Evangelische Medienarbeit
Vier Chefredaktoren im Talk: «Wir müssen mehrgleisig fahren»
Wie haben die evangelischen Medien in der Schweiz die Corona Krise bewältigt? Was haben sie gemeinsam und wie unterscheiden sie sich? Vier Chefredaktoren tauschten ihre Erfahrungen im Livenet-Talk aus.Im Livenet Talks vom 20 August nahmen die Chefredaktoren Michael Bischoff (Fenster zum Sonntag), Rolf Höneisen (idea Spektrum), Hansjörg Keller (Life Channel) und Florian Wüthrich (Livenet) teil. Moderiert wurde das Zoom-Gespräch von Annina Morel. Alle vier Werke haben ein Jubiläum gefeiert oder sind noch daran.
Livenet ist 20 Jahre alt geworden und feiert das Jubiläum mit mehreren Veranstaltungen. Das Fenster zum Sonntag gibt es seit 25 Jahren und das Radio Life Channel seit 15 Jahren. Idea Spektrum feierte letztes Jahr 20 Jahre.
Die gleichen Spender, aber andere Zielpublika
Die vier Chefredaktoren sind sich klar darüber, dass ihre Unterstützer und Spenderinnen weitgehend aus dem gleichen Spektrum kommen. Dennoch unterscheiden sich ihre Zielpublika wesentlich. Das Fenster zum Sonntag muss sich auf ein weithin säkulares Zielpublikum ausrichten, auch wenn es von vielen Christen gesehen wird. Ähnlich Radio Life Channel. Idea Spektrum wendet sich an engagierte und interessierte Christen, während Livenet einerseits ein christliches Publikum bedient, aber mit Jesus.ch und Verteilzeitungen Menschen für den christlichen Glauben gewinnen will.Hansjörg Keller brachte es auf den Punkt: Wir wollen das Evangelium in verständlicher Sprache unter die Leute bringen. Und Florian Wüthrich ergänzte: «Wir haben alle Jesus im Zentrum, unsere gemeinsame Schnittmenge ist das Evangelium.»
Konkurrenz belebt
Ein Spezialfall ist das idea Spektrum. Rolf Höneisen betonte dazu: «Wir kommunizieren auch innerkirchlich als eine Informationsplattform und mit inspirierenden Beiträgen.» Hier gibt es auch eine Schnittmenge mit Livenet, das zahlreiche Beiträge von idea übernimmt oder auch eigene an idea weitergibt. Die vier Chefredaktoren waren sich darin einig, dass die gemeinsame Herausforderung grösser sei als die interne Konkurrenz. Rolf Höneisen dazu: «Eine gewisse Konkurrenz belebt und motiviert uns, noch besser zu werden. Wir haben es aber geschafft, gut nebeneinander zu leben und doch aufeinander zuzugehen, wo es Sinn macht.»
Durch die Krise herausgefordert
Der Hauptteil des Gesprächs drehte sich aber um die Bewältigung der Pandemie. Sie hat die vier Medienwerke unterschiedlich getroffen und herausgefordert. Insbesondere idea Spektrum und Livenet waren gefordert, auf die Fragen und Interessen ihrer Leserschaft zu hören und glaubwürdige und nachvollziehbare Antworten in Form von Texten und Talks (Livenet) zu geben. Idea wagte es dabei, das Thema «Endzeit» zu bearbeiten, unter anderem mit einem Essay von René Christen. Livenet veranstaltete Talks mit Pastoren und Verbandsleitern sowie Fachleuten.Life Channel sah sich gefordert, die Fragen eines breiteren, auch säkularen Publikums aufzunehmen. Dabei habe man auch auf die eigenen Mitarbeitenden gehört, so Hansjörg Keller. «Wir mussten uns neu organisieren. Auch in den Produktionsabläufen.» Vom Thema nicht ganz so direkt betroffen war das Fenster zum Sonntag. «Wir müssen längerfristig planen», so Michael Bischoff. Dennoch: «Wir waren herausgefordert, trotz Corona auch mit Teams zu arbeiten. Wir mussten Projekte absagen oder anpassen. Schnittarbeiten wurden vermehrt zuhause gemacht. Vor 10 Jahren wäre vieles nicht möglich gewesen, wir hätten vorübergehend schliessen müssen.»
Eine Kirche im Dienst der Pandemie-Bekämpfung
Die vier Chefredaktoren konnten sich in der Folge über höhere Zuschauer- und Zuhörerzahlen und wesentlich höhere Klickraten freuen. Und idea-Chefredaktor Rolf Höneisen stellte fest: «Schlechte Zeiten sind aber für Medien spannend.» Idea musste sich damit arrangieren, dass die Veranstaltungen, über die normalerweise berichtet wird, plötzlich ausfielen und die Seiten neu gefüllt werden mussten. Dafür gab es andere News, zum Beispiel die Umnutzung einer Kirche zu einer Corona-Teststation in Basel. Dass sowohl die meisten idea- wie Livenet-Mitarbeitenden schon in normalen Zeiten im Home Office arbeiten, erleichterte die Organisation.
Soziale Distanzierung?
Was hat die Krise die evangelischen Medien gelehrt? Hansjörg Keller: «Wir müssen glaubwürdig berichten, nicht die Krise bewirtschaften. ... Wir müssen die Menschen abholen, wo sie sind und auf ihre Fragen und Sorgen hören. Und glaubwürdige Antworten geben.» Idea beobachtete Entwicklungen und kommentierte neue Begriffe wie zum Beispiel «Social Distancing». Höneisen: «Was heisst das für die Kirche? Soziale Distanzierung? Was bedeutet es, dass sich auch Christen nicht mehr treffen dürfen?»
Für Livenet hiess das zum Beispiel, kritisch gegenüber Fake News und Verschwörungstheorien zu bleiben. Aber auch Antworten auf die Frage zu geben: «Wo ist Gott in dieser Krise?» Oder aber: «Wie gehen Christen damit um, dass die Restaurants öffnen dürfen und die Kirchen und Gemeindesäle geschlossen bleiben?» Das idea Spektrum entdeckte während der Krise, dass im Alten Testament Hygieneregeln gegeben werden, die plötzlich ungeahnte Aktualität erhielten. Und er freute sich über das Interview mit Bundesrat Parmelin, der bekannte: «Ich spüre, dass Gott mir nahe ist».
Die Botschaft der Zukunft
Was die Zukunft betrifft, sind sich die Chefredaktoren einig, dass das Publikum über immer mehr Kanäle angesprochen werden muss. Facebook, Youtube, Netflix ... Immer neue Netzwerke gehen online und ziehen zum Beispiel die Jugend an. Jedes Medium hat seine Herausforderungen und Gesetze.Für alle ist klar: «Wir müssen mehrgleisig fahren.» Livenet greift dazu auch auf ältere Medien wie Verteilzeitschriften zurück, weil damit ein bestimmtes Publikum mit regionalen Bezügen erreicht werden kann. Es gilt laut Hansjörg Keller: «Das gleiche Evangelium auf mehreren Kanälen.» Und: Nicht zu vergessen sei dabei die Wirkung der Musik. Florian Wüthrich setzte den Schlusspunkt mit der Aussage: «Jesus verändert Leben. Dafür stehen wir!»
Den Talk in voller Länger anschauen:
Zum Thema:
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Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet