Kirche und gesellschaftliche Elite

Die Herausforderungen besser meistern

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Was macht Kirchen attraktiv für Führungskräfte und Intellektuelle? Das idea Magazin hat sich mit Benedikt Walker unterhalten. Walker leitet die VBG, das christliche Netzwerk von Berufstätigen, Studierenden und Mittelschülern. 

Die gesellschaftliche Elite werde heute am ehesten von der reformierten Landeskirche angesprochen, meint Walker. Akademiker und Führungskräfte stünden vor der Frage, wie sie die vielen Herausforderungen meistern und ihre grosse Verantwortung wahrnehmen könnten. Walker hört zu solchen Fragen wenig in den Gottesdiensten – für ihn ein Grund, warum sich Angehörige der Elite von der Kirche verabschiedet haben.

Auf der Suche nach Ruhe

«Eine Persönlichkeit, die politische Verantwortung wahrnimmt oder eine Firma leitet und wöchentlich 60 oder 70 Stunden im Einsatz steht, mag am Sonntag nicht mehr hören, was man sonst noch alles sollte.» Führungskräfte suchten Leute, die ihnen helfen, «Ruhe zu finden, die Gedanken zu ordnen, Prioritäten zu setzen, im ganzen Stress Gott zu erkennen». Dies gelinge manchen eher in Retraiten oder bei Kirchenkonzerten als in Gottesdiensten.

Fähig zum Mitdiskutieren werden

Dazu komme, dass die Philosophie «heute von einer neutralen Weltanschauung ausgeht, in der Gott als Element gar nicht mehr vorkommt. Gott spielt in unserer Gesellschaft keine Rolle mehr.» Bekennende Christen schwimmen gegen den Trend. «Wer sich dem Paradigma der Welt ohne Gott entgegenstellen will, muss sich bewusst einmischen wollen und sich auch die Fähigkeit aneignen, mitdiskutieren zu können.»

Oberschicht und Kleinbürger

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK hat den Kontakt mit Entscheidungsträgern zu einer seiner Prioritäten gemacht. Als Legislaturziel 5 nennt er unter anderem «persönliche Beziehungen zu Exponenten aus Politik, Wissenschaft und Kultur». Zugleich hat die Kirche, so Walker, den Auftrag, sich um jene zu kümmern, «die es nicht so einfach haben: um Arme, Randständige, Arbeitslose, Schulversager». Dabei müsse sie versuchen, den Kontakt zur Elite aufrechtzuerhalten. «Zum Grundauftrag gehören beide, das Kleinbürgertum und die Elite.»

Die Kirche braucht gründliche Denker

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Benedikt Walker
Benedikt Walker empfiehlt den Kirchen, mit Führungskräften Gefässe zu schaffen, in denen sich auch die Elite wohlfühlt. «In unseren christlichen Gemeinden findet die Elite gar keinen Platz mehr.» Dies obwohl die Gemeinden inspirierende Vordenker bräuchten. Intellektuelle seien jedoch «oft schwierige Gemeindemitglieder, weil sie sich stark mit Fragen beschäftigen und nicht gleich mit schnellen Lösungen zufrieden sind. Sie gelten oft als Störenfried. Dabei möchten sie durch ihre kritischen Fragen dazu beitragen, der Wahrheit und guten Lösungen näherzukommen.»

Gottesdienst für alle

Von Spezialgottesdiensten mit intellektueller Predigt hält Benedikt Walker wenig. Er hat Gemeinden vor Augen, «in der Leute mit verschiedenstem Hintergrund zusammenkommen und gemeinsam Gott anbeten». Die dafür erforderliche hohe Kompromissbereitschaft und die Bereitschaft, sich in andere Menschen hineinzudenken, sei aber heute bloss in wenigen Gemeinden da. Die Freikirchen fordert der VBG-Leiter auf, selbständiges Denken nicht als Glaubenshindernis abzuwerten. «Mit dieser Einstellung und vielleicht auch mit fehlender Liebe fällt es schwer, Intellektuelle überhaupt abzuholen… Gute Theologie versucht das Denken zu integrieren.»

Steine aus dem Weg räumen

Die VBG (Vereinigte Bibelgruppen in Schule, Universität, Beruf) sieht Benedikt Walker als Ergänzung zur Kirche. Sie wolle mit ihren Angeboten Intellektuellen helfen, «sich mit ihren wesentlichen Fragen auseinanderzusetzen und ihre Bedürfnisse zu stillen». Namentlich Studierende stellten viele Fragen an den Glauben. «Wir wollen diesen jungen Leuten nahe sein und sie mit ihren Fragen ernst nehmen.» Dazu gehöre der Abbau von Hindernissen. «Es gibt viele intellektuelle Denkblockaden, welche die jungen Menschen hindern, überhaupt an Gott zu glauben.» Walker verdeutlicht dies mit einem Bild: «Auf dem Weg liegt ein grosser Stein. Ich kann erst weitergehen, wenn dieser Stein auf die Seite geschoben ist.»

Webseite:
VBG
Christian Leadership Values

Datum: 06.07.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / ideaSpektrum

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