Türkei nicht reif für die EU: Minderheiten werden benachteiligt

Wetzlar. Die türkische Regierung soll den dort lebenden ethnischen und religiösen Minderheiten dieselben Rechte zugestehen wie den muslimischen Staatsbürgern. Solange dies nicht geschehe, komme die Türkei für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) nicht in Betracht, hiess es auf einer Veranstaltung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und des CDU-Kreisverbandes Lahn-Dill in Wetzlar.

Dabei berichteten Vertreter der Armenier, Assyrer und Kurden über die Menschenrechtslage in der Türkei. Sie warfen der türkischen Regierung vor, die jeweilige Sprache und Kultur dieser Völker zu unterdrücken und die Religionsfreiheit zu beschneiden. Ilyas Kevork Uyar (Trier) von der Deutsch-Armenischen Gesellschaft sagte, die rund 65.000 Mitglieder der Armenisch-Apostolischen Kirche würden in der Ausübung ihres Glaubens massiv behindert. Die Kirche dürfe keine Geistlichen ausbilden und müsse Kirchenrenovierungen durch zahlreiche staatliche Stellen genehmigen lassen, unter anderem durch das Aussenministerium. Dies zeige, welchen Status die Armenier in der Türkei hätten. Ausserdem komme es zunehmend zu entschädigungslosen Enteignungen armenischen Immobilienbesitzes durch den Staat. In den vergangenen Jahren seien den armenischen Kirchengemeinden in Istanbul 40 Immobilien enteignet worden. Auf diese Weise werde versucht, der Minderheit die Einnahmequelle zur Finanzierung ihrer Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen zu entziehen. Die türkischen Medien verbreiteten anti-armenische Propaganda. Uyar beklagte ferner, dass die türkische Regierung nach wie vor den Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern im Jahre 1915 leugne.

Willkür und Schikanen

Sabri Alkan (Wiesbaden) vom Zentralverband der Assyrischen Vereinigungen in Deutschland beklagte, dass auch diese Bevölkerungsgruppe Willkür und Schikanen türkischer Behörden und der muslimischen Bevölkerung ausgesetzt sei. Als Folge von Verfolgung und Vertreibung lebten nur noch 2.500 syrisch-orthodoxe Christen im Tur Abdin im Südosten des Landes. Der Büroleiter des Internationalen Menschenrechtsvereins der Kurden, Abubekir Saydam (Bonn), sagte, die seit 1923 bestehende türkische Republik sei noch nie bereit gewesen, ethnische und religiöse Minderheiten anzuerkennen. Wer Rechte für diese Volksgruppen einfordere, müsse auch heute damit rechnen, vor Gericht gestellt zu werden.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer (Wetzlar) sagte zu einem möglichen EU-Beitritt der Türkei, man müsse an dieses Land die gleichen Massstäbe anlegen wie an alle anderen Mitgliedsstaaten. Dazu zähle die umfassende Einhaltung der Menschenrechte. Während die Christen in der Türkei in ihren Rechten beschnitten seien, genössen die Muslime in Deutschland uneingeschränkte Religionsfreiheit. Sie verfügten über mehr als 2.000 Moscheen. Irmer: “Ich bin allerdings nicht der Auffassung, dass wir Minarett und Gebetsruf akzeptieren müssen.” Daran sei die Ausübung der Religion nicht gebunden.

Der Referent der IGFM für Religionsfreiheit, Walter Flick (Frankfurt am Main), wies darauf hin, dass in der Türkei seit 1923 keine einzige Kirche gebaut werden durfte. Der Anteil der dortigen Christen sei von rund 20 Prozent zu Beginn des Jahrhunderts auf 0,3 Prozent gesunken. Der IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin, ermunterte deutsche Touristen, sich bei einem Türkei-Urlaub nicht nur an den Strand zu legen. Sie sollten den Kontakt mit christlichen Gemeinden suchen und damit deutlich machen: “Wir sind mit Euch solidarisch.”

Datum: 17.06.2002
Quelle: idea Deutschland

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