Im Spannungsfeld
Christliche Spiritualität am Beispiel der Streetchurch
Wie ist eine öffentlich unterstützte christliche Sozialarbeit zu gestalten, damit sie von Behörden, die auf politischer und religiöser Neutralität bestehen, akzeptabel ist? Steetchurch-Leiter Markus Giger äusserte sich dazu in Aarau.
Explizite und implizite Spiritualität
Die Streetchurch unterhält eine grosse Palette von Angeboten – von der Jobvermittlung bis hin zu Gottesdienst und Seelsorge. Christliche Spiritualität durchdringt «implizit und explizit» alle Arbeitsbereiche, wie Giger erklärte. Wo es um explizite spirituelle Angebote wie den Gottesdienst geht, ist die Teilnahme aber freiwillig. Klienten dürfen fernbleiben, ohne irgendwelche Nachteile befürchten zu müssen. Entscheidend ist für Markus Giger das Beziehungsgeschehen. Menschen werden in eine «familiäre und versöhnende Gemeinschaft» integriert, in der alle die Frohe Botschaft hören. Vertrauen und Transparenz sind Leitworte. Christliche Werte sind aber auch in den Jobprogrammen oder beim begleiteten Wohnen tragend. Liebe und Gastfreundschaft, Freiheit und Vertrauen sollen spürbar sein im Sinne einer impliziten Spiritualität.In der Praxis kann die Streetchurch junge Leute integrieren, die andernorts als hoffnungslose Fälle gelten. Wenn Jugendliche sich für den christlichen Glauben entscheiden, werden sie öffentlich getauft. Giger betont dabei die Glaubensfreiheit in unserer Verfassung als eine Freiheit, sich auch für einen bestimmten Glauben entscheiden zu dürfen. Probleme habe es deswegen mit den Behörden noch nie gegeben, betont Giger.
Vier Grundsätze
Für die Anwendung einer expliziten Spiritualität gelten laut Giger in der Streetchurch folgende vier Voraussetzungen: Erstens Offenheit für alle; alle sind zu den (geistlichen) Angeboten eingeladen. Niemand darf sich ausgeschlossen fühlen. Zweitens werden diese Angebote allen Teilnehmenden schon vor dem Eintritt erläutert. Sie wissen, was sie in der Streetchurch diesbezüglich erwartet. Entscheidend ist drittens, dass sie im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses vermittelt werden. Geistliche Angebote werden nur dort gemacht, wo die Teilnehmenden dafür bereit sind. Es wird kein Machtgefälle ausgenützt. Schliesslich steht fest, dass niemandem, der geistliche Angebote meidet, daraus ein Nachteil erwächst.
Die Sicht der Behörden
Als Vertreter einer Behörde beschrieb Markus Geiter, Leiter der Berufsbeistandschaft des Bezirks Rheinfelden, die behördliche Sicht beim Umgang mit christlichen Institutionen. Der ehemalige Pastor der FEG Rheinfelden kennt die kirchliche und die behördliche Sichtweise. Den Behörden sei bewusst, dass Christen ein wertschätzendes Menschenbild hätten. Sie kümmerten sich «hingebungsvoll um 'hoffnungslose Fälle'». Probleme könne es geben, wenn professionelle Grenzen überschritten und problematische spirituelle Praktiken eingesetzt werden, zum Beispiel Exorzismen. Christliche Spiritualität dürfe den Klienten nicht überfordern, und sie dürfe nicht als Mittel zum Zweck eingesetzt werden. Unter dieser Prämisse fasste Geiter die behördliche Sicht der christlichen Sozialen Arbeit so zusammen: «Wenn die christliche Spiritualität gut in der professionellen Sozialarbeit eingebettet ist und die Professionalität gewahrt ist, wenn sie echt und authentisch gelebt wird, dann hat sie ihren Platz und meines Erachtens ein grosses Potenzial.»Webseite:
Streetchurch
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Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet