Wie alt ist die Menschheit?
«Nur ein Kurzzeitrahmen macht Sinn»
Die Menschen im Paläolithikum lebten wesentlich besser als in späteren Jahren, hält der Forscher Michael Brandt in seinem Buch «Wie alt ist die Menschheit» fest. Dennoch wuchs die Bevölkerung damals scheinbar nicht. Aus verschiedenen Gründen stellt Brandt deshalb die Zeitdauer von zwei Millionen Jahren in Frage.
Livenet: Michael Brandt, wie alt ist die Menschheit?
Michael Brandt: Wenn man vom Alter der Menschheit redet, muss man zunächst fragen, wer die ersten Menschen waren. Unbestritten fossil nachgewiesen ist der Homo erectus. Datiert wird er radiometrisch auf ein Alter von rund zwei Millionen Jahre, aus dem Grund, weil die Schichten, in denen die Fossilien gefunden wurden, so datiert werden. Das heute angegebene Alter der Menschheit geht also auf radiometrische Datierungen zurück.
Diese hohe Zahl kommt zustande, weil das Bevölkerungswachstum einst sehr gering zu sein schien. Weshalb war einst – im Paläolithikum – das Bevölkerungswachstum so niedrig?
Es ist ja nur so niedrig, wenn wir den konventionellen Zeitrahmen voraussetzen. Also diese zwei Millionen Jahre. Dadurch stellen wir fest, dass praktisch kein Bevölkerungswachstum in dieser Zeit stattgefunden hat. Anhand der Daten kann das aber überhaupt nicht sein.
Weltweit war im Mittelalter ein Wachstum von 0,1 bis 0,2 Prozent pro Jahr zu verzeichnen. Aber im Paläolithikum – wo es den Menschen aus mehreren Gründen wesentlich besser ging – wird ein Wachstum von nur 0,0004 Prozent angenommen. Doch eigentlich müssten es mindestens 1 Prozent gewesen sein. Der Gesundheitszustand war gut wie die Körpergrössen zeigen und es war reichlich Grosswild vorhanden. Krankheiten waren damals nicht gefährlich, Epidemien konnten nicht auftreten. Die Menschen lebten besser als im Mittelalter und dennoch soll kein Wachstum stattgefunden haben. Diesen Widerspruch kriegt man nur weg, wenn alles in viel kürzerer Zeit abgelaufen ist. In einem Kurzzeitrahmen ist ein sinnvolles Wachstum vorhanden und nicht eines von nahezu null.
Zwei Altersabschätzungen, die von den radiometrischen Datierungen unabhängig sind, bieten sich an:
1. die Geschwindigkeit des Bevölkerungswachstums
2. die Menge an hinterlassenen Steinwerkzeugen der Menschen
Mit beiden Themen beschäftige ich mich ausführlich in dem Buch «Wie alt ist die Menschheit?»
Welche Beispiele sprechen für einen jüngeren Zeitrahmen?
Ein wichtiger Punkt ist, wie es den Jägern und Sammlern früher betreffend der Ernährung ging. Die Lebensbedingungen waren damals bei den Jägern und Sammlern viel besser als z.B. im Altertum und im Mittelalter. Darum ziehe ich diese zum Vergleich heran. Also müsste das Wachstum sehr viel höher gewesen sein. Das ist ein eklatanter Widerspruch, mit dem ich mich ausführlich befasse.
Warum ging es den Menschen damals besser?
Heute denkt man manchmal, damals sei unter Ach und Krach am Rande des Existenzminimums gelebt worden. Doch das stimmt nicht. Die Menschen lebten besser als dies später der Fall war. Sie ernährten sich unter anderem reichlich von Grosswild. Weil die Bevölkerungsdichte damals sehr gering war, war das problemlos möglich. Es war eine Bevölkerung, welche die Erde eroberte. Man sieht das bei den Paläolithikern auch an der Körpergrösse im Vergleich zu später, das zeigen Skeletüberreste. Im Durchschnitt ist die Grösse auch ein Hinweis auf das Wohlergehen eines Volkes.
Betreffend Krankheiten waren die Menschen damals recht gesund. Das hängt damit zusammen, dass es Epidemien nicht geben konnte, weil die Bevölkerungsdichte viel zu gering war – anders als im Mittelalter. Das ist ein weiteres Beispiel aus meinem Buch. Die Bevölkerungszahl hätte also viel schneller wachsen müssen, doch der Fall scheint genau umgekehrt und das ist paradox. Und dieses Paradoxon kann nur aufgeklärt werden, wenn die Zeitachse gestaucht wird, unter der Voraussetzung, dass diese zwei Millionen Jahre nicht stimmen, sondern dass die Zahl nur einige tausend Jahre beträgt.
Warum ist das minimale Wachstum problematisch?
Wenn man den konventionellen Zeitrahmen der Menschheitsgeschichte voraussetzt, dann ist es völlig rätselhaft, warum die Jäger und Sammler der Altsteinzeit weltweit im Vergleich zu späteren Zeiten extrem langsam an der Zahl wuchsen. Die Altsteinzeit macht nach den radiometrischen Datierungen 99,5% der Menschheitsgeschichte aus. Das fehlende Wachstum ist deshalb so rätselhaft, weil es den Menschen in der Altsteinzeit im Vergleich zu späteren Zeiten zum Beispiel der Jungsteinzeit, Bronzezeit, Altertum, Mittelalter und frühe Neuzeit, aber auch im Vergleich mit heute lebenden Jägern und Sammlern wesentlich besser ging. Das mag überraschen, aber man muss bedenken: Der Frühmensch war ein kolonisierender Mensch mit allen damit verbundenen Vorteilen. Es gab für ihn reichlich Nahrung. Die heute lebenden Jäger und Sammler ernähren sich viel schlechter als es die Jäger und Sammler der Altsteinzeit taten.
Was ist mit Epidemien und Kriegen?
Die Bevölkerungsdichte in der Altsteinzeit war viel zu gering für Epidemien, wie sie später auftraten. Epidemien konnten erst später in Erscheinung treten, als die Welt dichter besiedelt war. Auch kriegerische Auseinandersetzungen mit vielen Toten sind erst ab der Mittelsteinzeit und Jungsteinzeit bekannt. Kriege und Hunger konnten die Jäger und Sammler in der Altsteinzeit weltweit nicht immer wieder dezimiert haben. Wichtig ist: Wir sprechen immer von der Weltbevölkerung, nicht von regionalen Bevölkerungen.
Massentötungen geschahen nachweisbar erst in der Jungsteinzeit. Wir stellen fest, dass vorher alle Voraussetzungen besser waren.
Das kaum feststellbare Wachstum kollidiert dermassen mit den Daten, dass wir diese Zeitachse verkürzen müssen. Dann können die Daten sinnvoll gedeutet werden. Das geht einzig in einem Kurzzeitrahmen, nur darin machen die gefundenen Daten Sinn. In einem Langzeitrahmen bleiben sie paradox und unerklärlich.
Zum Buch:
«Wie alt ist die Menschheit?» (Schweiz / Deutschland)
Zur Webseite:
Wort und Wissen
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet