«Bahnbrechender Entscheid»?


Iranisches Gericht spricht neun Konvertiten frei

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Ein iranisches Berufungsgericht hat neun christliche Konvertiten freigesprochen, die wegen ihrer Beteiligung an Hauskirchen zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden waren. Dieses Urteil bezeichnet Open Doors USA als «bahnbrechende Entscheidung».

Wie die Menschenrechtsorganisation «Article 18» berichtet, erliess die Abteilung 34 des Teheraner Berufungsgerichts das Urteil am Montag letzter Woche, nachdem der Oberste Gerichtshof der Islamischen Republik im November letzten Jahres angeordnet hatte, dass die untere Instanz die Verurteilungen überprüft (Livenet berichtete).

Die neun Konvertiten Abdolreza (Matthias) Ali-Haghnejad, Shahrooz Eslamdoust, Behnam Akhlaghi, Babak Hosseinzadeh, Mehdi Khatibi, Khalil Dehghanpour, Hossein Kadivar, Kamal Naamanian und Mohammad Vafadar waren ausser dem Vorwurf, gegen die nationale Sicherheit gehandelt zu haben, auch wegen «Förderung des zionistischen Christentums» angeklagt worden.

«Keine ausreichenden Beweise»

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Die neun Konvertiten
Die Richter Seyed Ali Asghar Kamali und Akbar Johari sahen «keine ausreichenden Beweise» dafür, dass die Angeklagten gegen die nationale Sicherheit gehandelt hätten; sie argumentierten, dass Christen gelehrt würden, in «Gehorsam, Unterordnung und Unterstützung der Behörden» zu leben.

Mansour Borji, Direktor von «Article 18», erklärte, die Entscheidung des Gerichts sei «anders als alle anderen Entscheidungen dieser Art», die er gesehen habe. Die Richter hätten sich bei der Begründung ihres Urteils sehr viel Mühe gegeben und neun verschiedene Gründe für den Freispruch angeführt, die sich auf die Verfassung, Rechtsgrundsätze, gesetzliche Bestimmungen und die islamische Tradition stützten.

«Diese Richter haben nun festgestellt, dass das ursprüngliche Urteil, aufgrund dessen einige dieser Christen mehr als zweieinhalb Jahre im Gefängnis verbringen mussten, rechtlich nicht zu rechtfertigen war», sagte Borji. Allerdings befinden sich mindestens ein Dutzend anderer Christen aufgrund ähnlicher Anschuldigungen immer noch im Gefängnis oder im erzwungenen internen Exil.

Open Doors: Präzendenzfall?

Seit 2005 gibt es im Iran konzertierte Bemühungen, muslimische Konvertiten daran zu hindern, sich zu Gottesdiensten zu versammeln, wobei einigen von ihnen bis zu zehn Jahre Gefängnis drohen. Open Doors USA nannte das Urteil der letzten Woche nun eine «bahnbrechende Entscheidung» für iranische Christen. «Im Grossen und Ganzen kann der Präzedenzfall, wenn die Gläubigen durch dieses Urteil endlich freigelassen werden, als Sprungbrett für die Freilassung vieler weiterer Menschen dienen, die unter den gleichen falschen Anschuldigungen inhaftiert wurden», heisst es in einem Bericht von Open Doors. «Während die Entscheidung ein monumentaler erster Schritt für die Christen im Iran ist, ist es doch noch ein langer Weg, bis dieses Urteil und die dahinterstehenden Überlegungen überall Wirkung zeigen.»

Die Entscheidung des Gerichts wurde auch von der Vorsitzenden der «U.S. Commission on International Religious Freedom», Nadine Maenza, gelobt. «Wir sind erfreut über den Freispruch von neun Christen durch das #Berufungsgericht in #Teheran. Die iranischen Gerichte haben korrekt festgestellt, dass die friedliche Ausübung des Christentums keine Bedrohung für die nationale Sicherheit des Iran darstellt», erklärte Maenza auf Twitter.

Keine einheitliche Beurteilung

Die neun Christen waren bei Razzien in Wohnungen und Hauskirchen zwischen Januar und Februar 2019 verhaftet worden. Im Oktober desselben Jahres wurden sie verurteilt. Ende Dezember 2020 waren sie unter Auflagen freigelassen worden, bis ihre Fälle überprüft worden waren. Einer von ihnen (Abdolreza Ali-Haghnejad) wurde jedoch in diesem Jahr aufgrund einer anderen Anklage im Zusammenhang mit seinem Glauben erneut inhaftiert. Gegen zwei weitere Personen (Behnam Akhlaghi und Babak Hosseinzadeh) wurden ebenfalls neue Anklagen erhoben. «Die erneute Inhaftierung und die neuen Anklagen zeigen, dass zukünftige Fälle nicht einheitlich behandelt werden», warnt Open Doors.

So wurde ein Antrag des Konvertiten Nasser Navad Gol-Tapeh auf eine erneute Verhandlung seines Falles im vergangenen Monat abgelehnt. Der 60-Jährige war wegen «Handelns gegen die nationale Sicherheit» verurteilt und 2018 inhaftiert worden. Er hat Berufungsschreiben verfasst, in denen er die Gerichte fragt, inwiefern seine Beteiligung an einer Hauskirche die nationale Sicherheit bedrohe. Sein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde im Februar abgelehnt – eine Entscheidung, die erst diese Woche bekannt gegeben wurde.

Das US-Aussenministerium bezeichnet den Iran als «besonders besorgniserregendes Land», weil er die Religionsfreiheit in drastischer Weise verletze. Im Weltverfolgungsindex von Open Doors steht der Iran an neunter Stelle.

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Datum: 11.03.2022
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christian Post

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