Umstrittene christliche Symbole
Positive Religionsfreiheit und ihre Grenzen
Wie weit sollen Kreuze und andere religiöse Symbole in der
Öffentlichkeit stehen bleiben und den Nichtchristen zugemutet werden?
Der Zürcher Professor für Praktische Theologie, Ralph Kunz, äussert dazu
überzeugende Gedanken.
Christliche Dominanz demonstrieren?
Ralph Kunz sagte vorerst ganz ungeschminkt: «Mit christlichen Symbolen in der Öffentlichkeit wird auch christliche Dominanz demonstriert». Es ist für ihn aber ein Unterschied, ob sich ein Kruzifix oder religiöse Malerei in einem Gebäude mit geschichtlicher Tradition befindet oder ob es neu gebaut wird. Insbesondere in einer Abdankungshalle, die von Christen, Agnostikern, Atheisten und Angehörigen anderer Religionen benützt wird. Sie wollen sich gerade in diesem sensiblen Moment nicht vorschreiben lassen, was sie glauben sollten.Eine pragmatische Sichtweise
Die Situation wird sich, wie Kunz richtig erkennt, dann ändern, wenn das Christentum in der Schweiz in die Minderheit gerät, und das wird eine Frage der Zeit sein. Heute aber geniesse das Christliche weiterhin eine hohe Akzeptanz, und so lange die Mehrheit der Bevölkerung einer christlichen Kirche angehöre, werde sie auch der Minderheit die christliche Kultur zumuten. Wo dies nicht mehr der Fall sei wie etwa in Ostdeutschland, mute man den Christen eine «neutralisierte Umgebung» zu. Zu Recht sieht Kunz hinter dem Streit um die Friedental-Halle nicht allein einen Symbol-Konflikt, sondern «es geht um Heimat und Zugehörigkeit». Er bestätigt auch, dass das Kreuz an sich schon immer polarisiert hat. Denn es ist ein Zeichen verfolgter Religion, aber auch von Gewaltanwendung wie in den Kreuzzügen. Umgekehrt verdichte kein Symbol das Christliche so stark wie das Kreuz.
Positive Religionsfreiheit
Christen dürfen also mit einer gewissen Gelassenheit reagieren, wenn religiös Distanzierte das Kreuz in Schulzimmern oder auf Berggipfeln weg haben wollen. Christlichen Minderheiten im islamischen Raum kommt es schon gar nicht in den Sinn, zum Beispiel die Entfernung von Minaretten zu fordern. Falsch wäre aber auch, den Bestand von Kreuzen im öffentlichen Raum per Gesetz vorschreiben zu wollen. In christlichen Symbolen steckt laut Kunz eine «Interpretationsmacht». Und diese nähre sich aus der «Gemeinschaft, die sagt: 'Dieses Symbol hat Bedeutung für uns.'» Zudem gelte gemäss dem Grundsatz der positiven Religionsfreiheit, dass Religionszugehörigkeit dem Einzelnen keine Nachteile bescheren dürfe, und das schliesse auch ein «beschränktes Recht auf symbolische Präsenz im öffentlichen Raum» ein.
Er warnt dennoch zu Recht davor, das Problem ignorieren zu wollen. Denn, so Kunz: «Wir sind eine Kultur, eine Gesellschaft, eine Kirche im Übergang.» Es brauche daher Geduld, «die strittigen Punkte der Symbolökonomie auszuhandeln».
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Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet
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