Seligpreisungen der Welt
Glücklich sind die Abgebrühten und Arroganten?
Der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten führt es uns wiedermal vor Augen: in der Welt sind Stärke und Selbstsicherheit gefragt. Wer gross herauskommen will, muss von sich überzeugt sein. Nichts könnte weiter von der Vision entfernt sein, die Jesus in seinen Seligpreisungen formuliert hat.
Die Seligpreisungen aus dem Matthäus-Evangelium (Kapitel 5-7) stellen eine Provokation für unsere Welt dar. Sie sind so krass, dass man sie gerne als rhetorische Übertreibung von Jesus abtun möchte. Sicher würde kein Präsidentschaftskandidat auf der Welt, schon gar nicht in den USA, ein solches Grundsatzprogramm enthüllen. Die Seligpreisungen dieser Welt würden ganz anders tönen, vielleicht so, wie der englische Theologe und Autor J. B. Phillips einmal schrieb:
- Glücklich sind die, die ihre Ellbogen einsetzen, denn sie kommen in dieser Welt vorwärts.
- Glücklich sind die Abgebrühten, denn das Leben wird ihnen nichts anhaben können.
- Glücklich sind die, die sich beschweren, denn sie werden bekommen, was sie wollen.
- Glücklich sind die Arroganten, denn sie machen sich über ihre Sünden niemals Gedanken.
- Glücklich sind die Sklaventreiber, denn sie erzielen Ergebnisse.
- Glücklich sind die Wissenden dieser Welt, denn sie wissen, wie man seinen Weg macht.
- Glücklich sind die Unruhestifter, denn ihre Mitmenschen nehmen von ihnen Notiz.
Die grosse Umkehrung
Unsere Gesellschaft lässt die Selbstsicheren, Zuversichtlichen und Reichen hochleben, die Schwachen und Zerbrechlichen haben das Nachsehen. Gutes Aussehen, Kampfgeist, Stärke führen bei uns zum Erfolg. Aber diese Eigenschaften verwehren unter Umständen den Eintritt in das himmlische Königreich, wie Philip Yancey in seinem Klassiker «Der unbekannte Jesus» schrieb und dabei die himmlischen Tugenden hervorstrich: «Leid, Reue, das Angewiesensein auf andere, die Sehnsucht, sich zu ändern, sind vielmehr die Tore zu Gottes Reich.» Mit seiner Bergpredigt hat Jesus alles auf den Kopf gestellt. Er macht deutlich, was im Reich Gottes Bedeutung hat im Gegensatz zu dem, was auf der Erde gefragt ist:
Viele Theologen und Autoren beschäftigten sich mit einem Phänomen, das sich im Alten und im Neuen Testament findet: Gottes Vorliebe für die Armen und Benachteiligten. Die Autorin Monika Hellwig schlüsselte auf, inwiefern Arme dem Reich Gottes näher sind:
- Arme wissen, dass sie dringend erlöst werden müssen.
- Arme wissen, dass sie nicht nur von Gott und einflussreichen Menschen abhängig sind, ihnen ist auch bewusst, dass sie aufeinander angewiesen sind.
- Arme stützen ihre Sicherheit nicht auf Dinge, sondern auf Menschen.
- Arme nehmen sich selbst nicht so wichtig.
- Arme können zwischen Luxus und Notwendigem unterscheiden.
- Arme können warten, denn sie sind geduldig, weil sie wissen, dass sie von anderen abhängig sind.
- Wenn Arme das Evangelium hören, klingt es für sie wie eine gute Nachricht und nicht wie eine Drohung oder Rüge.
Die Seligpreisungen – gute Nachricht oder Tadel?
Es sieht ganz so aus, dass Gott die Armen und Trauernden den oberen Zehntausend oder den Supermodels vorzieht. Die Armen befinden sich, ohne dass sie selbst es so gewollt hätten, in einer Lage, die für Gottes Gnade die ideale Voraussetzung ist. In ihrer Bedürftigkeit, ihrem Angewiesensein auf andere, ihrer Unzufriedenheit mit dem Leben ist ihnen vielleicht das Geschenk der Liebe Gottes willkommen.
Als Selbsttest können Sie ja mal das Wort «Arme» durch «Ich» ersetzen. Daraus ergeben sich unter anderem folgende Fragen: Gestehe ich leicht meine Bedürfnisse ein? Mach ich mich gern von Gott oder anderen Menschen abhängig? Woran mache ich meine Sicherheit fest? Will ich lieber aus der Masse herausragen oder mit anderen zusammenarbeiten? Kann ich zwischen Notwendigem und Luxus unterscheiden? Bin ich geduldig? Klingen die Seligpreisungen für mich wie eine gute Nachricht oder wie Tadel?
Mit diesem Selbsttest wird auch klar, warum das Evangelium in vergleichsweise reichen Ländern wie Deutschland und der Schweiz weniger gerne gehört wird als in armen Ländern. Vor diesem Hintergrund wird auch Jesu Drohung an die Reichen in Lukas 6, Vers 24 verständlich: «Doch wehe euch, ihr Reichen! Ihr habt euer Glück schon auf Erden genossen.» Menschen, die wohlhabend, erfolgreich und schön sind, mögen hier gut durchs Leben kommen, aber weiter weg von Gottes Reich sein. Wer die Vorteile des Wohlstands und der Sicherheit nicht hat und somit wenig geeignet für das Reich dieser Erde ist, ist nicht automatisch tugendhafter oder ein besserer Mensch, doch er wird sich in seiner Not viel eher an Gott wenden. Menschen gestehen ihre Verzweiflung nur ungern ein. Aber wenn sie es tun, rückt das Himmelreich für sie ein Stück näher.
Die Seligpreisungen aus dem 5. Kapitel des Matthäus-Evangeliums (Verse 3-12) zum Nachlesen:
Glücklich sind, die erkennen, wie arm sie vor Gott sind, denn ihnen gehört die neue Welt Gottes.
Glücklich sind die Trauernden, denn sie werden Trost finden.
Glücklich sind die Friedfertigen, denn sie werden die ganze Erde besitzen.
Glücklich sind, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie sollen satt werden.
Glücklich sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erfahren.
Glücklich sind, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott sehen.
Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen.
Glücklich sind, die verfolgt werden, weil sie nach Gottes Willen leben. Denn ihnen gehört Gottes neue Welt.
Glücklich könnt ihr sein, wenn ihr verachtet, verfolgt und verleumdet werdet, weil ihr mir nachfolgt. Ja, freut euch und jubelt, denn im Himmel werdet ihr dafür reich belohnt werden! Genauso haben sie die Propheten früher auch verfolgt.
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Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet
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