Für einen Scharia-Staat
Ägyptens Islamisten brechen Brücken ab
In der verfassunggebenden Versammlung Ägyptens werden die Islamisten das Sagen haben. Damit steuert das Land am Nil, wie nüchterne Beobachter befürchtet haben, auf ein Grundgesetz zu, das wesentlich von der Scharia bestimmt sein wird.
Kompromisslos
So häufig Muslimbrüder und Salafisten, die zusammen zwei Drittel der Parlamentarier stellen, miteinander streiten – im Hauptziel, den Staat zu islamisieren, sind sie sich einig. Kurz vor der Abstimmung verteilten die Muslimbrüder laut der Zeitung «Die Welt» Listen an ihre Mitglieder mit den zu wählenden Kandidaten. So sorgten sie dafür, dass auch unter den liberalen Kandidaten solche gewählt wurden, die ihnen genehm waren. Das Resultat bedeutet, dass Islamisten die verfassunggebende Versammlung beherrschen werden – in dem arabischen Land mit der stärksten christlichen Minderheit.
Die Maske verloren
Noch unklar ist, welche politische Ausrichtung und wie viel Gewicht in den Beratungen die 50 Nichtparlamentarier (darunter Juristen, Geistliche, Gewerkschafter und Künstler) haben werden. Doch auch bei ihnen wird die Mehrheit die konservative Grundstimmung am Nil widerspiegeln. Die Muslimbrüder hatten zuvor beteuerten, sie strebten keine Mehrheit an und wollten Ägypten keine islamische Ordnung aufzwingen. Das Zusammengehen mit den Salafisten hat dies nun als Täuschungstaktik erwiesen.
Maklerposition verloren?
Allerdings vergeben sich die Muslimbrüder damit Spielraum in der Konfrontation mit dem herrschenden Militärrat und der von ihm eingesetzten Regierung. Die den Militärs nahestehende Zeitung «Al-Akhbar» schrieb am Sonntag, eine Auflösung des Parlaments sei wahrscheinlich. Laut der NZZ ist ein Zweifrontenkrieg gegen die Militärs auf der einen und gegen die Liberalen auf der andern Seite für die Muslimbrüder riskant.
Kopten-Patriarch: nach dem Tod ein guter Ägypter
Die Wahl der verfassungsgebenden Versammlung erfolgte am Ende der Woche, in der zahlreiche Muslime dem verstorbenen Kopten-Patriarch Shenuda III. Tribut gezollt hatten. Sämtliche Fernsehsender des mehrheitlich islamischen Nillandes berichteten über Shenudas Ableben. Alle Ministerien und zahlreiche muslimische Persönlichkeiten sandten Beileidsbekundungen. Trotzdem fühlen sich die Kopten als Bürger zweiter Klasse. Viele erwägen angesichts der Polemik und des Hasses mancher Islamisten die Auswanderung. Auch darauf wird vermutlich die Versammlung, die die Verfassung schreibt, nicht Rücksicht nehmen.
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch
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