Sparsam und bescheiden

Zentrieren versus Zerstreuen

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Der Bundesrat ruft zum Stromsparen auf. Was ja nicht so revolutionär klingt, hat doch eine grosse Reichweite. Wenn wir No-Limit-Bezüge von Strom, Wasser, Lebensmittel und so weiter gewohnt sind, wirken solche Empfehlungen speziell – notwendig?

Effizienz und Suffizienz ist zum geflügelten Wortpaar geworden. Effizienz bedeutet optimal, superfunktionierend mit möglichst wenig Energieverlust. Suffizienz ist Genügsamkeit, die an einem Punkt stoppt, wo man zufrieden sein kann und dann auch keine Vergeudung wegen Überschusses hat.

Das Gebot der Stunde: Sparsamkeit

Der demokratische Durchschnitts-Westeuropäer lebt ja in der Regel im materiellen Überfluss und kennt Rationierungen meist nur aus der Ferne. Mit der Pandemie zog bereits eine neue Dynamik ins Land, da es angesagt war, als soziale Gesellschaft aufeinander Rücksicht zu nehmen – das Ego musste hintenangestellt, das Leben neu geordnet werden.

Nun haben wir Angst, dass wir wegen des Russlandkriegs zu wenig Strom, Gas und anderes haben – vor allem auf den kalten Winter hin. Doch könnte auch dies eine Chance sein, aus dem alten Trott des «immer mehr, schneller, grösser!» zu kommen – und zu schauen, was wirklich nötig ist und unser Leben echt bereichert, nicht nur oberflächlich.

Es können neue Gelegenheiten entstehen, das Einfache zu geniessen. Dass ich nicht jederzeit erreichbar sein muss, dass ich auch mit weniger Elektrogeräten auskommen kann, dass ich nicht die ganze Welt erkundet haben muss. Ich kann auch mal stressfrei leben. Ich darf meine Ferien auch mal geniessen. Ich muss nicht immer alles im Griff haben und eine Handy-freie Zeit tut auch mal gut. Wir wissen, dass der Mensch ein Beziehungswesen ist. Es macht ihn glücklich einfach mit netten Menschen, Familie und Freunde zusammen zu sein.

Grosses Haschen nach Windrädern

Schon in der Bibel, in Prediger, Kapitel 4, Vers 6 heisst es: «Besser eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe und Haschen nach Wind» und in Prediger, Kapitel 6, Vers 9a: «Es ist besser, zu gebrauchen, was vor Augen ist, als nach anderm zu verlangen.»

Der postmoderne Mensch ist es nicht nur gewohnt, dass sein Handy in der Hosentasche jederzeit Infos liefert – nein, auch dass scheinbar unbegrenzt Strom aus der Steckdose fliesst.

Doch liegt nun die Lösung darin, so weiterzufahren, zunehmend Ressourcen zu verbrauchen und mehr Kraftwerke mit Solar, Wasser, Windrädern und weiterem bauen zu müssen? Gibt es Grenzen? Auch in Landwirtschaft, Industrie und anderen Bereichen?

Geregeltes Gesellschaftswohl

Aber ja, gerade nach der weltweiten Pandemie gibts auch hier Chancen für ein Umdenken und Sich-Besinnen auf das Wesentliche. Es wurde mit dem dramatischen «Bleiben Sie zu Hause» und weiteren empfohlenen Massnahmen in unser Bewusstsein gerufen, dass nicht alles gegeben ist – wir leben in grosser Freiheit. Zusätzlich wurde auch eine deutliche Entspannung und Entschleunigung im Alltag erlebbar.

Nun macht sich eine dezente Panik bei einer nächsten Einschränkung in unseren Nationen breit. Wir reichen Länder haben Angst davor, dass wir im Winter frieren könnten – bei 19°C. Wohlgemerkt, dies wurde von der Schweizer Landesregierung als Wohnungs-Temperatur angeregt.

Doch könnte nicht gerade hier unsere stumpfe Selbstverständlichkeit zu einer bewussten Dankbarkeit werden – für all das Wertvolle, womit wir im Alltag leben? Oh ja, es gibt auch warme Pullover!

Und mit mehr Fokussieren könnten wir auch Zeiten mit Gott, die im Alltagsstrudel eher unterzugehen drohen, neu freudig pflegen: Anstatt Alltagsstrudel ohne Gott einen Apfelstrudel mit unserem himmlischen Vater.

Grenzen, statt immer mehr

Um den hohen Energieverbrauch zu halten oder gar zu steigern, will man nun in die Vergangenheit zurück, wo Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke als normal und völlig akzeptabel angesehen wurden. Wir kennen die zerstörerischen Nebenprodukte, die daraus entstehen. Deshalb wurde vielerorts beschlossen, dass gerade der CO2-Austoss drastisch gesenkt werden müsste.

Nun, was sind die Alternativen? Bei komplexen Problemen gibts auch keine einfachen oder einseitigen Lösungen. Das heisst, auch hier braucht es Diversität.

Gewohntes und Gier loslassen

Der momentane Standard ist das Eine, jedoch lässt «die Gier nach Mehr» die Situation zuspitzen. Wir sind im Wandel, wo Mechanisches vom Elektronischen abgelöst wird und wir mehr vom Strom abhängig werden. Oder wieviele Geräte haben wir im Haushalt, die permanent laufen, oder zumindest im Standby-Modus sind – der ja auch Strom frisst?

Insofern ist die E-Mobilität trügerisch, weil sie den Schrei nach mehr Stromquellen verstärkt: Mehr E-Mobile brauchen mehr Elektrizität. Womit wir beim zweiten Beispiel, der Mobilität, wären. Wir sind gewohnt, überall hinfliegen zu können, ohne zu überlegen, was da alles hintersteckt. Aber wo führt das, auch im Übertragenen, hin – viele Flüge, noch mehr Strassen und mehr Energiekraftwerke? Gerade die kleinflächige Schweiz spürt es stark, dass der Lebensraum begrenzt ist – und sorgfältig damit umgegangen werden muss. Suffizienz ist angesagt.

Genug ist genug

Interessanterweise fielen und gefielen die verstorbene Queen, eine Mutter Teresa oder Michail Gorbatschow, denen man grad erst gedacht hat, durch ihre Bescheidenheit und eine gewisse Einfachheit auf. Also hat es durchaus etwas Attraktives und Sympathisches, mit Zurückhaltung statt grossem Gehabe durchs Leben zu gehen.

Suffizienz, also das Sich-Begnügen mit dem, was man hat, ist einigen Gewahr und führte zu einer zaghaften Gegenbewegung; genauso wie «Simplify» zum Vereinfachen des Alltags aufruft: Weg mit dem unnötigen Krempel, der so rumliegt und doch nie benützt wird, und sich bewusst am Übrigen freuen.

Genügsamkeit gibt Genuss

Auch hier lieferte die Pandemiezeit gute Beispiele, wie eine Vereinfachung stattfinden kann. Und das tat der gestressten westlichen Seele gut. Weniger Termine und somit mehr Freizeit zu haben, weniger Tätigkeiten zu haben, «was man alles so müsste» und mehr Ruhe und Genuss von den Leuten um uns herum oder einfach der Natur und anderen «Sehenswürdigkeiten» in der nächsten Umgebung. So könnte ein wichtiger Weg der Zukunft die Sparsamkeit werden – worauf jetzt im Hinblick auf die Stromknappheit hingewiesen wurde.

Das sorgsame Umgehen mit allen Ressourcen ist ein Gebot der Stunde. Vielleicht führt sie uns auch in sorgsamere Beziehungen!

Den Doppelpunkt setzen wir mit einem berühmten Jesuswort aus Matthäus, Kapitel 6, Verse 25 und 28: «Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? … Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht.»

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Datum: 14.09.2022
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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