Untersuchung bei Willow Creek
Anschuldigungen gegen Bill Hybels glaubwürdig
Ein Jahr nach Bekanntwerden der Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen Bill Hybels hat die Untersuchungskommission ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die Anschuldigungen gegen den Willow-Creek-Gründer hält sie für glaubwürdig.
Die «Unabhängige Untersuchungskommission» zur Aufarbeitung der Vorwürfe gegen Bill Hybels hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Mehrere Frauen hatten dem Gründer und langjährigen Pastor sexuelles Fehlverhalten und Machtmissbrauch vorgeworfen. Der Bericht kommt zum Schluss, dass die Vorwürfe «sexuell unangemessener Worte und Taten» gegen Hybels «glaubwürdig» seien. «Bill Hybels hat männliche und weibliche Mitarbeiter verbal und emotional eingeschüchtert.» Da er von seinen Ämtern zurückgetreten sei, habe die Kirche keine Verantwortung mehr, weitere Schritte gegen ihn einzuleiten.Auch Machtmissbrauch ein Thema
Die Untersuchungskommission empfiehlt unter anderem, dass die Willow Creek Community Church (WCCC) und die Willow Creek Association (WCA) für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter schriftliche Regeln aufstellt, die einen angemessenen Umgang mit Sprache, Witzen, Beziehungen und Alkohol angehen. Zudem soll eine externe Hotline eingerichtet werden, an die sich Betroffene wenden können.
In Interviews mit der Kommission hätten Betroffene im Wesentlichen die Vorwürfe wiederholt, die bereits in der säkulären und religiösen Presse veröffentlicht worden waren. Auch Bill Hybels und dessen Familie sowie einige gegenwärtige und ehemalige Leiter von der Megachurch und der WCA seien befragt worden. In den Gesprächen hätten sich zwei Bereiche von Vorwürfen herausgestellt. Neben unangemessenen sexuellen Worten und Taten sei dies Macht- und Amtsmissbrauch gewesen. Ins Detail geht der Bericht dabei nicht, verzichtet auf Zitate aus den Interviews und äussert sich auch nicht zu Zahlen konkreter Vorfälle.
E-Mail-Suche ohne Erfolg
In den Interviews sei die Rede von «verunglimpfenden und respektlosen Bemerkungen» gewesen, einem launischen Führungsstil und aufbrausendem Verhalten. Hybels selbst habe die Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens zurückgewiesen. Andere Menschen, die ausgiebigen Kontakt mit dem ehemaligen Pastor gepflegt hatten, hätten nie unangemessenes Verhalten erlebt.
Ausserdem beauftragte die Gruppe ein externes forensisches IT-Unternehmen, um das E-Mail-System der WCCC nach klärendem Material zu durchsuchen – ohne Erfolg. Keine E-Mail, die in Verbindung mit den Anschuldigungen stehen könnte, sei aufzufinden gewesen. Die Kommission empfahl daher den Willow-Verantwortlichen, ihr E-Mail-System zu überarbeiten, um vertrauliche Inhalte zu schützen und gleichzeitig die Notwendigkeit von Archivierungen zu respektieren.
Die Autoren kündigten an, sie würden keine öffentlichen Anfragen, etwa von der Presse oder Bloggern, zu dem Bericht beantworten. Die Untersuchungskommission bestand aus der Theologin Jo Anne Lyon, Generalsuperintendentin der Wesleyan Church, der Psychologin Margaret Diddams, Prorektorin des Wheaton College, Gary Walter, dem ehemaligen Pastor der Evangelical Covenant Church in Chicago, sowie dem Theologen Leith Anderson, Präsident der Nationalen Vereinigung der Evangelikalen.
Hoffnung auf Zeichen der Umkehr und Versöhnung
Der geschäftsführende Vorstand von Willow Creek Deutschland begrüsste den Kommissionsbericht am Montag in einer Stellungnahme. Das Gute, das Willow erreicht habe, könne Machtmissbrauch und sexuelles Fehlverhalten nicht entschuldigen. Willow Creek Deutschland wolle weiterhin Konferenzen anbieten, da jeder profitiere, wenn Leitende besser würden. «Zugleich werden wir in Zukunft auch den Missbrauch von Macht, die Schattenseiten von Leitung und Charisma und effektive Verantwortungsstrukturen vertieft thematisieren.» Der Vorstand hoffe und bete für Hybels, dass er durch den Bericht Fehlverhalten reflektiere und Versöhnung mit durch ihn verletzten Männern und Frauen suche.
Die Vorgeschichte:
Die Kommission nahm ihre Arbeit im August 2018 auf. 2014 hatte es erstmals Anschuldigungen gegen Bill Hybels gegeben. Bis 2016 kamen weitere hinzu, die zudem laut dem Untersuchungsbericht «spezifischer» waren. Der WCCC-Vorstand beauftragte daher einen Ermittler, der 2017 erklärte, es gebe keine glaubwürdige Basis für die Vorwürfe. Die Betroffenen gaben sich damit nicht zufrieden und wandten sich Ende 2017 an die Chicago Tribune, die im März 2018 die Anschuldigungen und das Dementi Hybels veröffentlichte. Am 10. April 2018 trat Hybels von seinen Ämtern zurück. Knapp zwei Wochen später machte Christianity Today weitere Vorwürfe publik. In Folge eines Artikels der New York Times von August 2018 spitzte sich die Leitungskrise in der WCCC zu. Die Hauptpastoren und der gesamte Ältestenkreis traten zurück.
Zum Thema:
Ein Jahr nach dem Fall Hybels: Stefan Gerber: «Wir erlebten hier in der Schweiz viel Anteilnahme
Stellungnahme in Deutschland: «Es geht nicht um Willow, es geht um Jesus»
Gastkommentar: Hybels und wir Frauen
Autor: Nicolai Franz
Quelle: PRO Medienmagazin | www.pro-medienmagazin.de