Besonderer Talkshow-Moment
Comedian bat um Vergebung
Am Ende der TV-Sendung stand der Komiker Atze Schröder auf, ging zu der älteren Frau, ergriff ihre Hände und sagte: «Es tut mir leid!»
Dieser besondere Moment ereignete sich am Ende einer Ausgabe der Talkshow «Markus Lanz» in der vergangenen Woche. Das tiefe Bedauern drückte der Komiker Atze Schröder aus, der mit gebrochener Stimme vom Fehlverhalten seines Vaters im Krieg und der Nazi-Zeit erzählte, für das er sich entschuldigte. Schröder, immer mit Perücke und Fliegerbrille, ist eine Kunstfigur, die es seit Mitte der 1990er Jahre gibt. Seinen echten Namen möchte der Komiker nicht preisgegeben.
Vater: Die Tür erst mal zugemacht
In der Sendung erzählte er, dass sein Vater als 17-Jähriger 1940/41 erst in den Arbeitsdienst musste und dann in den Krieg. «Er war überwiegend im Kaukasus, kam in russische Kriegsgefangenschaft. Mit 30 kam er wieder, er war Spätheimkehrer. Er hat für sich entschieden, diese Tür erstmal zuzumachen und ein gutes Leben zu führen. Aber viele seiner Brüder haben das nicht geschafft, sie haben sich später umgebracht.»
«Die schlimmsten Sachen gemacht»
Schröder erzählte, dass sein Vater mit ihm sehr offen über die Nazizeit gesprochen habe. Er habe im Krieg «die schlimmsten Sachen gemacht». Weiter sagte er: «Wenn er hier jetzt sitzen würde, würde er sich entschuldigen.»Die Entschuldigung vor laufender Kamera galt Eva Szepesi, in Budapest aufgewachsen, Holocaust-Überlebende, die ebenfalls Gast der Talkshow war. Sie erzählte im ersten Teil der Sendung, wie sie als 12-Jährige verschleppt wurde und nach Ausschwitz kam. Am 27. Januar 1944 wurde sie von russischen Soldaten befreit.
Fünf Jahrzehnte nicht darüber gesprochen
50 Jahre lang habe sie nicht über die Zeit im KZ gesprochen, auch nicht mit ihrer Tochter, Anita Schwarz, die ebenfalls Gast der Talksendung war. Bis vor einigen Jahren hatte sie noch gehofft, ihre Mutter wiederzusehen. Doch dann sei die endgültige Bestätigung zu deren Tod gekommen.
Neben ihrer Mutter verlor Eva Szepesi ihren Bruder und ihre Grosseltern, die in den Gaskammern von Ausschwitz umgebracht wurden.
«Für mich ist das sehr erschreckend»
Szepesi und ihre Tochter zeigten sich betroffen von der Wahl des FDP-Politikers Kemmerich durch die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag. «Alle Politiker reden von 'nie wieder' und 'es darf nicht mehr passieren' und dann das!», so Anita Schwarz. «Für mich ist das sehr erschreckend», kommentierte ihre Mutter die Vorgänge in Thüringen.
Nicht getrauert
Atze Schröder hatte vor seiner Entschuldigung länger über seinen Vater gesprochen, unter anderem über den Tag, als er starb: «Ich kam ins Wohnzimmer, mein Vater springt vom Sofa auf, mit seinen 87, fasste sich kurz ans Herz, gab mir die Hand, wir schauen uns noch kurz in die Augen und dann fällt er tot in den Sessel.» Dass er das so habe miterleben dürfen, war für Schröder ein Glück. Aber es habe auch verhindert, dass er richtig getrauert habe.
«Sehr viel Tragödie in unserer Familie»
«Zwei Jahre später hat mich diese Trauer eingeholt. Da bin ich in einem Tief gelandet», erzählte Schröder. Er habe sich dann auch mit seiner Familiengeschichte auseinandergesetzt: So hatten sich seine Oma und mehrere Brüder seines Vaters das Leben genommen. «Es war sehr viel Tragödie in unserer Familie, was ich nicht wusste, was unter den Teppich gekehrt wurde.»
Nach seiner Entschuldigung sagte Atze Schröder eindringlich: «Wir dürfen das nie vergessen.» Und er sagt es dann noch ein zweites Mal: «Wir dürfen das nie vergessen.»
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Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet