Livenet-Talk
Was können wir für den Frieden tun?
Friedenstiften liegt Johannes Czwalina am Herzen. Der Coach hat diverse Friedensprozesse in Politik und Wirtschaft begleitet. Einer seiner Hauptgedanken ist: «Man muss die Vergangenheit verstehen, wenn man die Gegenwart verstehen will.»
Schon das Titelbild seines Buches «Die Wirklichkeit einblenden» drückt sehr bewegend aus, um welchen Zusammenprall von verschiedenen Welten es hier geht. Das Buch ist von 2017, aber es bezieht sich auf die Ukraine, und dieser Zusammenprall von zwei Welten wiederholt sich heute wieder. Hier geht es um Hintergründe. Wenn wir diese nicht lösen, werden wir das Problem in der Ukraine nicht lösen, so Czwalina im Livenet-Talk, der von Reinhold Scharnowski moderiert wird. Um welche Hintergründe geht es konkret?
«Die meisten Prophezeiungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht eingetreten sind und die meisten Ereignisse, mit denen wir konfrontiert sind, zeichnen sich dadurch aus, dass sie nie prophezeit worden sind», so Czwalina. «Wir sind also im Moment alle geschockt von einer Situation, die so niemand erwartet hat. Die Frage steht im Raum: Warum gibt es hier keinen Frieden, was ist los?»
Persönliche Traumata und Volkstraumata
Vor ein paar Jahren schon dachte Johannes Czwalina darüber nach, warum es keinen fruchtbaren Friedensprozess in dieser Region gibt. Er kam zum Schluss, dass es nicht nur persönliche Traumata, sondern auch Volkstraumata gibt. Sozusagen eine kollektive Verletzung eines ganzen Volkes. Man kann etwa bei Deutschland sagen: Der Holocaust ist ein Trauma, dass die Leute bis heute bewegt. «Mir ist aufgefallen, dass der Holocaust nirgends schlimmer war als in der Ukraine. Und in Russland steht der nicht aufgearbeitete Gulag im Vordergrund. Man könnte ja heute sagen, der Kommunismus sei beendet, aber wenn man genau hinschaut, sieht man deutlich, dass die heutige Machtpolitik genau die Gleiche ist wie beim Kommunismus.»
Wirkliche Versöhnung gebe es nur durch eine komplette Aufarbeitung der Vergangenheit, ist der Theologe und Autor von mehr als zehn Büchern überzeugt. «Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist ein Schlüssel für den dauerhaften Frieden.» Ein Beispiel, wo das erfolgreich praktiziert wurde, sei Südafrika. «Ich habe damals den alten Präsidenten de Klerk besucht und ihn nach dem Geheimnis der Friedensfindung in Südafrika gefragt. Man wusste, dass wenn man nur eine politische Entscheidung trifft, die Wurzeln nicht getroffen werden und diese dann wieder spriessen. Vor einer Versöhnungskommission wurden Täter und Opfer gegenübergestellt und die Opfer wurden ermutigt, den Tätern zu vergeben. Diese Aufarbeitung war der eigentliche Schlüssel, weshalb in Südafrika so lange Friede herrschte.»
Eine persönliche Berührung
Man habe sich im Falle Ukraine nie die Zeit genommen, über schwerwiegende Ereignisse, die die Völker belasten, zu sprechen, zusammen zu kommen und Versöhnungsprozesse zu versuchen. Diese laufen aber anders als diplomatische Versöhnungsprozesse. Beim diplomatischen Versöhnungsprozess ist es dem Akteur verboten, mit den Betroffenen persönlich in Kontakt zu treten. Das heisst, er kann die Herzen nicht erreichen. Woran liegt es dann, dass Prozesse gelingen? Bei allen Friedensprotagonisten gab es eine persönliche Berührung, welche bewirkte, einen Schritt meistens in einer unkonventionellen Art und Weise vorwärtszugehen und dadurch Frieden zu schaffen.
Was können Christen zur Konfliktlösung beitragen?
Czwalina betont, dass wir einerseits alle ohnmächtig sind. Wir müssen aber jetzt alles daran setzen, um das Falsche zu vermeiden und das Richtige zu tun. «Welche Instrumente haben wir als Christen, die wir uns in diesem Machtszenario ohnmächtig fühlen? Was möchte ich in meinem Leben? Möchte ich ein Friedensträger werden oder einfach so weiterleben wie bisher?»
Czwalina ist überzeugt: «Die Menschen haben eine Sehnsucht danach, nach einer Lebensaufgabe zu suchen, die trägt und die sinnvoll ist, die sie von der Bedeutungslosigkeit erhebt. Da merke ich oft, dass sie sagen, ich kann das nicht, ich habe den Charakter nicht dazu. Da ist eine gewisse Faulheit, dass wir uns alle überlegen müssen, was die Hinderungsgründe sind, warum ich nicht selber auch im Kleinen einen Friedensträger werden kann.»
Der Charakter eines Menschen sei nicht einfach ein Erbgut, dem wir ausgeliefert sind, sondern er ist veränderbar. Das habe aber mit Arbeit und Mühe zu tun. «Wir müssen auch in unseren Gebeten dem Bösen Einhalt gebieten. Es gibt das Böse in dieser Welt. Im Augenblick ist Putin Träger des Bösen. Wir können einem solchen Menschen nicht nach unseren bisherigen Massstäben begegnen. Unsere Gebete sind eine grosse Waffe, auch wenn davon nichts in der Zeitung steht.»
Sehen Sie sich hier den gesamten Livenet-Talk an:
Zum Buch:
«Die Wirklichkeit einblenden»
Zum Thema:
Ukraine-Konflikt
Warm-up Führungskräfte-Forum: Unternehmensberater Czwalina: «Ich arbeite, weil ich wertvoll bin»
Russlands Krieg gegen die Ukraine: Jesus ehrt die Friedensstifter
Ukraine: Was können wir schon tun?
Autor: Dan Heger
Quelle: Livenet