Entscheid des Höchsten Gerichtshofs
Iran: Es ist nicht illegal, eine Hausgemeinde zu besuchen
Eine Hausgemeinde zu gründen oder zu besuchen, wird nach iranischem Strafgesetz nicht geahndet. Das erklärte vor Kurzem der Höchste Gerichtshof des Landes in einem neuen Urteil, das für die vielen Christen erfreuliche Folgen haben könnte. Nun wird Klarheit gefordert.
Im Iran wurden im Oktober 2019 neun Christen zu je fünf Jahren Haft verurteilt, weil sie Mitglieder einer Hausgemeinde sind. Die Begründung: Sie hätten damit «gegen die nationale Sicherheit» gehandelt – wie viele andere vor ihnen. Alle neun waren zuvor Mitglieder derselben Gemeinde wie Pastor Yousef Nadarkhani. Der Höchste Gerichtshof des Landes entschied nun im November, dass diese Haftstrafe unrechtmässig sei. Ihre Mitgliedschaft in der «Evangelisch-Zionistischen Sekte», wie die christliche Bewegung im Urteil genannt wurde, und selbst die Verbreitung ihres Glaubens sei keine Handlung, welche die nationale Sicherheit gefährde, hiess es. Diese Entscheidung wurde allerdings nur den Anwälten der neun Christen mitgeteilt.
Dies sei zwar noch kein «Präzedenzfall», könne allerdings das Schicksal vieler Fälle und Christen in Zukunft prägen, schreibt die Organisation «Article 18» aus Grossbritannien, die sich für den Schutz der religiösen Freiheit im Iran einsetzt. Zumal die über 20 Christen, die sich aktuell in iranischen Gefängnissen befinden, alle aufgrund von «Handlungen gegen die nationale Sicherheit» verurteilt wurden.
Sicherheit des Landes nicht gestört
Das Urteil des Höchsten Gerichtshofes hält dagegen: «Allein das Christentum zu predigen und für die 'Evangelisch-Zionistische Sekte' zu werben, was beides scheinbar bedeutet, das Christentum durch familiäre Treffen (Hausgemeinden) zu fördern, ist kein Zeichen für Treffen und geheime Absprachen, um die Sicherheit des Landes zu stören, weder intern noch extern.» Zudem sei die «Bildung dieser Gesellschaften und Gruppen (Hauskirchen) keine Verletzung der Artikel 498 und 499 des Islamischen Strafgesetzbuches oder andere Strafrechte». Besagte Artikel beziehen sich auf die Mitgliedschaft und Organisation von Gruppierungen, die gegen den Staat agieren und wurden ebenfalls jeweils im Zusammenhang mit Urteilen gegen Christen zitiert.Abschliessend heisst es in dem Urteil vom 3. November 2021, über das aber erst Ende November berichtet wurde: «Die Werbung für das Christentum und die Bildung einer Hausgemeinde wird im Gesetz nicht geahndet.»
«Wo können wir Gottesdienst feiern?»
Das Urteil wurde ausgesprochen, nachdem eine Woche zuvor zwei der oben erwähnten neun Christen sowie ein anderer Christ, der ebenfalls inhaftiert ist, einen offenen Brief und Video-Kommentare verfassten, in denen sie fragten, wo sie sich versammeln dürfen, sobald sie freigelassen werden. «Die Kirchen in unserer Stadt wurden geschlossen, die Türen sind geschlossen, so dass wir nicht im Kirchgebäude Gottesdienst feiern können. Die Kirchen, die noch offen sind, sind nur für bestimmte Menschen zugänglich – für solche, die in christliche Familien geboren wurden – und nicht für uns (Konvertiten). Deshalb und aufgrund der Schliessungen anderer Kirchen haben wir keinen Ort, an dem wir Gottesdienst feiern können.»
Die Organisation Article 18 sowie andere christliche Werke haben sich zu einer Kampagne zusammengeschlossen, die einen «#Place2Worship», also einen Ort für Gottesdienste im Iran fordert. Einige der neun inhaftierten Christen dürften bereits auf Bewährung freigelassen werden, hatten dies aber bisher nicht getan, da sie Angst davor haben, erneut inhaftiert zu werden, wenn sie nach ihrer Freilassung wieder gemeinsam beten und Gottesdienst feiern.
Sollte dieses neue Urteil sowie die Kampagne #Place2Worship zum Tragen kommen, könnte dies für Tausende Christen im Land bedeuten, dass sie sich endlich ohne Angst gemeinsam zum Gottesdienst treffen dürfen. Für Mansour Borji aus dem Leitungsteam von Article 18 ist das eine sehr erfreuliche Nachricht, doch fordert er «Klarstellung seitens der iranischen Behörden darüber, wo persischsprachige Christen Gottesdienst feiern können ohne Angst vor Verhaftung und Gefängnisaufenthalt».
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Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Articleeighteen.com