Krieg in der Ukraine

Mariupol: Freikirche rettet ganzes Kinderheim

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Kriegsschäden in Mariupol (Bild: Wikipedia / CC BY 4.0)
Von Mariupol sind nur noch rauchende Trümmer übrig. Sogar das Stadttheater wurde bombardiert, wo 1300 Zivilisten Zuflucht gesucht hatten: Hunderte sind in Kellern begraben. Doch das Vertrauen der letzten Christen in Jesus ist nicht zu erschüttern.

Die heutige Ruinenstadt Mariupol wurde erst Ende des 18. Jahrhunderts gegründet. Damals entschlossen sich die rund 15'000 auf der Krim unter islamischer Herrschaft übrig geblieben Christen, meist Griechen, geschlossen an die damals weitgehend unbewohnte Nordküste des Asowschen Meeres «umzusiedeln». Insgesamt sollten 20 Dörfer und in ihrer Mitte am Meer ein städtisches Zentrum entstehen. Im Frühjahr 1780 wurde der Bau der Stadt Mariupol aufgenommen. Schon 1783 begann ihre Industrialisierung mit einer Ziegelei, der bald zwei weitere folgten. Dazu kamen Giessereien und weitere Hüttenwerke, die schon damals die Grundlage für die spätere Entwicklung des «Donbass» zur Schmiede des Zarenreiches und der Sowjetunion legten.

Die «Judensteppe»

Da die Griechen von Mariupol nicht den ganzen Ansiedlungs-«Rayon» in Anspruch nahmen, der ihnen von Katherina der Grossen eingeräumt wurde, kam die Russische Orthodoxe Kirche auf die Idee, Juden in grösserer Zahl zu christianisieren und ihnen in der weiteren Nachbarschaft der Stadt einen Siedlungsraum zuzuweisen, genannt «Judensteppe», auf Jiddisch «Joden Savanne». Doch liessen sich nur wenige russische Juden bekehren. Noch weniger zogen ans Asowsche Meer.

Der Preussenplan

So kam in Petersburg ein anderer Plan zum Tragen, evangelische Bauern aus Preussen nach Mariupol zu holen. Ihre Niederlassungen wurden nach diesem «Preussenplan» Planer-Siedlungen genannt. Eine von ihnen erhielt in Reverenz an Mariupol den Namen «Marienfeld». Es waren vor allem Täufer, Mennoniten und Alt-Lutheraner, die sich nicht in die Kirche der preussischen Union eingliedern lassen wollten. Sie alle brachten reges evangelisches Glaubensleben zur griechisch-orthodoxen Präsenz.

Doch im Zweiten Weltkrieg liess Stalin die Bewohner der Planersiedlungen so wie andere Russland- und Schwarzmeerdeutsche nach Sibirien und Kasachstan verschleppen. Erst nach der Wende von 1990 konnte in und um Mariupol unter seinen verbliebenen Völkerschaften wie Griechen, Armeniern und inzwischen auch Ukrainern wieder die Botschaft von Jesus verkündet werden, worin sich vor allem Pfingstchristen hervortaten. Die prorussische Abspaltung des Donbass machte diesem Aufbruch aber ein jähes Ende.

Das bittere Los von Pastor Sergej

Gleich nach Beginn des Bürgerkrieges wurde in Mariupol am 14. Juni 2014 Pastor Sergej Skorobagatsch von der Pfingstkirche «Onovlennja» (Erneuerung) ermordet. Pfarrer Sergej war als Vorsitzender des Kirchenrates der Stadt, dem auch Katholiken und Orthodoxe angehörten, die führende religiöse Persönlichkeit und hatte sich gegen die national-imperialistische Pseudo-Orthodoxie von Vladimir Putin ausgesprochen. Das kostete ihn schon damals das Leben.

Tagelange Irrfahrt

Heute fällt den Bomben und Raketen Putins ganz Mariupol zum Opfer. Den tapferen Einsatz und die Hilfsbereitschaft seiner Evangelischen konnten aber die fünf Wochen des Stahlgewitters nicht brechen. Ehepaar Martina und Heinz Nitschke von der sächsischen Diakonie war in Mariupol 20 Jahre für Drogenkranke im Einsatz. Die beiden hatten aus eigenen Mitteln im Hafenviertel Gawan ein Kinder- und Jugendhaus und verschiedene Gemeindehäuser gebaut.

Nach Kriegsbeginn schlugen sie sich mit dem Auto nach der heiss umkämpften Stadt durch. Für so viele ihrer einstigen Schützlinge wie möglich bildeten sie einen Konvoi, der nach tagelanger Irrfahrt das sichere Polen und weiter Deutschland erreichte. Auch im Berliner Elisabethstift von Reinickendorf, einer der ältesten diakonischen Gründungen, sind die ersten neun Waisenkinder aus Mariupol mit ihrer Betreuerin unversehrt angekommen.

32 Kinder evakuiert

Die eindrücklichste Rettungsaktion aus der verwüsteten Stadt gelang jedoch der Ebenezer Stiftung: Dem Werk, das auf die deutsche Erweckungsbewegung zurückgeht und heute auch in der Schweiz präsent ist, gelang die Evakuierung aller 32 Kinder und ihrer Betreuerinnen aus seinem Waisenhaus in Mariupol. Sie können sich inzwischen im Haus Eben Ezer im westfälischen Stapelage von dem Feuersturm in der Heimatstadt und den Gefahren ihrer Reise quer durch den Ukraine-Krieg erholen. Sie erhalten auch psychische Betreuung, wie sie von Eben Ezer seit langem angeboten wird.

Ausharren in Schutt und Asche

Nicht beruhigen können sich die christlichen Helfer über das Los ihrer todesmutig im Massengrab von Mariupol zurückgebliebenen Mitarbeiter, zu denen meist jeder Kontakt abgebrochen ist. Mitten in der Feuerhölle der fast vernichteten Stadt harrt auch ein Kommando der Schweizerischen Stiftung für Minenräumung (FSD) aus, obwohl es schon einen Toten und vier Vermisste zu beklagen hat. Sie und andere bewähren sich in Schutt und Asche als wahre Christen.

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Datum: 31.03.2022
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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