, du bist einer von uns!»
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Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: idea Spektrum Schweiz
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