Gemeindewachstum
Warum Kirche aufhören sollte, Besucher zu zählen
«In welche Gemeinde gehst du denn?» … «Und wie viele seid ihr?» Oft ist es tatsächlich die zweite Frage, wenn es um unsere Kirchen und Gemeinden geht: wie viele Christen sich denn da versammeln. Bei aller Orientierung an messbarem Gemeindewachstum geht dies aber an der Realität vorbei.
Europa hat keine echten Mega-Churches. Zehntausende Besucher pro Gottesdienst sind den meisten Christen hier bei uns sehr fremd. Trotzdem orientieren wir uns – bewusst oder unbewusst – an der Grundidee, dass Grösse etwas mit Erfolg oder Frucht zu tun hat. Es ist schon ein Unterschied, ob derjenige, der die Besucher im Gottesdienst zählt, von 137 Erwachsenen berichten kann oder «nur» von 44. Aber warum eigentlich?Die Betonung der Zahlen
Fast egal, wie viele Besucher eine Kirche oder Gemeinde in ihren Gottesdiensten hat – sie werden gezählt. Ob da 20 oder 2'000 Besucher kommen. Manche Gemeinden veröffentlichen ihre jeweiligen Besucherzahlen, einige Verbände berechnen ihre internen Abgaben an ihre Dachorganisation danach. Deshalb ist ihnen das Zählen wichtig. Dazu kommt, wie schon erwähnt, der Ansatz, dass Gemeinde wachstumsorientiert ist. Und wie sollte dieses Wachstum deutlich werden, wenn nicht auch an Zahlen? Natürlich würde niemand, der seine Gottesdienstbesucher erfasst, davon ausgehen, damit auch jeden inneren Wachstumsprozess abzubilden, doch implizit steht eine grosse Besucherzahl für gesunde Lehre, Frucht, Multiplikation, Erfolg.
Angst vor leeren Bänken
Die Sehnsucht nach Wachstum wird dabei auch von ihrem Gegensatz befeuert: der Angst vor Schrumpfungsprozessen. Die beiden deutschen Grosskirchen stehen vor ständig schwindenden Mitgliederzahlen und gerade im Moment beschert ihnen die Neuordnung der Kirchensteuererhebung eine weitere Austrittswelle. Auch Freikirchen, die sich lange als Wachstumsgaranten verstanden haben, reden mehr und mehr von «Nullwachstum» und realisieren, dass manche ihrer Gemeindegründungsstrategien eher ein Umverteilen bisheriger Mitglieder als echtes Wachstum ist. Die Angst vor leeren Bänken ist real – aber sie darf kein Grund dafür sein, jetzt die Zahlen der Gottesdienstbesucher noch stärker zu betonen als bisher. Warum?
Gemeinde findet nicht im Gottesdienst statt
Die meisten kleineren und selbst viele grössere Gottesdienste täuschen nicht darüber hinweg, dass hier eher Gleichgesinnte enger zusammenrücken und die gemeindliche Nestwärme geniessen möchten, als dass der Leib von Christus hier handelt, atmet, lebt.Evan Dolive, ein amerikanischer Pastor, wurde von seiner Gemeinde einmal gefragt, welche Pläne er für ihr Wachstum hätte. Nachdem er klargestellt hatte, dass er einfach kein Zahlenmensch wäre, unterstrich er: «Ich wünsche mir lieber 50 Leute in der Gemeinde, die anschliessend hinausgehen und das Leben von 100 anderen Menschen berühren, als 100 Leute im Gottesdienst, die nur 50 erreichen. Die Welt ausserhalb unserer Kirchenmauern wartet verzweifelt auf einen Retter – und wir verbringen unsere Zeit in Meetings oder bei Gemeindeessen und reden darüber, wie gross die Gemeinde doch 1947 noch war …» Dafür ist Gemeinde da!
Gott gebraucht jede Gemeindegrösse
Gott kann jede Gemeindegrösse gebrauchen. Eine Gemeinde, die sich selbst zählt (und sich selbst genügt), tut sich mit dieser Perspektive allerdings eher schwer. Aber die Besucher unserer Kirchen und Gemeinden brauchen inspirierende Begegnungen mit Gott – gerne auch im Gottesdienst! –, damit sie anschliessend Gottes Liebe, Frieden, Freude und Vergebung weitergeben können. «Ich habe euch vor Augen geführt, Geschwister, wie gross Gottes Erbarmen ist. Die einzige angemessene Antwort darauf ist die, dass ihr euch mit eurem ganzen Leben Gott zur Verfügung stellt und euch ihm als ein lebendiges und heiliges Opfer darbringt, an dem er Freude hat. Das ist der wahre Gottesdienst, und dazu fordere ich euch auf.» (Römer 12,1-2, NGÜ)
Zum Thema:
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet
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