Kirchen nach Lockdown
Susanna Bigger: «Die Zweisamkeit mit Gott gab mir Kraft!»
Für einige Kirchen war der
Lockdown schockierend und lähmend und das gesamte Kirchenleben lag brach,
andere nahmen die Herausforderung als Chance für Neues. Livenet sprach mit
mehreren Pastorinnen und Pastoren über Schönes und Schweres, über Lernfelder
und mögliches Neuland nach Corona. Susanna Bigger, Senior Pastor ICF Zürich, gibt
ehrliche Einblicke in ihr Privat- und Gemeindeleben.Wie haben Sie die Corona-Zeit als Pastorenehepaar und Gemeinde erlebt?
Susanna Bigger: Mein
Mann ist ein ausgeprägter Visionär. Solche Momente der noch nie dagewesenen
Krisen motivieren ihn – er läuft zur Höchstform auf! Das liebe ich an ihm! Ich
persönlich hätte mir aber mehr Zeit gewünscht, um gewisse Dinge aufzugleisen. Es
war herausfordernd, mithalten zu können oder ohne schlechtes Gewissen auch
einmal nicht mitzuwirken. Es hat uns als Pastorenehepaar in unserer Zusammenarbeit
gefordert und gefördert.
Wo
gab es Lichtblicke, Chancen, Weiterentwicklungen?
Wir sahen beide fast
ausnahmslos Chancen zur Weiterentwicklung, sei es charakterlich, persönlich oder
kirchentechnisch.
Gab
es Ermutigendes in Ihrem privaten Umfeld?
Wir haben eine Online-Gebetsstunde
lanciert, wo wir neben vier Online-Celebrations pro Sonntag von Montag bis Donnerstag
jeweils eine Stunde online vor der Kamera gebetet haben. Das hat mich zeitlich
und emotional voll in Anspruch genommen – und so habe ich mein privates Umfeld
neben der Familie fast komplett ausgeblendet. Sehr eindrücklich war aber, dass
ich auf meinen täglichen Gebetsspaziergängen oft Personen aus unserer Gemeinde
getroffen habe. Das waren besondere Begegnungen, wo wir uns gegenseitig
ermutigt haben.
Die Zeit ab Lockdown war aus mehreren Gründen sehr intensiv. Drei von vier Familienmitgliedern (wir haben zwei erwachsene Söhne) arbeiten in der Kirche mit, was ein Traum ist, aber ausgerechnet in solchen Ausnahmezeiten ist es sehr intensiv. Jeder entwickelt seine Strategien für seinen Bereich, und wir tauschen uns darüber aus. Die Rückzugszeiten waren von daher sehr beschränkt, für mich aber umso nötiger. Ich bin gezwungenermassen drei Stunden vor allen anderen aufgestanden, um einerseits Zeit für Reflektion, Auftanken und Fokussieren in der Gegenwart Gottes zu finden und andererseits ungestört Denkarbeit leisten zu können. So hatte ich Gott sei Dank täglich einen Song und einen Bibelvers, der mich durch den Tag begleitete. Ich habe die Kraft aus dieser Zweisamkeit mit Gott sehr schätzen gelernt in den drei Monaten und möchte es nicht mehr missen.
Wie
erleben Sie jetzt nach drei Monaten Lockdown die Kirchen-Lockup-Phase?
Durch unsere Online-Gottesdienste
hatte ich ausreichend persönliche Kontakte zu einem Teil von unseren
Mitarbeitern. Durch die Umstände waren die Gespräche in den Pausen oft sehr tiefgründig,
was mir sehr viel bedeutet. Die Gottesdienstbesucher haben
grossen Respekt vor den sonntäglichen Massenveranstaltungen. Es kommt erst ca.
ein Viertel der Besucher live. Ich hoffe, das ändert sich noch, weil Online-Celebrations
zwar sehr praktisch sind, aber eine echte Gottesdiensterfahrung auf Dauer
nicht ersetzen können.
Geht
es nach Corona zurück zum Business as usual oder haben Sie neue Ideen
und Konzepte für die Zeit danach?
Es gibt definitiv ein Vor und Nach
Corona. Das ist, als wenn man persönlich oder eben auch mit der Kirche durch
einen Tunnel geht und an einem anderen Ende des Berges herauskommt!
Welche
konkreten Schritte und Veränderungen planen Sie oder haben Sie schon
vorgenommen?
Online Church haben wir als eine
weitere Location entdeckt: sowohl für die Celebrations als auch für Konferenzen,
Kurse und Weiterbildungen. Zudem haben wir erlebt, dass Homeoffice, Online-Sitzungen
und neue Sitzungsstrukturen zu mehr Effizienz beitragen können.
Zur Webseite:
ICF Zürich
Zum Thema:
Dossier «Coronavirus»
Kirchen nach Lockdown: Patrick Noser: «Familienbeziehungen sollen gestärkt werden!»
Kirchen nach Lockdown: Konrad Blaser: «Es war eine geschenkte Segenszeit!»
Kirchen nach Lockdown: Johannes Wirth: «Ohne Gemeinschaft fehlt das wesentlichste Merkmal»
Autor: Meike Ditthardt
Quelle: Livenet