Kirche im weitesten Land
Die Orthodoxen Russlands auf vaterländischem Kurs
Die russische orthodoxe Kirche (ROK) beherrscht die religiöse Szene im Land, unter den wohlwollenden Blicken und Fingerzeigen der Mächtigen. Dies fördert Verhärtungen.
Die Kirche, verfasst als Moskauer Patriarchat, profitiert vielfach davon, dass die Staatsführung ihr eine besondere, verbindende Funktion im Riesenland zuweist. Damit sitzt sie jedoch in einem Käfig: Die Geistlichen müssen Rücksicht auf Politiker, patriotische und nationalistische Kräfte nehmen.
Am 2. Februar 2011 versammelten sich über 200 Bischöfe zum Bischofskonzil des Moskauer Patriarchats. Sie besprachen Fragen des Lebens der Kirche und ihres Wirkens in der Gesellschaft sowie unter nichtrussischen Volksgruppen. Der Zugang zum Priesteramt für Unverheiratete, die nicht Mönch werden wollen, soll erschwert werden. Die Beschlüsse ergeben kein einheitliches Bild der Entwicklung der weltweit grössten orthodoxen Kirche (30‘675 Gemeinden, 895 Klöster).
Militant gegen Abweichler und Andersgläubige
Die russische Öffentlichkeit interessierte besonders die Erklärung, welche leitenden Geistlichen politische Ämter und Parteimitgliedschaften verbietet – es sei denn, Abweichler oder «andersgläubige Kräfte» müssten bekämpft werden. Im Auge hat das Patriarchat laut dem Informationsdienst des Zürcher Instituts G2W die Ukraine, wo es seit den 1990er Jahren starker Konkurrenz begegnet. In Kiew und auch im Zentrum von Paris will das Patriarchat monumentale Kathedralen errichten; der Kiewer Bau soll das grösste orthodoxe Gotteshaus Europas werden.
Zweitens nahmen die Russen zur Kenntnis, dass die ROK sich gegen «Gotteslästerung und Verleumdung» in den Medien zur Wehr setzt. Offenbar will die Kirchenleitung Priester von Kritik, die ihr nicht passt, abhalten. Weiter ist sie willens, Gläubige beim Boykott religionskritischer Medien zu unterstützen, und diese im Falle von «Verleumdung» zu verklagen.
Eine Kommission hat vorgeschlagen, dem Bischofskonzil künftig grössere Kompetenzen zugeben, auf Kosten des Landeskonzils. Im Landeskonzil (das wenn überhaupt nur im Abstand vieler Jahre einberufen wird) können Laien und Priester gleichberechtigt mitreden.
Nein der Jungen zu hohler Kirchlichkeit
Die orthodoxe Dominanz in der Kirchenszene kann nicht verhindern, dass zahllosen russischen Familien die Kirchlichkeit abgeht und mehr Jugendliche der ROK den Rücken kehren. Von den Sowjets waren die Russen zur Gottlosigkeit angehalten worden; der 1961 als erster ins All geschossene Kosmonaut Gagarin hatte im Himmel «keinen Gott» gesehen. Die orthodoxe Verkirchlichung von Teilen des russischen Volks nach 1990 war oberflächlich und nationalistisch gefärbt.
Igumen Pjotr, ein Mönch, hat kürzlich in einem Interview bemerkt, manche Familien hätten das Christliche durch eine eigentümliche Mischung aus «Ideologie, magischen Vorstellungen und ‹sowjetischen› Komplexen» ersetzt. Unechtes empfänden die Jugendlichen jedoch aufgrund ihres Gespürs für Wahrheit bzw. Lüge und Heuchelei sofort und kehrten solcher Pseudokirchlichkeit den Rücken. Dies umso mehr, als viele Eltern ihren Sprösslingen den Kirchgang aufzwängen.
Als Moskauer Ortsbischof hatte das Oberhaupt der Kirche, Patriarch Kirill, im Dezember die Qualität von Gottesdiensten bemängelt. Es gebe Kirchen, «in denen die Ohren der Gläubigen während der Gottesdienste anstelle von schönem und kräftigem Chorgesang mit jämmerlichem Gejaule traktiert werden».
Russische Werte
In seinem jährlichen Rechenschaftsbericht sagte Kirill weiter, die Kirche habe «diejenigen zu ermahnen, in deren Hand die wirtschaftliche Macht liegt, ihre Verantwortung vor Gott, dem Vaterland und den Menschen wahrzunehmen und für eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitnehmer, für ihre medizinische Versorgung und Bildung zu sorgen, um ihnen ein menschenwürdiges Leben mit klarer Zukunftsperspektive zu ermöglichen.»
Präsident Medwedew hob im Januar die Bedeutung der ROK für die Vermittlung russischer Wesensart und Kultur hervor. Die ROK als grösste Konfession leiste einen wichtigen Beitrag dazu, dass «die besten Eigenschaften des russischen Charakters gefördert werden, die unser Land stark gemacht und es überhaupt erst geschaffen haben – nämlich Geduld, Mitgefühl, die Fähigkeit zu friedlichem Zusammenleben und Selbstsicherheit». Beobachter bemängelten die implizite Gleichung russisch = orthodox, die an die Zeit der Zaren erinnert. Die Regierung brauche eine «hyperloyale» Kirche als Symbol ihrer Legitimität und als einen moralischen Hebel zur Lenkung der Bevölkerung.
Zu lenken versucht die Kirchenführung tatsächlich: Zusammen mit Politikern haben Vertreter des Patriarchats einen Werte-Katalog für die russische Gesellschaft mit dem Titel «Ewige Werte: Grundlagen russländischer Identität» erarbeitet. An erster Stelle steht die Gerechtigkeit, es folgen Freiheit, Solidarität und «Sobornost»: die Einheit von Obrigkeit und Gesellschaft in ihrer Arbeit für das Wohl des Landes und der Menschen.
Massnahmen gegen Abtreibung
Im Vielvölkerstaat schrumpft das russische Mehrheitsvolk infolge Alkoholismus und sowjetischer Sozialpolitik, allerdings nicht mehr so stark wie in den chaotischen Jahren unter Jelzin. Wegen der demographischen Krise hat Patriarch Kirill der Regierung im Januar Massnahmen gegen die Abtreibung gefordert: Ärzte sollen verpflichtet werden, dem Schutz des werdenden Kindes oberste Priorität beizumessen und die Frauen umfassend über den Eingriff und mögliche gesundheitliche und psychische Folgen zu informieren. Zudem sei den Frauen vor einer Abtreibung eine obligatorische zweiwöchige Bedenkfrist mit begleitender Beratung vorzuschreiben; der Eingriff müsse kostenpflichtig sein.
Für schwangere Minderjährige und schwangere Frauen in Not forderte der Patriarch umfassende soziale Unterstützung, Frauenhäuser sowie Beratungsstellen an allen Geburtskliniken mit orthodoxen Seelsorgern. An Schulen müssten Jugendliche ausführlich über die Entwicklung des Kindes im Mutterleib informiert und auf verantwortliche Elternschaft vorbereitet werden.
1964 waren in der Sowjetunion 5,6 Millionen Ungeborene abgetrieben worden. Viele Jahre wurden mehr Babies abgetrieben als geboren. Mit 1,6 Millionen Abtreibungen (2005) hat Russland weiterhin eine der weltweit höchsten Abtreibungsraten.
Zum Thema:
Institut G2W
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / Institut G2W
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