Treue

Treu oder untreu ist man einer Person

Das griechische Wort pistós bedeutet einen, der sich im Erfüllen von Aufträgen bewährt. Der hebräische Ausdruck lautet ähnlich: einer, der festhält. Für Treue und Glauben hat das Griechische eine Bezeichnung: pístis.

Von Treue oder Untreue kann im Grunde nur da die Rede sein, wo ein persönliches Verhältnis besteht. Treue hält oder bricht man einer Person. Je näher man dieser Person steht, je genauer man über ihre Gedanken unterrichtet ist, um so leichter kann man ihr treu sein. Je ferner man einem Menschen rückt, je weniger man unmittelbar von ihm weiss, um so grösser die Gefahr der Untreue.

Einem Herrn treu sein, heisst: ihm nahe sein oder, wo die Nähe fehlt, sie jedoch immer wieder suchen. Treu sein heisst: alles daransetzen, zu erfahren, was dieser Herr will.

Treue ist die Bewährung im Verwalten von Anvertrautem. Treu sein heisst: nach den Aufträgen seines Herrn fragen

Unter Treue wird im Neuen Testament auch besonders verstanden die Bewährung im Verwalten von Anvertrautem. Jeder Mensch ist in irgendeiner Weise ein Haushalter, dem Gott Wichtiges anvertraut hat (Luk. 16,1-8; 19,11-28; 1. Kor. 4,2).

Wer seinen Besitz, seine Gaben nach eigenem Ermessen anwendet, hat sich der Unterschlagung schuldig gemacht. Vor der Veruntreuung des Anvertrauten kann nur bewahrt werden, wer an der Person seines göttlichen Hausherrn festhält, ständig nach seinen Aufträgen fragt und unbeirrt an diesen Aufträgen festhält.

Eben das meint Paulus, wenn er sagt: Von den Haushaltern wird nichts verlangt, denn dass sie treu sind.

Der himmlische Hausherr erprobt die Treue seiner Knechte in den geringsten Dingen

Der himmlische Vater gibt nicht ins Blaue hinein die »eigentlichen« Gaben (Luk. 16,11.12) seines Hauses. Er erprobt vorher die Treue. Er ist ein solider Baumeister. Er baut von unten nach oben. Er fragt zuerst danach, ob Menschen im Kleinen treu sind, ob sie in ihrer nächsten Umgebung sich bewähren; ob sie mit dem bösen Ding, dem Geld, auch redlich umgehen.

Jesus weist die Meinung, als wäre es gleichgültig, wie man sich »in solchen äusseren Dingen« verhält, weit zurück. Gerade hier muss der Kern der Gesinnung an den Tag kommen. Wenn schon der stinkende Mammon, an dem auf seinem vielverschlungenen Weg so viel Gemeinheit haften geblieben ist, in den Augen des Menschen einen solchen Glanz haben kann, dass er sich um seinetwillen zur Untreue verführen lässt, wieviel mehr wird dann der Mensch sich betören lassen durch hohe geistliche Gaben!

Ein Mensch, der so wenig Halt hat, dass er um etwas Staub zum Betrüger wird, der würde erst recht hohe geistliche Offenbarungen und Geisteskräfte zu seinen eigenen Zwecken missbrauchen.

Gaben verkümmern lassen, heisst: sie unterschlagen

Untreue ist es, Gaben, die einem gegeben werden, verkümmern zu lassen, sie seinen Mitmenschen vorzuenthalten (Luk. 19,20).

Untreue ist es, sich zu viel Arbeiten oder ein zu weites Arbeitsgebiet zuzumuten. Das Normale ist es, dass mehr Arbeit in ein Menschenleben kommt, wenn Gott den Menschen über mehr setzt (Luk. 19,17); nicht, wenn der Mensch allerlei unternimmt oder gründet oder sich Aufgaben aufreden lässt, die ihm sein göttlicher Hausherr nie gab.

Vielgeschäftigkeit und Hetze beruhen immer auf Untreue. Sie stammt aus der fehlenden Orientierung darüber, was Gott vom Menschen will. Der himmlische Arbeitgeber hetzt seine Arbeiter nicht zu Tode. Ihre ruinierten Nerven haben sie auf ihr eigenes Konto zu schreiben.

Dass ihre Gaben zersplittert wurden, daran ist nicht Gott schuld. Treue ist das unmittelbare Festhalten an dem Herrn, dem man dient, und an seinen Weisungen. Treue arbeitet nur dort, wo sie hingestellt wird, und rührt sonst keinen Finger. Treue macht gesund und nervenstark.


Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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