Klagemauer

Haben Sie auch manchmal das beklemmende Gefühl, vor einer Wand zu stehen. Es geht dann nicht weiter. Man möchte zwar mit den Kopf hindurch, wenn es denn sein muss, doch alles Anrennen nützt nichts und die Mauer entpuppt sich als Mauer des Lebens, sie wird zur Klagemauer. Sie wissen wahrscheinlich, dass die Mauer, die diesen Namen trägt, in Jerusalem steht. König Herodes hatte sie als äussere Stützmauer des Tempelplateaus errichten lassen. Nach der Zerstörung des Tempels sind Juden zu dieser Mauer gepilgert, um den Verlust ihres Tempels zu beklagen. Ausser in den Jahren 1948 bis 1967, als sich die Altstadt unter jordanischer Herrschaft befand, kamen Juden aus aller Welt an diese Klagemauer ihren Glauben zu bekennen. Manche schreiben ihre Bitten auf Zettel, die sie in die Fugen der Steine stecken. Sie meinen, dass ihre Worte durch die Fugen der Mauer unmittelbar zu Gott dringen. Ehrfürchtig küssen sie die Steine. Die Klagemauer ist Zufluchtsstätte für Bedrückte und Traurige. So kann auch die Wand unseres Lebens geprägt sein von einem tragischem Verlust. Die Wand ist dann eine schmerzliche Erinnerung an eine Katastrophe. Und immer wieder steht man davor und ringt mit Gott, über das, was einst war und nun zu einer Ruine geworden ist. Man schreibt in Gedanken das Warum und steckt all das Unverstandene, Unannehmbare und Überfordernde in die Ritzen der inneren Mauer. Man möchte sich so gerne von all dem Schweren lösen.

Hoffnung und Freude

Doch wenn man auf der Chainstreet vom jüdischen Viertel her kommt und die grosse Treppe hinuntergeht, weckt der Anblick der Westmauer auch Gefühle der Hoffnung und Freude. Die vor der Mauer Betenden bitten darum, dass der versprochene Messias kommen möge, der für sie das Reich des Friedens errichten wird. Auf dieses Friedensreich, das bei der Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus in dieser Welt aufgerichtet werden wird, warten auch Christen. Darum wird an der Klagemauer nicht nur geklagt. Dort werden auch Hoffnungen geweckt, dort wird auch gefeiert, wie z.B. beim Bar Mizwa, wenn die jüdischen Buben die religiöse Mündigkeit erlangen, dann herrscht Freude an der Klagemauer. Oder wenn das Laubhüttenfest stattfindet, dann gibt es ein grosses Dankfest. So nahe beieinander können also Klage und Dankbarkeit, Elend und Freude sein. So steht es bereits in der Bibel beschrieben. In Buch der Klagelieder heisst es einerseits: "Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen, mit Wermut und Bitterkeit getränkt bin." Und andererseits steht wenige Verse weiter geschrieben: "Die Güte des Herrn ist's das wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist jeden Morgen neu und deine Treue ist gross."

Gottes Beistand

Das Geheimnis dieser inneren Wendung des Beters liegt in der Antwort Gottes auf das Gebet. Unser Gott besucht uns an der Klagemauer. Er nimmt unsere Anliegen auf und gibt dem Glaubenden seinen Frieden ins Herz. Damit sind nicht alle Fragen und Schmerzen beseitigt, aber damit zieht die Kraft der Gemeinschaft mit Gott ein. Der Gott, der über allem steht. Der Gott, der in seinem Wort bezeugt: Ich habe dein Gebet gehört und deine Tränen gesehen. Dieser Gott gibt uns Hoffnung durch seinen Sohn, Jesus Christus. Er will in uns Wohnung nehmen mit seinem Geist und an der Mauer der Klagen unser Herz mit Zuversicht und Kraft erfüllen.

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Datum: 29.06.2005
Autor: Dick Leuvenink
Quelle: FEG Basel

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