Situation in EU-Staat «dringend»
Bulgarien: Christen gehen für Freiheit auf die Strasse
Bereits an zwei Sonntagen haben Christen in Sofia, der Hauptstadt Bulgariens, friedlich gegen einen Gesetzesentwurf protestiert, der die Religionsfreiheit und besonders die Rechte religiöser Minderheiten drastisch einzuschränken droht.Ein neues Religionsgesetz in Bulgarien soll die Rechte religiöser Minderheiten stark einschränken. So sollen Gottesdienste in Hauskirchen, Pastoren ohne bulgarischen Pass und religiöse Schulen für kleine Religionsgemeinschaften in Bulgarien bald nicht mehr möglich sein (Livenet berichtete). Der Gesetzesentwurf trifft auf breite Kritik im Land; sowohl die katholische Bischofskonferenz als auch die Evangelische Allianz haben festgestellt, dass er «gefährlich, unpassend und diskriminierend» sei. Laut dem Medienmagazin pro haben die Entwürfe einen «Proteststurm unter allen Religionsgemeinschaften des Landes ausgelöst». Die Evangelische Allianz warnt davor, dass die «religiösen Rechte und die Religionsfreiheit der Kirchen, Konfessionen und religiösen Organisationen in unserem Land eingeschränkt werden».
«Besonders drastisch»
Unter den zahlreichen neuen Bestimmungen stechen laut dem Medienmagazin pro zwei Dinge hervor: Einerseits wird kleinen Religionsgemeinschaften die Religionsausübung erschwert. Andererseits ist es für Ausländer schwierig, sich in Bulgarien religiös zu betätigen. Beides trifft vor allem Katholiken und Evangelikale, die in Bulgarien jeweils weniger als ein Prozent der Bevölkerung stellen und vielfach auf ausländische Geistliche angewiesen sind. Ausschliesslich Religionsgemeinschaften, die mehr als ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, sollen in Zukunft in den Genuss einer staatlichen Förderung kommen – das sind in Bulgarien ausschliesslich Orthodoxe und Muslime. Laut Entwurf sind allein sie dazu berechtigt, konfessionelle Schulen zu unterhalten.
Dazu kommt, dass nur Personen mit bulgarischem Pass noch als Geistliche tätig sein oder in anderen Bereichen für Religionsgemeinschaften arbeiten dürfen – eine Bestimmung, die der Wiener Religionsrechtler Richard Potz für EU-rechtswidrig hält. Der Österreicher sieht in mehreren Ländern eine «Tendenz, restriktive Religionsgesetze zu erlassen», das bulgarische Gesetz sei aber «besonders drastisch». Eine weitere Einschränkung: Gottesdienste – das Gesetz spricht von «öffentlichen religiösen Handlungen» – dürften nur noch in eigens dafür registrierten Gebäuden stattfinden. «Das ist sicher verfassungswidrig. So etwas kann in Strassburg (Sitz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Anm. d. Red.) nicht halten», sagte Potz gegenüber pro.
Das bulgarische Religionsgesetz in der gegenwärtigen Form hält zwar fest, dass die «traditionelle Religion der Republik Bulgarien» die Orthodoxie sei, garantiert aber das Recht eines jeden auf Gewissens- und Glaubensfreiheit und drückt Respekt für «Christentum, Judentum und Islam sowie für andere Religionen» aus.
Traurige Erinnerung an kommunistische Vergangenheit
Der Gesetzesentwurf will einerseits radikale Einflüsse des bulgarischen Islam verhindern und andererseits die religiöse Dominanz der Orthodoxie sichern. Rumen Bordjiev, Präsident der Bulgarischen Evangelischen Allianz, erklärt: «Die Erinnerung an den Glauben von Brüdern und Schwestern, die vor uns gelitten haben, ist uns noch gut im Gedächtnis.» In einem Gespräch mit «Evangelical Focus» erklärte er, dass es in den letzten Jahren keine Handlungen islamistischer Gewalt in Bulgarien gegeben habe und dass Christen und Muslime friedlich zusammenlebten.Sozial- und Drogenarbeit gefährdet
Für die evangelischen Christen seien die Folgen des Gesetzes aber dramatisch. So gebe es Tausende von Hauskirchen, viele davon unter Roma, die sich nicht mehr versammeln dürften. Alle Pastoren und Sonntagschullehrer, die im Ausland studiert haben oder keinen bulgarischen Pass besitzen, würden dispensiert. Denn die beiden evangelischen theologischen Ausbildungsstätten des Landes sind zwar registriet, aber nicht staatlich «akkreditiert». Und wenn ausländische Unterstützung illegal würde, müssten viele kleinere Kirchen, vor allem wiederum unter Romas, schliessen. Diese kleinen Gemeinden betreiben viel Sozial- und Drogenarbeit.
Die bulgarische Religionsbehörde wurde unter dem kommunistischen Regime gegründet, um das religiöse Leben im Land zu überwachen. Mit dem neuen Religionsgesetz würde die Situation im Land «viel schlimmer als zur Zeit des Kommunismus», und das sei gar nicht in Worte zu fassen, so Bordjiev.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Medienmagazin PRO / Evangelical Focus