Kampf ums Überleben
Christen des Sahel nach dem Abzug der Franzosen
Wie die USA aus Afghanistan, zieht Frankreich seine Truppen von der afrikanischen Sahel-Zone zurück. Blühende Christengemeinden werden damit islamischem Terror ausgeliefert. Sie nehmen aber ihr Überleben selbst in die Hand.Die «Operation Barhane» wurde 2014 als internationale Militäroperation unter französischer Führung zur Bekämpfung des islamischen Terrorismus in der afrikanischen Sahelzone gegründet. Anlass dafür war die Zerstörung von einmaligen Kulturgütern in der vorkolonialen Metropole Timbuktu. Benannt wurde der Militäreinsatz nach dem arabischen Namen für die Wüstendünen der Sahara: barchanah. Ähnlich wie in Afghanistan die Amerikaner bei den Taliban, konnten sich aber die Franzosen und ihre Verbündeten nicht gegen die Sahel-Islamisten durchsetzen. Im Gegenteil: Deren Angriffe nahmen in den vergangenen sieben Jahren zu.
Schwierige Lage der G5 Sahel-Staaten
In den ehemals französischen Kolonien Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad – zusammengefasst abgekürzt als G5 Sahel – sind eine Vielfalt lokaler Terrorgruppen entstanden. Sie treten heute hauptsächlich in zwei grossen Organisationen verbündet auf: Bei der Dschamaa al-Nusra al-Muslimin (Unterstützungsgemeinschaft der Muslime) handelt es sich wie bei der gleichnamigen Terrormiliz in Syrien um eine der Maschen des internationalen Netzwerks «Al-Kaida». Auf ihr Konto gehen Geiselnahmen und Morde an Touristen und Journalisten.
Christliche Schulen, Kirchen und Dörfer im Visier
Den für die Schweiz schmerzlichsten Schlag verübte An-Nusra am 15. Januar 2016 in Burkina Faso's Hauptstadt Ougadoudou, wo neben 27 weiteren Opfern Nationalrat Jean-Noël Rey und der Walliser Grossrat Georgie Lamon ums Leben kamen. Sie hatten ein von ihnen gefördertes Projekt zur Alphabetisierung und Bildung von Kindern besucht.
Diese Gruppierung konzentriert sich auch heute auf Einzelüberfälle und Attentate. Christliche Kirchen, Schulen und Dörfer sind ihre bevorzugten Angriffsziele. Die «Operation Behane» kam da meistens zu spät.
Die Rolle des IS
Der «Islamische Staat in Grosssahara» (ISWAP) bemüht sich – wie seine irakisch-syrische Mutterbewegung – um die Kontrolle ganzer Gebiete. ISWAP-Chef Abu Mussab al-Barnauwi versucht, Zonen unter seiner «Dschihad-Regierung» zu schaffen. Im Nordosten von Mali, der von den Franzosen jetzt als erster geräumt wird, ist ihm das schon weitgehend gelungen. Unter ISWAP-Herrschaft werden die Christen von Opfern – zwar immer häufigeren – Attacken zu geknechteten Sklaven des «Islamischen Staates». Was das gerade für die Frauen bedeutet, hat das Schicksal der Sex-Sklavinnen unter dem «Emir» von Mossul gezeigt.
Starke christliche Präsenz
Und der Christen sind im Sahel im Unterschied zum jetzt ebenfalls vom Westen aufgegebenen Afghanistan gar nicht wenige. Nur in Mauretanien bilden sie eine winzige Minderheit. Doch auch diese hat einen schweren Stand gegenüber einem zunehmend radikalen und militanten Islam. In Mali hat die Gewalt gegen die christliche Zivilbevölkerung in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Zwischen April und Juni 2021 sind 527 Menschen getötet, verletzt oder entführt worden. Das entspricht einem Anstieg von 25 Prozent gegenüber den ersten drei Monaten des Jahres.
Burkina Faso zu einem Viertel christlich
In Burkina Faso sind sogar ein Viertel der 20 Millionen Einwohner Christen. Doch mussten – wie die Union des Eglises Evangéliques Baptiste mitteilt, hunderte Kirchen aufgrund von dschihadistischen «Aktivitäten» geschlossen werden. Baptisten, Evangelikale und Pfingstgemeinden sind viel stärker betroffen als christliche Grosskirchen. In Niger wurden nach schweren Terrorangriffen UNO-Schätzungen zufolge mehr als 10’000 Menschen in die Flucht getrieben. Im tschadischen, lang von Bürgerkriegen heimgesuchten Krisengebiet wirkt schon 60 Jahre aus Moutier im Berner Jura segensreich die «Evangelische Mission im Tschad».
Christen ergreifen die Initiative
Von den Franzosen nun ihrem Schicksal überlassen, bleiben die Christen im Sahel aber nicht untätig. Am letzten August-Wochenende haben sie sich in Bamako, der Hauptstadt von Mali, mit gemässigten Muslimen zusammengesetzt. Unter den evangelischen Teilnehmern waren von der Eglise Evangélique des Assemblées de Dieu der bekannte Pastor Jireh Bandzamambou Bouya. Er ist in Mali als «Durchhaltepfarrer» bekannt.
Bouya hatte seine Gemeinde in Timbuktu auch während wiederholter Besetzung und Verwüstung durch verschiedene Terrormilizen nicht verlassen. Von katholischer Seite kam der Kardinalerzbischof von Bamako, Jean Zerbo. Als gesprächsbereite Muslime fanden sich Vertreter des offiziellen «Hohen Islamischen Rates» und vor allem Imam Mahmoud Dicko ein. Er steht als «gewaltloser Salafist» den Christen nahe, ist aber auch bei den gewalttätigen Gruppen angesehen. Die Aussprache schloss mit einem Friedensgebet und dem Appell zu gegenseitiger Achtung. Dazu brauche es keine «postkoloniale Militärpräsenz»!
Zum Thema:
Gebet für Afrika: Ein virtueller Lauf durch die Sahelzone
«Beispiellose humanitäre Krise»: Burkina Faso: Hilferuf der Kirche
Mit Mut und Nächstenliebe: Christen in der Sahelzone wollen sich gewaltlose wehren
Autor: Heinz Gstrein / Fritz Imhof
Quelle: Livenet