Interview mit Jos Tromp
Chrischona will neue Gemeinden bauen
Das Chrischona Panorama hat seine neueste Ausgabe unter das Thema «Gemeinden gründen» gestellt. Weshalb und wie Chrischona-Leiter zu den «Gemeindebauern» gehören wollen, erklärt der deutsche Landesleiter Jos Tromp im Interview.
Chrischona-Panorama: Jesus sagte zu Petrus «Du bist der Fels, auf dem ich meine Gemeinde bauen will» (Matthäus-Evangelium 16,18). Welche Art von Gemeinde hatte Jesus im Sinn?
Jos Tromp: Ein Fels kann Petrus für die Gemeinde Jesu nur dadurch sein, dass er mit seinem Glauben auf Jesus Christus steht. Jesus kann Menschen gut gebrauchen, die mit ihren Stärken und Schwächen glauben und bekennen wie Petrus. Baumeister und Grundstein bleibt der Herr selbst, aber er will an Menschen wie Petrus, du und ich, anbauen – oder glaubende Menschen, wie Petrus, als Untergrund einbauen. Dadurch entsteht seine Gemeinde. Gemeinde steht hier für die herausgerufene Schar Menschen, die Jesus Christus gehören, folgen und dienen. Herausgerufen aus der Welt und berufen zu einem Leben in der Welt.
Eine Gemeinde hat Jesus Christus aber nicht gegründet.
Trotzdem ist die Gemeinde das wichtigste Element in Gottes Heilsplan zwischen der Himmelfahrt und der Wiederkunft von Jesus. Wie das Haupt mit dem Leib ist Jesus Christus mit seiner Gemeinde verbunden – und zwar durch den Missionsauftrag. Zum Wesen einer Gemeinde gehört, dass die Gemeindeglieder zusammenarbeiten, indem sie ihre Gaben benutzen, um Menschen in eine persönliche Beziehung mit Christus zu führen und sie darin zu schulen, wie sie das neue Leben gestalten können. Das beste Umfeld, um Menschen zu Jüngern zu machen, ist die Gemeinde: Die Gemeinschaft der Gläubigen vor Ort.
Der Missionsauftrag Jesu – «machet zu Jüngern alle Völker» (Matthäus 28,19) – ist also auch eine Aufforderung, Gemeinden zu gründen?
Wo Menschen das Evangelium annehmen, kommen sie entweder zu einer bestehenden Gemeinde hinzu oder es entstehen neue Gemeinden. Die Christenheit hat sich immer durch die Gründung neuer Gemeinden ausgebreitet. In der Apostelgeschichte können wir nachverfolgen, wie sich der Wirkungskreis des christlichen Glaubens durch die Gründung neuer Gemeinden weltweit ausgedehnt hat. Das gilt bis heute. Mit der Gründung neuer Gemeinden sehen wir uns dem Auftrag Jesu verpflichtet, allen Menschen an allen Orten das Evangelium zu bezeugen (vgl. Apostelgeschichte 1,8). Wenn wir den Auftrag Jesu ernst nehmen und das Erbe unserer Väter weiterführen wollen, dann müssen wir neue Gemeinden gründen. Nicht nur irgendwo weit weg, sondern auch vor unserer Haustür in Deutschland, Frankreich und der Schweiz.
Können Gemeinden auch zum Hindernis werden, um Menschen zu erreichen, wenn sie zum Beispiel zum Insider-Club werden?
Wenn eine Gemeinde sich selbst genug ist, verfehlt sie ihren Auftrag. Als meine Frau und ich nach der Gemeindegründung in Rheinfelden (Deutschland) an einen anderen Dienstort zogen, empfahlen wir unserem Nachfolger, das grösste Gewicht auf die Evangelisation zu setzen. Eine solche Ausrichtung nach aussen, kann die unterschiedlichen Menschen mit ihren verschiedenen Ansichten innerhalb einer Gemeinde einen. Wenn wir zu viel Nabelschau betreiben, können wir uns über die kleinsten Dinge aufregen und uns ewig damit beschäftigen. Wenn ich meine eigene Gemeinde nicht als einladend erlebe, liegt es zuallererst an mir, daran etwas zu ändern. Im Chrischona Gemeinschaftswerk Deutschland (CGW) ermutigen wir uns gegenseitig, unsere nach aussen gerichteten Gemeindeaktivitäten zu erhöhen.
Gibt es nicht schon genug Gemeinden? Wo in Deutschland oder der Schweiz neue Gemeinden entstehen, gibt es meist schon andere.
Nein. Unsere Gesellschaft ist vielfältig und unüberschaubar. Darauf sollten wir uns einstellen. Es braucht Christen und Gemeinden, die sich auf die Verschiedenheit der Menschen einstellen – um sie dort abzuholen, wo sie sind. Die Herausforderung steigt, Gemeinde nicht nur als einen Ort des Konsumierens und des Empfangens zu verstehen, sondern ebenso als Ort des Lernens neuer und des Verlernens alter, nicht zukunftsträchtiger Denk- und Handlungsmuster. Die angedeutete Verschiedenheit wird heute mit den Begriffen der «festen» und «flüssigen» Gemeinden umschrieben. Wir brauchen beides: Gemeinden, die in einer vertrauten Struktur weiter arbeiten wie bisher und neue Ansätze, Gemeinde zu bauen.
«Fresh X» ist so ein neuer Trend, Gemeinde neu zu denken. Gibt es die klassische Chrischona-Gemeinde in fünfzig Jahren noch?
Die «klassische» Chrischona-Gemeinde gibt es heute schon nicht. Wir sind mit einer gewissen Bandbreite unterwegs – und das ist gut so! Wenn «klassisch» allerdings für unbeweglich, sich nicht weiter entwickeln steht, dann hat solch eine Gemeinde keine Zukunft. Aber wir bewegen uns und die Chrischona-Vision lenkt unseren Blick hinaus zu den Menschen um uns herum und in der Welt. Bei der Strategie- und Schulungskonferenz (SSK) im vergangenen Jahr haben wir das thematisiert. Deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass es in fünfzig Jahren – je nach Wiederkunft des Herrn – noch Chrischona-Gemeinden geben wird. Hoffentlich noch einige mehr, aber natürlich in dann zeitgemässer Form. Die Liebe zu Gott und zu den Menschen treibt uns weiter an, neue Möglichkeiten zu suchen, um Menschen zu erreichen, die bisher noch nicht von Jesus Christus gehört haben.
Erfahrungen mit Gemeindegründungen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz finden Sie im Chrischona Panorama 2/2014.
Zum Thema:
42 Tage Chrischona-Vision: Den Herzschlag Gottes hören lernen
Interview mit Horst Schaffenberger: Wohin geht das Theologische Seminar St. Chrischona?
Gemeindeleitungstag 2013: Chrischona-Gemeinden wollen Komfortzone verlassen
Autor: Michael Gross
Quelle: Livenet / St. Chrischona
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