Psalmen im Jahr 2016

«Herr, was sagst du zu uns in unserer Ohnmacht?»

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Niemand zu klein, ein Psalmist zu sein. Dies sagte sich eine Klasse von Schweizer Christen in einer theologischen Weiterbildung der BewegungPlus. Sie fassten Ihre tiefsten Gedanken, Hoffnungen und Nöte in Gebete, ähnlich wie dies einst David tat. Livenet publiziert einige dieser neuzeitlichen Psalmen und ermutigt Sie, diese im Stillen mitzubeten.

«Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen», verspricht Jesus im Matthäusevangelium (Kapitel 18, Vers 20). Diese besondere Kraft, wenn Christen miteinander im Gebet vor Gott kommen, erlebte vor ein paar Wochen eine Klasse von Schweizer Christen in einer theologischen Weiterbildung der BewegungPlus.

Einander beim Beten zuhören

Der Auftrag war, selbst einen Psalm zu schreiben, so wie dies einst König David und andere Psalmisten taten. Dabei spielte keine Rolle, ob am Ende ein Klagepsalm, ein Loblied, ein Weisheitspsalm oder ein Busspsalm resultiert. Jeder sollte einfach seine Gedanken und Gefühle wie in einem Gebet ausformulieren. Das Ergebnis war erstaunlich. Einer der Teilnehmer beschreibt, wie er es erlebte: «Es war total berührend zu hören, was andere Christen heute quält oder ihnen Mut macht.»

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Matthias Wenk
Matthias Wenk, Pastor der BewegungPlus in Burgdorf und Leiter der theologischen Weiterbildung, wies auf die Kraft des gemeinsamen Hörens auf Gott hin. «Wenn wir einander beim Beten zuhören, ist das wie beim Meditieren von Psalmen: Unsere Worte an Gott werden zu Gottes Wort für die anderen.»

Mit freundlicher Genehmigung der Autoren publiziert Livenet hier ein paar dieser neuzeitlichen Psalmen, in der Hoffnung, dass auch Sie als Leserin und Leser inspiriert und ermutigt werden:

Meine Kräfte schwinden

Herr warum zeigst du dich mir nicht?
Warum hältst du dich verborgen?
Du siehst doch, wie ich mich wieder mal quäle;
Herr ich verlange eine Antwort oder Handlung von dir.
Wann erhalte ich Hilfe von dir?
Du willst, dass ich in dieser Situation viel lerne, doch wann ist genug?
Vater, du hast mich schon durch manches dunkle Tal begleitet, so verlass mich jetzt auch nicht.
Du siehst meine Kräfte schwinden. Ich bin müde. Bleib bei mir und trage mich hindurch.
Herr ich vertraue auf dich und gelobt seist du.
Amen

 

Was sagst du?

Was sagst du zu den Flüchtlingsströmen, die Europa erreichen?
Was sagst du zu den Menschenmengen, die ihre Heimat verlassen müssen?
Was sagst du zu den Menschen, die aus dem Ausland hier landen?
Was sagst du zu den trostlosen Bildern im Mittelmeerraum?
Was sagst du zu den Kindern, die Krieg und Flucht erleben?
Was sagst du zu Asylanten, die sich abgelehnt fühlen?
Was sagst du zu den Schweizern, die sich bedroht fühlen?
Was sagst du zur Regierung, die mit der Situation überfordert ist?

Herr, sag etwas.
Was sagst du zu den Menschen, die die Not nicht aushalten?
Was sagst du zu den Kirchen, die sich investieren wollen?
Was sagst du zu den Leuten mit finanziellen Ressourcen?
Was sagst du zu all denen, die an der Situation zerbrechen?
Was sagst du zu uns in unserer Ohnmacht?

Herr, sag etwas. Herr greife ein.
Herr schenke Trost. Herr erbarme dich.

 

Wege

Warum Herr sind Menschen gleichgültig dir gegenüber?
Warum kümmert es sie nicht, ob es dich gibt oder nicht?
Warum schieben sie diese Frage vor sich hin und leben ohne dich?
Ich kann nicht verstehen, dass einem das eigene Wohl wichtiger ist als alles andere.
Mein Gott, ich bin traurig über die vielen Menschen, die das eigene Vergnügen an erste Stelle setzen.
Die das Geld und sich selbst anbeten.
Du, du bist nicht so.

Jesus, du bist den andern Weg gegangen.
Verzicht, Leidenschaft, Einsatz für den Schwachen.
Und du hast das Rennen nach Geld und Vergnügen entlarvt als Götzendienst.
Hilf mir, diesen Weg auch zu gehen.
Hilf mir, einen Weg zu gehen, den viele nicht verstehen.
Das fällt mir nicht leicht. Lieber würde ich mich anpassen.
Aber das geht nicht!
Ich will deinen Weg gehen!

 

Es tut uns leid, Herr, es tut uns leid.

(geeignet für den Einstieg in einen Gottesdienst)
Bitte vergib uns unsern Egoismus, unsere Hartherzigkeit, unsern Stolz. Hab Erbarmen mit uns.
Bitte verstosse uns nicht. Wir stehen hier vor dir, mit geneigtem Haupt und demütigem Herzen.

Es tut uns leid!
Bitte vergib uns. Wer sind wir schon, um vor Dich zu kommen, grosser Gott? Hab Erbarmen mit uns!
Bitte richte uns wieder auf durch Deine Gnade und Vergebung.
Es tut uns leid, Herr, es tut uns leid!

Du bist ein grosser und gerechter Gott! Wir haben es nicht verdient, deine Kinder genannt zu sein.
Und doch ist deine Liebe zu uns so gross, dass du deinen Sohn für unsere Sünde am Kreuz grausam hast sterben lassen.

Es tut uns Leid, Herr, dass wir so leichtfertig mit deiner Gnade umgehen. Deine Liebe ist so unbegreiflich gross, Deine Geduld so unendlich lang.
Uns fehlen die Worte, um dir zu danken, um dich zu loben für alles, was du für uns getan hast und immer wieder tust.
Danke Vater, danke!

Lieber Gott, wir sind jetzt hier zusammen, sei es aus Gewohnheit, sei es aus Ehrfurcht, sei es aus Freude, sei es, weil wir neugierig sind, sei es, weil wir Antworten suchen, sei es, weil wir Heilung erwarten, sei es, weil wir wollen, dass du eingreifst, sei es, weil wir dich loben wollen.

Jeder von uns hat seinen Grund, seine Fragen an dich, seine Zweifel, seine Freude in dir, sein Leid.
Gemeinsam stehen wir jetzt hier und bringen es dir, stehen füreinander ein, dienen einander.
Damit wir etwas erleben, sei es Trost, Mut, Lebensfreude, Ermutigung, Heilung, Friede, Gemeinschaft.

Lieber Gott, unbegreiflicher Gott, wir möchten zu dir auch bringen unsern Frust, unsere Wut, unser Leid, unser Unverständnis.

Hör dir unsere Gebete an. Und lass uns in allem Wissen:
Du bist gerecht, auch wenn wir es nicht begreifen.
Du hast uns lieb, auch wenn wir es nicht spüren.
Du heilst, auch wenn wir es nicht sehen.

Barmherziger Gott, öffne unsere Augen, öffne unser Herz und lass uns eins sein.
Amen.

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Datum: 10.04.2016
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet

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