Ruhe vor dem Sturm

Muslimbrüder-Beschwichtigungen

Um Ägypten ist es oberflächlich ruhig geworden. Die neue, islamkonforme Verfassung ist in Kraft getreten und ihre Gegner gönnen sich jetzt eine Ruhepause nach dem vergeblichen Kampf gegen dieses Grundgesetz der Muslimbrüder.

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Präsident Mohammed Mursi
Der von ihnen gestellte Staatspräsident Mursi nützt die Erschöpfung von Demokraten, Sozialisten und Christen zu einer grossen Beschönigungsaktion seiner islamistischen Herrschaft im Ausland. Sogar die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» scheute nicht davor zurück, Mursis Beteuerungen ungeprüft Raum zu geben: Er behauptete, dass auch in einem von der Muslimbruderschaft regierten Ägypten die Christen frei und gleichberechtigt wären.

Tatsächlich gehen Angriffe auf koptische Kirchen und Gemeinde-Einrichtungen unvermindert weiter, ebenso die Gefängnisstrafen für Muslimas und Muslime, die zum Christentum konvertieren. Mursis irreführendes Interview vor seinem Staatsbesuch in Berlin gipfelt in der Behauptung: «Die Zeit der Diktatur ist vorbei!» Tatsache ist jedoch – wie der Kairoer Anwalt Eid nachweist –, dass in den 200 Tagen von Mursis Herrschaft schon mehr Anklagen wegen «Präsidentenbeleidigung» erhoben wurden, als in den 30 Jahren unter Mubarak.

Auch die Islamisierung des öffentlichen Lebens geht munter weiter. TV-Sprecherinnen und Flugbegleiterinnen der Egypt Air werden Schleier aufgezwungen, die Schulbücher von Bildern unverschleierter Frauen «gereinigt». Sogar das Foto der grossen ägyptischen Frauenrechtlerin Durriya Shafiq (1908-1975) muss sich seine Schwärzung gefallen lassen.

Die früher oft konkurrierenden Kirchen Ägyptens schliessen sich nun auf die Parlamentswahlen im April zu gemeinsamer Kampagne für eine Verfassungsrevision zusammen: Orthodoxe, evangelische und katholische Kopten sowie die kleineren christlichen Gemeinschaften.

Unterstützung bekommen sie schon durch die Linksopposition. Ihr Sprecher Hamdin Sabbahi fordert für den beginnenden Wahlkampf ein striktes Verbot jeder politischen Agitation in Moscheen, islamischen Schulen und Stiftungen. Bisher waren die Erdrutschwahlerfolge der Muslimbrüder nach dem Sturz von Mubarak vor zwei Jahren in erster Linie auf die Usurpierung der gesamten islamischen Strukturen für ihre politischen Ziele zurückzuführen. Alle anderen Parteien, die aus dem Nichts anfangen mussten, sind dadurch von Anfang an ins Hintertreffen geraten. Das müsse jetzt für die Parlamentswahlen verhindert werden. Sie stellen – so Sabbahi – «die letzte Chance für ein freies, demokratisches und religiös tolerantes Ägypten» dar!

Datum: 22.01.2013
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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