Am Puls der Versöhnung
«Meine Feinde sind jetzt meine Geschwister»
Dass sie gemeinsam auf der Bühne stehen, ist ein Wunder. Politisch gesehen müssten sie sich hassen. Doch Hedva und Shadia setzen sich im Pulverfass Naher Osten für Versöhnung ein. Es sieht hoffnungslos aus. Doch der Erfolg ist da. Und das Interesse an ihrer Arbeit nimmt zu.
Dass Christen diesem begegnen sollen, darin waren sich Leiter von Nachfolgern Jesu auf beiden Seiten einig. Doch der Weg war steinig. Die messianische Jüdin Hedva Haymov: «In den 1990er-Jahren trafen sich Leiter beider Seiten, doch es ging nicht sehr gut.» Politische Debatten entzweiten umgehend. Aber zwei Leiter blieben dran, der messianische Jude Evan Thomas und der christliche Palästinenser Salim Munayer. Hedva: «Sie waren überzeugt, dass wenn eine Hoffnung da sein soll, diese bei uns Christen sichtbar sein soll.»
Schwere, aber lohnende Schritte
Im Alltag würden sich Christen beider Seiten kaum begegnen. Salim Munayer gründete schliesslich mit Evan Thomas die Versöhnungsbewegung «Musalaha». Diese begann im Kleinen, heute nehmen jährlich bis zu 3'000 Christen beider Völker an den Camps teil. Brücken und Freundschaften sind entstanden. Trotz dem gemeinsamen Glauben, ist besonders der Anfang schwer. Denn jeder habe ein Gewicht auf den Schultern. Shadia Qubti, welche die Jugendarbeit der Bewegung leitet: «Wir reden über die persönliche Situation. Die subjektive Geschichte ist im Widerstreit. Von jung an werden wir mit der einen Seite der Geschichte gefüttert.»Auf ihrer Vortragsreise gemeinsam mit «Open Doors» erzählten Hedva und Shadia in Strengelbach (AG), Amriswil (TG) und Chur (GR), wie die aufwühlenden aber lohnenden ersten Schritte aussehen.
Rote Köpfe
Zunächst gebe es rote Köpfe. Denn nach gemeinsamem Gebet auf arabisch und hebräisch und dem verspeisen von Leckereien gehe es ans Eingemachte. Je ein «Musalaha»-Leiter schildert die Lage aus der Sicht des eigenen Volkes. Ausführlich werden verschiedene Aspekte dargestellt. Zum Beispiel die Landfrage. Hedva: «Wir waren ein Volk ohne Land und kamen in ein Land ohne Volk. 2'000 Jahre nachdem uns die Römer rausgeworfen hatten. Wir brachten die Wüste zum Blühen.» Shadia: «Wir waren immer da gewesen. Die Herrscher sind gekommen und gegangen. Wir sind geblieben. Wir sind die wahren Eigentümer des Landes.»
Oder die Frage nach dem Volk. Hedva: «Kein Land hiess je Palästina. Es gab nie eine Regierung. Es ist ein Zusammenschluss von Menschen, die gegen den Zionismus sind.» Shadia: «Die meisten Juden kommen aus Osteuropa. Das sind nicht die, die ins Exil gingen.»
Gebannt verfolgen die Besucher die beiden Argumentationslinien zu Ende. «An diesem Punkt sind die Musalaha-Camp-Besucher mit der einen Seite komplett einverstanden, mit der anderen zu hundert Prozent nicht», erklärt Shadia. Und am liebsten würde dann jeder der Teilnehmer einschreiten und seine Sicht hervorheben.
Am Puls der Versöhnung
Anschliessend folgt der nächste Schritt, auch diesen bilden Hedva und Shadia ab. «Beide Seiten haben mehrere Punkte ausgelassen», sagt Hedva und weiter: «Als die Juden nach dem zweiten Weltkrieg zurückkamen, war bereits eine arabische Gemeinschaft da. Und sie haben das auch an die Daheimgebliebenen geschrieben. Ausserdem: Wenn niemand da gelebt hätte, über wen hätten die Ottomanen dann geherrscht?» Und Shadia berichtet: «Wir lassen aus, dass die ganze Zeit über schon immer Juden da gelebt haben, dass sie eine eigene Kultur und Identität in all den Jahren behalten haben.» Auch hier werden verschiedene Aspekte genannt. Zum Ausdruck kommt, dass beide Völker erheblich leiden.Shadia: «Wenn wir das alles jeweils erklärt haben, entweicht der Dampf dem Kessel, es wird ruhiger.» Lange sei verhindert worden, dass man die jeweils andere Seite kennenlernt.
Der gemeinsame Vater
Im Gebet «Unser Vater» sprechen beide Völker Gott als Vater an. «Das zeigt, dass wir Geschwister sind, eine Familie», erklärt Shadia. «Wir sind aktive Botschafter, dass sein Reich sichtbar wird. im Kreuz hat Gott uns mit ihm versöhnt. Der Auftrag ist, das untereinander zu tun. Wenn unser Fokus auf das Kreuz ist, sind wir in der Lage unsere Last und unsere Geschichte gegenseitig zu tragen.»
Sie erinnert sich, wie sie einst selbst erstmals ein «Musalaha»-Camp besuchte. «Wir gingen in die Wüste, machten einen Kreis und beteten. Weil auch Juden dabei waren, fragte ich mich, wie das gehen sollte. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass es christliche Juden gab.» Sie fragte sich, warum man innerhalb des Leibes Jesu geteilt ist. Freundschaften entstanden, heute leitet Shadia Jugendcamps. «Wenn uns die Leute zusammen sehen, fragen sie: 'Wie geht das?' Die Antwort ist klar: 'Durch Jesus. Er ist die Quelle.' Es ist wie es in der Bibel steht. In der Art und Weise wie wir uns behandeln sieht die Welt, dass der Messias lebt.»
Hunger nach Versöhnung
Die beiden sprechen von einem biblischen Auftrag, in Frieden mit dem Feind zu leben. «Juden waren meine Feinde, jetzt sind sie meine Geschwister», erinnert sich Shadia. Mehr und mehr Menschen werden auf die Arbeit von «Musalaha» aufmerksam. Auch Personen die nicht Christen sind, Juden und Muslime. Mittlerweile gibt es auch Kurse für sie, die auf der Nächstenliebe der Bibel basieren. Der Hunger nach Versöhnung ist gross geworden.
Am kommenden Wochenende spricht «Musalaha»-Gründer Salim Munayer zweimal im Rahmen der «Open Doors»-Tage in der Schweiz: Am Freitag, 9. Mai, in der FMG Münsingen und am Samstag, 10. Mai, in der Freien Gemeinde Dielsdorf.
Webseite:
Vorträge von «Musalaha»-Gründer Salim Munayer in der Schweiz
Musalaha
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet
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