Vor dem Abstimmungskrimi
Das sagen die E-Parteien zum Energiegesetz
Am 21. Mai geht das Schweizer Stimmvolk zur Urne – im Zentrum steht ein Energiegesetz über welches breit debattiert wird. Laut jüngster Umfrage halten sich «Ja»- und «Nein»-Anteile ungefähr die Waage. Auch die christlichen Parteien EDU und EVP kommen zu verschiedenen Haltungen.«An der Delegiertenversammlung der EVP Schweiz wurde fast einstimmig die Ja-Parole für das revidierte Energiegesetz beschlossen», erinnert sich Martin Aeschlimann, EVP-Grossrat im Kanton Bern. Seine Partei unterstütze damit die von Bundesrat und Parlament beschlossenen Massnahmen der Energiestrategie 2050. «Die Strategie setzt auf die vorhandenen Potenziale der Wasserkraft und der erneuerbaren Energien. Gleichzeitig unterstützt sie die Entwicklung zu mehr Energieeffizienz und führt insgesamt zu einem sorgsameren Umgang mit Energie.»
Die energiepolitischen Ziele des Bundes machen für die EVP aus mehreren Gründen Sinn, so Aeschlimann. «In der Verantwortung gegenüber der Schöpfung sind wir heute gefordert, unseren fossilen und atomaren Energieverbrauch zu senken. Aus ethischer Perspektive geht es um eine Alternative zu den geopolitischen Folgen der vielen Milliarden, die für fossile Brennstoffe Jahr für Jahr in Kriegsgebiete und in die Kassen von Regimes fliessen.» Als Stimmberechtigte eines der reichsten Länder könne ein sozialer Aspekt nicht einfach verdrängt werden, sagt EVP-Politiker Aeschlimann: «Die Zeche für unseren überdurchschnittlichen Energiekonsum werden, als Folge der klimatischen Verwerfungen, die Ärmsten der Welt mit ihren Leben bezahlen. Werte wie Frieden und Gerechtigkeit haben folglich viel mit unserer Energiepolitik zu tun.»«Nicht die gleichen Fehler machen»
Zu einem anderen Ergebnis als die Evangelische Volkspartei kommt die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU): Die Nein-Parole wurde mit 51:18 bei acht Enthaltungen beschlossen. Alt-Nationalrat Markus Wäfler spricht von «falschen Annahmen über das Potential bei Einsparungen und der Leistungsfähigkeit der sogenannten 'erneuerbaren Energien'.» Das Gesetz führe zu einer verantwortungslosen Zerstörung unserer heutigen eigenen Elektrizitäts-Versorgungsicherheit und beim Strom zu einer verhängnisvollen Import-Abhängigkeit.
Der vergangene Winter habe gezeigt, «dass uns unsere Nachbarländer in Zukunft nur bedingt den benötigten Strom liefern. Die zuverlässige Eigenproduktion, vor allem im Winter, bleibt sehr wichtig», sagt Markus Wäfler von der EDU. Zudem sei mit einer Kostenexplosion bei der Energieversorgung und den Lebenshaltungskosten für Gewerbe, Industrie und Privat-Haushalte und einer überbordenden Kontroll- und Subventionsbürokratie zu rechnen. «Das Technologieverbot für die Kernenergie verhindert den Ersatz der alten AKWs durch neue, sicherere Anlagen der vierten Generation und vernichtet die mögliche Option zum Recycling unserer abgebrannten Brennelemente in neuen Reaktortypen, womit ein Teil der Endlagerung gelöst werden könnte.»
Zudem liefere Deutschland mit seiner Energiewende und Atomausstieg Anschauungsunterricht, der Entscheid dort habe «bezüglich Kosten und Versorgungssicherheit ins totale Fiasko geführt. Die Schweiz ist gut beraten, nicht dieselben Fehler zu machen.»
«Unabhängig und sicher»
Der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien und der schrittweise Ausstieg aus der Atomenergie fördern Unabhängigkeit und Sicherheit, macht Martin Aeschlimann von der EVP geltend. «Sie stärken die einheimische Produktion von erneuerbarer Energie, beschleunigen den Zubau der Wasserkraft und erhöhen dadurch die Versorgungssicherheit.»
Eine solche Entwicklung mache auch ökonomisch Sinn, erläutert Aeschlimann: «Diese Teile von Kapital und Wertschöpfung bleiben im Land. Sie schaffen Arbeitsplätze und beschleunigen den technologischen Fortschritt. Denn das Szenario 'Weiter wie bisher', die fortdauernde Abhängigkeit vom Gashahn anderer Staaten, das gedankenlose Verbrennen von endlichen Ressourcen sind Ausdruck geistiger Trägheit und stehen innovativen Entwicklungen vor der Sonne.»
2015 hätten die erneuerbaren Energien, ohne die Wasserkraft, erstmals rund 2,83 Terawattstunden geliefert – annähernd so viel wie das AKW Mühleberg (2.94 TWh). Zudem fördere das Gesetz die notwendige Entwicklung zu mehr Energieeffizienz und einem sorgfältigen Umgang mit Energie. Die Strategie sei, so Aeschlimann, «eine Art Roadmap, die durch demokratische Beteiligung breit abgestützt und auf die technischen und finanziellen Möglichkeiten unseres Landes abgestimmt wurde.»
«Teure Erfahrung aus Deutschland»
Zu einem anderen Ergebnis kommt Markus Wäfler: «Das Gesetz setzt unsere bisherige sichere Stromversorgung mit dem bewährten Strommix von rund 60 Prozent Wasser und 40 Prozent Kernenergie grobfahrlässig aufs Spiel.» Dies wäre laut Sicht der EDU die Abkehr einer zuverlässigen inländischen Stromversorgung. «Sonnen- und Windstrom können AKWs nicht ersetzen, höchstens teilweise ergänzen, wie die teuren Erfahrungen mit Energiewende und Atomausstieg in Deutschland zeigen.»
Eine Stromversorgungslücke müsse durch Stromimporte oder Gas-Kombi-Kraftwerke geschlossen werden. «Das ist keine weitsichtige Lösung für unser Land. Der Stromverbrauch wird weiter steigen, trotz besserer Energieeffizienz und Sparmassnahmen, weil Bevölkerungswachstum, der vermehrte Ersatz von Erdöl durch Einsatz von elektrischem Strom, die wachsende Elektromobilität, der Ausbau des ÖV und so weiter viel Energie brauchen werden. Gleichzeitig bedingt die direkte Netzeinspeisung von Sonnen- und Windstrom die Bereitstellung von Ausgleichsenergie zur Gewährleistung der Netzstabilität. Dies verursacht zusammen mit teuren Netzsteuerungssystemen unnötig enorme Kosten zu Lasten der Verbraucher», so Markus Wäfler von der EDU.
Umdenken nötig
Unabhängig von dieser Abstimmung gehen die Gedanken in beiden Parteien in die gleiche Richtung – der Verbrauch soll reduziert und die Schöpfung geachtet werden. Markus Wäfler: «Wer die Existenz des Schöpfer-Gottes der Bibel anerkennt, erhält eine andere Beziehung zur übrigen Schöpfungs-Umwelt und ihren Geschöpfen.» Dazu brauche es primär eine Verbesserung der Energieeffizienz bei Produktion, Transport, Verteilung und Nutzung von Energie, sowie eine Begrenzung des Bevölkerungswachstums und Verhaltensänderungen des Einzelnen in Bezug auf Energieverbrauch.«Aus Sicht der EDU steht Umweltbelastung in Form von Abfallproduktion, Energie- und Ressourcenverbrauch in direktem Zusammenhang mit der Bevölkerungszahl und dem Lebensstil unseres Volkes. Der egoistische Lebensstil unserer Lust- und Spassgesellschaft, welche Gott aus ihrem Bewusstsein verbannt, hat mit ihrer Luxus-, Vergnügungs- und Raffgier und dem Lebensprinzip 'Hauptsache, für mich stimmt's!' eine nachhaltige Wirkung auf den Energie- und Ressourcenverbrauch.»
«Enkeltauglichkeit»
Die energiepolitische Haltung der EVP gründe im Wissen um die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen und um den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und Klimaerwärmung, erläutert Martin Aeschlimann: «Sie orientiert sich an der Verantwortung gegenüber der Schöpfung. Die Erde soll auch unseren Enkelkindern in ihrer Schönheit als Lebensgrundlage dienen. Oberstes Primat jeglicher Energiepolitik muss deshalb ihre Enkeltauglichkeit sein, weshalb ein verantwortungsloses 'Weiter so' der sorglosen Verschwendung endlicher Ressourcen ebenso wenig in Frage kommt wie das weitere Anhäufen eines risikoreichen Atommüllerbes.»
Deshalb befürworte die EVP alle politischen Schritte, die zu einem sorgsameren Umgang mit Energie führe. «Sie fordert eine transparente und verursachergerechte Kostenabrechnung für jede Form der Energienutzung, auch der Mobilität. Die EVP denkt dabei an ein Lenkungssystem, das stärker den Verbrauch von Energien besteuern würde. Damit könnten Marktverzerrungen und die heute fehlende Kostenwahrheit korrigiert werden. Die politischen Interventionen müssen letztlich dazu führen, die Sensibilität für den Wert von Energie und der endlichen Ressourcen zu steigern.»
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet
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