Bulgarien
Neues Religionsgesetz will Minderheitenkirchen abwürgen
30 Jahre nach dem Ende des Kommunismus geraten Evangelische und Katholiken in Bulgarien erneut unter das Joch drakonischer Bestimmungen, die ihre Existenz gefährden.
70 Jahre schon fordern die Vereinten Nationen mit ihrer Erklärung der Menschenrechte auch weltweite Religionsfreiheit. Diese wurde bis zum Ende des Ostblocks in erster Linie von den Kommunisten, weiter bis heute im Machtbereich des Islams, verletzt. Inzwischen nahm aber auch die frische Religionsfreiheit in postkommunistischen Staaten eine negative Entwicklung: Nationalreligiöse Ideologien begannen damit, der orthodoxen Kirche zunächst eine Vorrangstellung, inzwischen aber fast Exklusivität zu sichern. Ein besonders ungutes Beispiel dabei gibt neben Russland Bulgarien. Auf die anfängliche Befreiung aller christlichen Kirchen aus Verfolgung, Unterdrückung und Manipulierung folgte im März 2003 ein Religionsgesetz, das nur der Bulgarischen Orthodoxen Kirche selbstverständliche Freiheit sicherte, alle anderen Konfessionen jedoch zu staatlicher Registrierung zwang und damit genehmigungspflichtig machte.Jetzt soll es noch schlimmer kommen. Wie ein Hilferuf der Bulgarischen Evangelischen Allianz aufzeigt, droht ein neues Gesetz, das am 16. November im Parlament von Sofia beraten wird. Durch die vorgesehenen Bestimmungen werden die christlichen Minderheitskirchen Bulgariens nicht formell verboten, jedoch praktisch zum Aussterben verurteilt.
Verbot ausländischer Unterstützung
So dürfen Geld- und Sachspenden aus dem Ausland nur noch nach einer speziellen Genehmigung der Direktion für Glaubensbekenntnisse angenommen werden, die an ziemlich unerfüllbare Auflagen gebunden ist. Doch die evangelischen Christen Bulgariens wie zum Beispiel die Methodistische Kirche (EMKB) sind noch auf ausländische Hilfe angewiesen. Ohne Unterstützung durch das Gustav-Adolf-Werk hätten die Methodisten, die am Ende des Kommunismus nur drei Gemeinden zählten, auf heute 33 wachsen können. Ihre sozialdiakonischen Werke wie Suppenküchen, Alphabetisierungskurse und Gefängnisseelsorge, mit denen die EMKB einen wertvollen Beitrag zur Linderung der herrschenden Not in der Bevölkerung leistet, wäe aus eigener Kraft nicht mehr möglich. Staatliche Subventionen für Personal sowie Bildung, Wohltätigkeit, Bau und Reparaturen religiöser Gebäude sind nur noch für Glaubensgemeinschaften vorgesehen, die mindestens ein Prozent der bulgarischen Bevölkerung ausmachen – das trifft nur auf Orthodoxe und Muslime zu.
Faktisches Ausbildungsverbot für Pastoren
Öffentliche religiöse Handlungen sollen nur noch in eigens dafür registrierten, «kirchengemässen» Gebäuden erlaubt sein. Solche besitzen fast nur die Katholiken, während sich die evangelischen Freikirchen meist in Privathäusern und -räumen versammeln.
Eine weitere Gesetzesbestimmung verhindert jede Verjüngung der Pastorenschaft, überhaupt den gesamten Nachwuchs: Einerseits dürfen nur mehr Personen mit bulgarischem Pass und einer theologischen Ausbildung in Bulgarien als Geistliche tätig sein, anderseits erhalten nur noch die orthodoxe Kirche und muslimische Gemeinschaften das Recht, im Land Geistliche ausbilden.
Zusammenrücken und auf Solidarität hoffen
Positiv daran ist einzig, dass die gefährliche Entwicklung Bulgariens christliche Minderheiten zusammenführt. Bisher lebten evangelische und katholische Gemeinden nebeneinander her und versuchten, sich gegenseitig zu ignorieren. Zwar herrscht nicht mehr ihre alte Feindseligkeit gegeneinander. Aber das ist zu wenig, um die drohende Situation zu meistern. Bulgariens Evangelische und Katholiken brauchen ebenso ein Zusammenrücken wie sie auf Beistand und Solidarität der christlichen Welt angewiesen sind.
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Autor: Heinz Gstrein / Fritz Imhof
Quelle: Livenet