Brian Houston im Interview
«Spitalbesuche halten die Leute in der Kirche»
Musik und Licht zieht die Menschen an, aber deswegen bleiben sie nicht in der Kirche, dies sagt «Hillsong»-Gründer Brian Houston im Gespräch mit Livenet. Was die Leute hält, seien zum Beispiel die Besuche in Spitälern. Dies sind überraschende Worte für eine Kirche, die oft «nur» als hip und rockig wahrgenommen wird. Dass «Hillsong»-Gemeinden sich auch um Obdachlose kümmern und Entwicklungshilfe leisten, ist kaum bekannt.
Brian Houston: Wir begannen vor 32 Jahren. In der ersten Woche kamen 70, dann 65, anschliessend 53 und in der vierten Woche waren es noch 45 – wäre es so weitergegangen, dann wäre bald niemand mehr gekommen. Im Versammlungsort, einer Turnhalle, hingen Kunstturn-Ringe. Ich nahm diese und schwang an ihnen hängend über die Gottesdienstbesucher, was nicht schwer war, da es nur drei Reihen waren – und dann gleich wieder zurück und ich startete die Predigt. Ein Besucher nahm am nächsten Wochenende gleich neun andere mit, weil er es lustig fand, dass der Pastor wie ein Affe herumgeschwungen war. Diese neun entschieden sich für ein Leben mit Jesus. Das war eine Erweckung für uns. Am nächsten Wochenende kamen elf weitere dazu und noch einmal eine Woche später zehn weitere. Alle fanden zu Christus. Damit begann etwas, das seither nicht mehr aufgehört hat. Das war vor 32 Jahren. Doch selbst als visionärer Mann hätte ich nie gedacht, dass Hillsong rund um den Globus bekannt wird und unsere Musik einen solchen Einfluss hat. Für uns ist das die Gnade Gottes und eine wunderbare Geschichte.
Ihre Eltern arbeiteten für die Heilsarmee. Wirkt Hillsong ebenfalls unter Armen?
Hillsong tut überall auf der Welt Verschiedenes, um den Armen und Bedürftigen zu helfen. In Australien sind wir zum Beispiel mit einer mobilen Station unterwegs. Obdachlose können sich darin unter anderem rasieren. Auch in London tut Hillsong unterschiedliche Dinge. Das ganze heisst «Hillsong Citycare».
Wir bringen Menschen, die auf der Strasse leben, Obdach, Kleider und Nahrung. Das machen wir in verschiedenen Nationen, um den Bedürftigen beizustehen. Es ist gut möglich, dass viele noch nicht davon gehört haben, aber man kann auf unserer Webseite mehr dazu erfahren.
Wird «Hillsong» eines Tages auch Brunnen graben?
Das tun wir bereits. Dazu arbeiten wir mit anderen Missionen zusammen, zum Beispiel gemeinsam mit der Organisation «Compassion». Zudem setzen wir uns auch gegen den Menschenhandel ein. Durch die «Hillsong Africa Foundation» bauen wir Wohnungen für benachteiligte Kinder und an einem Ort auch eine Schule. Wir sind sehr aktiv.
Wenn wir an «Hillsong» denken, ist da viel pulsierendes Licht und mitreissender Worship. Doch Ihr tägliches Leben sieht wohl nicht so aus. Wie muss man sich den Alltag des Brian Houston vorstellen?
Musik und Licht zieht die Leute an – aber es hält sie nicht. Was die Menschen hält, sind die Besuche in Spitälern, Programme für Kinder und Teenager sowie das tägliche Unterwegssein als Pastor mit den Leuten. Das ist für mich die wahre Stärke von Hillsong, welche die Leute vielleicht gar nicht sehen. Die grosse Arbeit für die Menschen, welche zur Gemeinde kommen. Es ist wie bei jeder Kirche, man baut sie nicht mit grossen Konferenzen und Musik. Man baut sie, indem man den Menschen etwas für ihr alltägliches Leben bietet, indem man ihnen physische und spirituelle Antworten gibt – das ist das, was wir im Alltag tun. Früher war das auf die einzige Gemeinde beschränkt, die wir damals in Australien hatten, nun ist es globaler geworden.
Besonders ist, dass in Kiew und Moskau je eine Gemeinde steht. Es ist noch nicht lange her, da versperrte der Eiserne Vorhang den Weg in den Osten und Bibeln mussten geschmuggelt werden. Jetzt sind da Kirchen in «Hillsong»-Stil und -Grösse – beschreiben Sie doch diese beiden Gemeinden.
Was viele Menschen vermutlich nicht wissen: Die erste internationale Hillsong-Gemeinde startete in Kiew. Das war kurz nachdem die Sowjetunion auseinanderfiel und die Ukraine unabhängig wurde. Das Bedürfnis war gross. Das christliche Fernsehen «CBN» hat uns eingeladen, sie hatten dort gerade einen Sender gestartet und die Reaktionen auf ihr Programm waren überwältigend. Sie empfahlen uns, in Kiew eine Gemeinde zu eröffnen. So begannen wir da vor 20 Jahren. Es ist eine starke, vitale Kirche. Das ist wunderbar. Die Kultur ist völlig anders und nur wenige Menschen sprechen dort englisch. Doch sie haben den gleichen Geist und die gleiche Atmosphäre.
Wie sieht ein Gottesdienst in diesen Gemeinden aus?
Ganz ähnlich wie in unseren anderen Gemeinden, ebenfalls mit viel Licht und Musik, einfach in einer anderen Sprache, ukrainisch oder russisch. Die Gottesdienste in Kiew sind womöglich sogar noch kraftvoller als jene in westlichen Ländern.
Was können europäische Christen von ihren Glaubensgeschwistern aus Australien lernen?
Letztlich dienen wir alle dem gleichen Gott, gleich ob wir in Australien oder in der Schweiz leben. Wir versuchen so zu sein, wie Gott uns zu sein gerufen hat. Wenn wir das tun und offen und frisch bleiben, kann man mit den Leuten rund um den Globus vorangehen. Ich war einmal in der «Holy Trinity Brompton» Gemeinde in England, dort wo der Alpha-Kurs herkommt. Da kam ich mit jemandem ins Gespräch über Wein. Er sprach zuerst über französische, dann über italienische Weine und so weiter. Dann ging es um die alte und die neue Welt und er sagte, dass die alte Welt eine riesige Wissenschaft um den Wein aufgebaut hat. Die Australier, so mein Gesprächspartner weiter, hätten alle Regeln gebrochen. Zum Beispiel würden wir Metallfässer statt solche aus Eichenholz verwenden und Schraubverschlüsse statt Korken. Dennoch sei unser Wein sehr konsistent und nun kommen Kenner nach Australien, um sich zu informieren, wie wir das handhaben. Genau gleich ist es bei Hillsong, wenn man die alten Liturgien mit unserer modernen Musik vergleicht. Es ist die gleiche Botschaft, aber verschiedene Methoden. Und die Menschen kommen aus aller Welt zu uns, um zu sehen, was wir tun. Ich ermutige, die Regeln zu brechen und echt zu sein.
Ist da eine nächste Regel, die Sie brechen wollen?
(Lacht) Wir brechen keine Regeln, nur damit dies getan ist. Ich denke, dass wir Dinge ändern müssen, die wir tun. So dass wir relevant und echt bleiben, in dem was Gott uns zu tun aufgetragen hat. Die Botschaft kann sich nicht verändern. Jesus ist derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit. Doch in der Methode, dies zu verbreiten, müssen wir uns verändern.
Was sind Ihre Herausforderungen?
Frisch zu bleiben in meiner Leiterschaft. Die grösste Herausforderung besteht immer im eigenen Haus. Es geht darum, nicht bequem zu werden und sich zurückzulehnen. Es ist die grösste Herausforderung aber gleichzeitig auch die grösste Chance. Ich weiss nicht, was kommt, aber ich weiss, dass Gott treu ist.
Wie gelingt es Ihnen, selbst frisch zu bleiben und nicht in einen Alltagstrott zu fallen?
Ich bin 62 Jahre alt und liebe Gott und die Gemeinde so, wie ich es immer getan habe. Der Punkt ist, visionär vorwärts zu gehen. Es geht darum Vision, Zeit, Leute und die Kapazität zu finden, um voranzugehen.
Der Moment, in dem man sentimental auf die gute alte Zeit zurückschaut – wie alte Leute das tun können – ist der Augenblick, wo wir es verlieren. Ich will innerlich nicht alt werden, sondern junge Menschen motivieren, das zu leben, was Gott für sie will.
Gab es viele Leute, die Ihnen früher sagten, dass das was Sie tun wollen, nicht funktionieren wird?
Immer …
… auch heute?
Ja, es gibt immer Leute, die sagen, warum etwas nicht funktionieren wird. Aber wenn Gott es will, wird es geschehen, egal was andere Menschen mal erlebt haben. Darum ist es besser, sich vom Heiligen Geist leiten zu lassen, statt von dem, was einem gesagt wird, was nicht klappen wird.
Sie sprachen in der Schweiz auf der Explo, das Motto war «Frischer Glaube». Was ist Ihr Tipp, dass die Leute das finden können?
Das Leben mit Christus ist grossartig. Wir lesen schon in der Bibel, wie die Menschen wieder vom Glauben abfielen. Für mich steckt in diesem Thema die Schönheit der Erlösung. Die Bibel lehrt uns, dass wir durch die Gnade errettet sind. Wenn man das vor Augen hat, ist das vital, dann bleibt man frisch. So lebt die Beziehung, die man mit Gott hat.
Wie sehen Sie die christliche Gemeinde in der Schweiz?
Mich beeindruckt die Einheit. Gott segnet das. Das wird eine grosse Zukunft haben. Generell in Europa erleben wir in jeder unserer Gemeinden ein Wachstum. Das ist grossartig. Als ich jung war, war Europa eine geistliche Einöde – es gab vor allem grosse Kathedralen und Museen. Jetzt gibt es hier frisches Leben. Junge Menschen bauen Gemeinden, das ist grossartig.
Zur Webseite:
Hillsong Citycare
Hope for the homeless
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet
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