Sudanesischer Pastor

Besser beten als demonstrieren

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Strasse in Khartum, Sudan (Bild: Bigstock)
Im Sudan hielt der demokratische Neubeginn nach drei Jahrzehnten islamistischer Militärdiktatur keine drei Jahre lang. Der Gegenputsch vom 25. Oktober ist auch ein Rückschlag für die Erwartung der sudanesischen Christen auf mehr Glaubensfreiheit.

Der Kompromiss vom 18. August 2019 hatte für die nächsten 39 Monate einen «Souveränen Rat» aus je fünf Offizieren und Zivilpolitikern sowie einer christlichen Juristin als «neutraler» Persönlichkeit eingesetzt. Doch dieses Gremium hat seine für diesen 17. November vereinbarte interne Hofübergabe nicht mehr erlebt. Sie sollte den zivilen «Kräften der Freiheit und des Wandels» mehr Mitsprache einräumen und die Befugnisse der Militärs beschneiden.

Demokratische Stimmen in Khartum hatten diesem Datum daher schon länger entgegengezittert. Justizministerin Raja Nicole Abdel-Mesih, eine koptische Christin, hatte zunächst noch um Geduld mit den Vertretern der Streitkräfte geworben. Dann aber verlangte sie vergangenen Juni energisch endlich die Verwirklichung grundlegender Bürgerrechte.

Interner Machtkampf

Das war genau zu dem Zeitpunkt, als unter den Generälen der Machtkampf zwischen dem Ratsvorsitzenden Abdel Fattah Burhan und seinem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo einen Höhepunkt erreichte. Als blutiger Unterdrücker der Freiheitskämpfer von Darfur war dieser mit dem Kriegsnamen «Hemeti» berüchtigt, hatte seine Privatarmee der «Teufelsreiter» (Dschandschawid) als «schnelle Eingreiftruppe» in die Regierungstruppen eingebracht und den Volksaufstand von 2019 zunächst niederzuschlagen versucht. Erst als sich dieser durchzusetzen begann, wechselte er schnell die Front.

Daglo sicherte sich den zweiten Platz im neuen Übergangsregime. Hinter dessen Kulissen kam bald ein Ringen mit Burhan um den künftigen Löwenanteil an den einträglichen Pfründen der Streitkräfte – vom Erdöl und der Baumwolle angefangen – in Gang. Beide trafen sich letzten Juni in Kairo und einigten sich auf ein «Bremsen» von Sudans Demokratisierung, um das Wirtschaftsimperium der Armeeführung davon auszuklammern. Das Ergebnis dieser Kumpanei war der Putsch vom 25. Oktober mit der Festnahme führender demokratischer Politiker.

Ausgang offen

Die Strassenkämpfe zwischen Demonstranten und Soldaten in Khartum, Omdurman, Port Sudan und anderen Städten halten nun schon die zweite Woche an. Noch ist der Ausgang nicht abzusehen und wird vor allem davon abhängen, ob an dem Putsch nicht beteiligte Truppeneinheiten, wie vor allem die Panzerbrigaden, nicht doch noch mit den Demokraten gemeinsame Sache machen. Das hatte schon der Revolution von 2019 zu ihrem – teilweisen – Sieg verholfen. Zur Zeit sind es aber zwei mutige Frauen, die ihre Stimmen gegen den Rückfall in die Militärdiktatur erheben.

Zwei mutige Frauen

Zum einen die Aussenministerin des unter Hausarrest gestellten Regierungschefs Abdalla Hamdok, Mariam al-Mahdi, aus einer alten sudanesischen Politikerfamilie. Ihr Vater Sadek al-Mahdi war in Khartum der letzte frei gewählte Ministerpräsident vor der Machtergreifung des Militärs 1989. Mariam al-Mahdi warnt jetzt vor jedem faulen Kompromiss mit den Oktoberputschisten. Diese hätten es darauf abgesehen, eine Scheindemokratie zu gewähren, die ihnen hinter parlamentarischer Fassade weiter die volle Macht und volle Taschen garantieren soll.

Sudans zweite tapfere Frau ist die Christin Raja Abdel Mesih. Für sie haben die Generäle nun jede Glaubwürdigkeit als Partner einer demokratischen Entwicklung verloren. Sie waren es schon, die in dem bisherigen Übergangsregime jeden echten Fortschritt zugunsten der Freikirchen und Anglikaner, Presbyterianer und Katholiken blockiert haben. Dabei stellen diese offiziell nur mehr drei Prozent der Bevölkerung von Sudan dar, seit sich dessen durch christliche Missionare geprägter Süden 2011 unabhängig erklärt hat. Allerdings dürfte die Zahl der Menschen, die zu Jesus gefunden haben, auch im Norden viel höher liegen.

Religionsfreiheit restriktiv

Davor fürchten sich die Islamisten. Auch unter den Mitgliedern der «Kräfte der Freiheit und des Wandels» gibt es solche, die weiter einen Scharia-Staat wollen, in dem allerdings auch sie mitregieren. Die Erklärung von Weihnachten zum Staatsfeiertag war daher die einzige Vorzeigegeste in Sachen Religionsfreiheit. Auch dürfen die – wenigen – christlichen Schulen seit 2019 den Sonntag statt dem islamischen Freitag unterrichtsfrei geben. In Sachen der nur restriktiven Genehmigung von Kirchenbauten hat sich aber nichts zum Besseren geändert. Ein paar Bänke mit einem Dach darüber sind schon suspekt.

Dorniger Weg

«Meine Gläubigen kann ich jetzt nicht am Demonstrieren hindern», erklärt im Khartumer Viertel Bahri der Pfingstpfarrer Mata Butros Komi. Die letzten drei Jahre hätten zu viele und zu grosse Erwartungen geweckt. Nicht nur religiöse, auch soziale und hygienische Bedürfnisse würden endlich gestillt. Der Oktoberputsch hat die meisten jäh aus ihren Träumen gerissen: «Ich rate meiner Gemeinde aber, nicht auf die Strassen zu gehen, sondern nicht müde zu werden, für den Sudan zu beten. Der Weg für uns Christen ist hier noch dornig und weit!»

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Datum: 04.11.2021
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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