Israel und Palästina: Christen zwischen den Mühlsteinen
Im Gazastreifen war schon mehrmals in diesem Jahr die Hölle los. Hier haben die radikalen islamischen Kämpfer von Hamas ihre Hochburgen, hierher zielen auch die israelischen Vergeltungsschläge. In Gaza leben aber auch Christen, vor allem Orthodoxe und Anglikaner. Ihr St.-Philipp-Spital leistet auch verwundeten Islamisten und ihren oft von den Raketen mitgetroffenen Frauen und Kindern medizinische Hilfe. Das Krankenhaus und seine Kirche geraten selbst immer wieder ins Feuer. Bischof Riah Hanna fürchtet sogar, dass es gezielte Treffer seien: „Das sind Angriffe auf das Wirken unserer Kirche, Strafaktionen für unseren Ruf nach Frieden und Gerechtigkeit, für unseren Einsatz im Dienst von Versöhnung und Wahrheit.“
Schweizer Missionspionier
Die noch knapp 5000 Anglikaner zählen mit den etwa halb so starken Lutheranern zu den ältesten Kirchen der Reformation in Palästina. In ihrem früher gemeinsamen Bistum Jerusalem wirkte von 1846 bis 1879 und bis heute unvergessen der von der Basler Mission entsandte Samuel Gobat. In seinem 33-jährigen Bischofsamt wandte sich der gebürtige Berner an Araber und Juden, baute Kirchen, Schulen und Spitäler, achtete aber gewissenhaft darauf, dass die einheimischen „Heilig-Land-Christen“ ihren meist orthodoxen Kirchen verbunden blieben.
1886 haben sich Anglikaner und Lutheraner getrennt. Schon zweimal – 2001 und 2002 – lud jetzt ihr Bischof Munib Junan den Lutherischen Weltbund zu seiner Ratstagung nach Jerusalem ein. In beiden Fällen liess sich das wegen dem arabisch-israelischen Konflikt nicht verwirklichen.
Der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Rolf Koppe, weist seitdem beharrlich auf die extrem verschlechterte Lage der Christen in Israel und Palästina hin, auf ihre Abwanderung und oft regelrechte Flucht: „Damit sich wenigstens ein christlicher Rest in Jerusalem und an den anderen Stätten des Evangeliums behaupten kann. Damit sie sich gewaltfrei für Gerechtigkeit auf beiden Seiten einsetzen, damit sie bescheidene, aber hör- und sichtbare Beziehungen zur weltweiten Christenheit aufrechterhalten.“ Das „Internationale Begegnungszentrum der lutherischen Kirche“ in Bethlehem widmet sich vorrangig diesen Aufgaben.
Misstrauisch gegen evangelikale Unterstützung
Aber die lange willkommene Unterstützung der Rückkehr des jüdischen Volkes ins Land seiner Väter durch christliche, besonders durch evangelikale Kreise, wird heute von israelischer Seite immer kritischer beurteilt. Seit sich die evangelische Welt der Bewegung „messianischer“ Juden geöffnet habe, sei für sie die Unterstützung Israels mehr und mehr ein Mittel zum Zweck christlicher Mission geworden. Mit dem zunehmenden Interesse an biblischer Endzeitprophetie um die Jahrtausendwende, meint Oberrabbiner Simcha Kook von Rehovot, habe sich gerade bei den Evangelikalen die Überzeugung gefestigt, dass nicht nur Israel sein Land wiederbekommen habe. Es werde nun seine Bekehrung zu Jesus vor dessen baldiger Wiederkunft folgen.
Messianische Juden auch Ärgernis für Muslime
Aber nicht nur den ultra-orthodoxen Israelis, auch den palästinensischen Islamisten sind gerade diese messianischen Juden ein Dorn im Auge. Sie vermischten die traditionelle religiöse Dreiteilung des Heiligen Landes in Muslime, Christen und Juden, sie seien nicht greifbar, nicht einmal Zahlen über ihre tatsächliche Stärke liessen sich erstellen. Offenbar befürchten gerade islamistische Kreise, dass sich eine entsprechende Bewegung messianischer Muslime bilden könnte. Ansätze dafür gibt es jedenfalls schon.
Angesichts der wachsenden Radikalisierung bei den Muslimen hält es Archimandrit Atallah Hanna vom griechisch-orthodoxen Patriarchat Jerusalem mit seinen noch an die 60’000 Anhängern für eine Christenpflicht, die gegenwärtige Palästinenserführung gegen die Umsturzgefahr von islamistischer Seite zu stützen: „Noch besteht ein gesundes Verhältnis zwischen den Kirchen im Heiligen Land und der palästinensischen Selbstverwaltung. Sowohl in der Umgebung von Arafat wie von Ministerpräsident Mahmud Abbas finden sich einflussreiche Christen. Das ist unsere eigentliche Hoffnung.“ Eine Hoffnung, die auch am besonders von der Abwanderung betroffenen armenischen Patriarchat in der Jerusalemer Altstadt geteilt wird. Von früher 20’000 orthodoxen Armeniern sind ihm heute nicht einmal mehr ein Fünftel geblieben: „Wenn wenigstens sie eine Zukunft erhalten!“
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet.ch
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