ETHISCHE ENTSCHEIDUNGEN IN EINER GRAUEN WELT

Von Stephen R. Graves

Einige Menschen teilen die Welt in schwarz und weiss, richtig und falsch, gut und böse ein, wo andere einen Ozean in grau sehen, in dem nichts eindeutig zuzuordnen ist. Das Leben wäre wohl einfacher, wenn es in der Bibel für jedes ethische Dilemma eine eindeutige Antwort gäbe. Aber das ist schlichtweg nicht der Fall. Wie soll der gewissenhafte Nachfolger Jesu auf der Reise durch die Grauzonen des Lebens also die richtigen Entscheidungen treffen?

Die biblischen Gebote setzen für jeden denselben ethischen Standard. «Du sollst nicht stehlen» gilt beispielsweise nicht nur dem Kassierer im Lebensmittelladen. Es gilt jedem, ob arm oder reich, alt oder jung. Jenseits der klaren biblischen Gebote liegt die Welt der Vorlieben, Optionen und Meinungen, in der das, was für einen Menschen richtig ist, für einen anderen nicht annehmbar ist. Dann brauchen wir einen Filter, der uns hilft, ethische Entscheidungen zu treffen in Bereichen, die von der Bibel nicht spezifisch adressiert werden. Ein Blick ins geltende Recht hilft da nicht weiter, denn das Gesetz definiert, was erlaubt ist, aber nicht, ob es auch ratsam ist. Ein früherer Richter des obersten Verfassungsgerichts der Vereinigten Staaten drückte es so aus: «Ethik ist der Unterschied zwischen dem Recht, etwas zu tun, und dem Wissen darüber, ob es recht ist, etwas zu tun».

Welchen Filter sollen wir anwenden? Ressourcen gibt es viele, aber ich schätze besonders die biblischen Wahrheiten, die auf die unterschiedlichsten Situationen angewandt werden können. Mein persönlicher Filter für das Navigieren in der alltäglichen ethischen Landschaft besteht aus zwei neutestamentlichen Bibelstellen, Römer 14 und 1. Korinther 10,23-33. In beiden geht es darum, ob Nachfolger Christi Fleisch essen sollten, das Götzen dargeboten wurde. Darüber machen wir uns heutzutage normalerweise keine Gedanken, doch die Prinzipien und Fragen, die die Diskussion des Apostels Paulus bestimmten, können auch auf viele heutigen Grauzonen angewandt werden:

  1. Ist es erlaubt? (Wenn ein klares biblisches Gebot dagegen spricht, nein.)

  2. ührt es zum Frieden und bringt es alle Beteiligten weiter?

  3. Ist es nützlich, profitabel bzw. konstruktiv?

  4. Ist es für andere Menschen gut?

  5. Wird es andere Gläubige zum Stolpern bringen?

  6. Macht es Gottes Namen und Ruf Ehre?

Wenn eine diese Fragen mit «Nein» beantwortet wird, sollte man auch die zu treffende Entscheidung mit «Nein» beantworten. So dienen diese Fragen als eine Art Anker. Die Herausforderung besteht aber darin, sich diese Fragen nicht nur einmal zu stellen, sondern immer wieder, damit der ethische Muskel gestählt wird. Ethisches Verhalten kann keine in letzter Minute getroffene Entscheidung sein. Wie der griechische Philosoph Aristoteles sagte: «Wir sind das, was wir immer wieder tun.»

Unsere ethische Klinge muss geschärft bleiben. Unsere Leidenschaft für das Wahre, Gute und Schöne muss stark bleiben. N.T. Wright, britischer Gelehrter für Neues Testament, sagte einmal: «Bei der christlichen Ethik geht es nicht darum, zu entdecken, was in der Welt vor sich geht, und sich darauf einzustellen. Es geht nicht darum, Dinge zu tun, um sich Gottes Gunst zu verdienen. Es geht nicht darum, verstaubte Regelwerke aus längst vergangenen Zeiten oder aus der Ferne zu befolgen. Es geht darum, in der Gegenwart die Lieder zu üben, die wir in Gottes neuer Welt singen werden.»


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