Willow kommt nicht zur Ruhe
Steve Carter tritt nach neuen Enthüllungen um Hybels zurück
Nächster Schock für die Willow Creek Gemeinde in Chicago: Nachdem ein Bericht in der New York Times weitere schwere Anschuldigungen gegen den Gründer Bill Hybels an den Tag brachte, erklärte Pastor Steve Carter am Sonntag (5. August 2018) seinen sofortigen Rücktritt. Er sehe sich nicht mehr in der Lage, der Kirche vorzustehen, gab er wenige Tage vor dem weltweiten Leiterschafts-Kongress der Bewegung bekannt.Die neuen Vorwürfe, welche in der New York Times publiziert wurden, bezeichnet Steve Carter in seinem Rücktrittsschreiben als «horrifying», also entsetzlich oder grausam. Diese neuen Enthüllungen hätten ihn gezwungen, selbst Konsequenzen zu ziehen. «An diesem Punkt kann ich nicht mehr mit gutem Gewissen vor euch als euer leitender Lehrpastor stehen, auch wenn mich dies sehr betrübt», schreibt Carter in seinem Blog und entschuldigt sich gleichzeitig für die Fehler, die er begangen habe.
«Er berührte wiederholt meine Brüste»
Zu diesem Schritt sah sich Steve Carter gezwungen, nachdem die ehemalige Assistentin von Bill Hybels, die heute 65-jährige Pat Baranowski, in der New York Times vom letzten Sonntag, 5. August 2018, präzise Details über die Art der sexuellen Belästigung preisgab. Hybels habe wiederholt ihre Brüste berührt und sich an ihr gerieben. Einmal sei es sogar zu Oralsex gekommen. Zudem habe der einflussreiche Pastor sie gebeten, mit ihm als Forschungsprojekt Pornos zu schauen.
Pat Baranowski ist nicht die erste und lange nicht die einzige Frau, die Bill Hybels Fehlverhalten vorwirft (laut New York Times waren es bisher zehn Frauen), doch ihre Anschuldigungen wiegen am schwersten. Sie habe damals geschwiegen, weil sie der Gemeinde, die sie so liebte, keinen Schaden zufügen wollte.
Hybels streitet alle Behauptungen ab
Der Gründer und langjährige Hauptpastor der Willow-Creek-Gemeinde gab aufgrund der Anschuldigungen Anfang April 2018 bekannt, dass er sein Amt mit sofortiger Wirkung abgebe (Livenet berichtete). Die Anschuldigungen selbst wies er damals entschieden zurück. Dies hat sich auch nach den schweren Vorwürfen von Pat Baranowski und weiteren Frauen nicht geändert. Gegenüber der «Times» schrieb er per Mail: «Ich hatte nie eine unangemessene körperliche oder emotionale Beziehung zu dieser Frau, weder zu jener Zeit noch danach.»Heather Larson und Steve Carter, die beiden Nachfolger in der Gemeindeleitung, schenken diesen Worten keinen Glauben mehr. Heather Larson, die weiterhin als leitende Pastorin der Willow Creek-Bewegung vorsteht, sagte im Willow Creek TV: «Ich glaube den Frauen, die von den Übergriffen sprechen. Unsere anfängliche Behauptung, die Vorwürfe der Frauen seien Lügen, war falsch. Ich bitte um Vergebung, dass ich persönlich dies nicht früher gemerkt habe. Die Frauen haben mit ihren öffentlichen Stellungnahmen Mut bewiesen.»
Carter: «Ich bin nicht schuldlos an dieser Sache»
Auch Steve Carter bittet in seinem Rücktrittsschreiben um Vergebung für die Fehler, die er begangen habe: «Ich stelle fest, dass ich nicht schuldlos bin in dieser Sache. Ich übernehme volle Verantwortung für meine Taten, welche zum ungerechten Umgang mit diesen Frauen beigetragen haben. Ich wünschte, ich hätte diesen Frauen mehr zugehört und mich für sie eingesetzt.»
Carter wies in seinem Blog auch darauf hin, dass er und die Ältesten unterschiedliche Auffassungen hätten, wie Willow Creek aus diesen schwierigen Zeiten herausgeführt werden könnte. Deshalb habe er bereits vor Wochen mit dem Gedanken gespielt, von seinem Amt zurückzutreten. Nach den neuen Enthüllungen habe sich diese Entscheidung nun nicht mehr länger aufschieben lassen.
Wenige Tage vor dem Global Leadership Summit
Der Zeitpunkt der neuen Enthüllungen ist insofern fatal, als in wenigen Tagen das jährliche «Global Leadership Summit» (GLS) der Willow Creek Association eröffnet wird. Dieser Kongress wird auf der ganzen Welt an 690 Orten live übertragen. Das «Summit» hat nach dem Skandal um Hybels bereits mehr als 100 Veranstaltungsorte und Partner-Webportale, welche den Anlass in der Vergangenheit gestreamt haben, verloren.
«Die Glaubwürdigkeit des GLS ist durch die Hybels-Kontroverse untergraben worden», wird etwa Scot McKnight, Autor, Blogger und Professor für Neues Testament am Northern Seminary bei Christianity Today zitiert. Vor allem Willow Creeks Reaktion auf die Anschuldigungen hätte langfristigen Schaden angerichtet, glaubt McKnight. «Was ich weiss, ist folgendes: Bill Hybels und Willow Creeks Führung haben 40 Jahre Vertrauen für viele zunichte gemacht.»
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Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet / New York Times / Christianity Today