Explosiver als die ‚islamische Bombe’
Bombe für den Nationalstolz
Dr. Abdul Qadeer Khan ist, weil er Pakistan in den exklusiven Club der Nuklearmächte katapultierte, ein Nationalheld. Ein Identitätsstifter im jungen, erst 56-jährigen Staat. Mit dem Verrat von Geheimnissen hat er allerdings das Vertrauen, das man ihm entgegenbrachte, zum Schaden des Landes missbraucht.
Sechs Nuklear-Wissenschaftler, Mitarbeiter Khans, wurden verhaftet. Ihm blieb dies erspart: Die Regierung stellte ihn in seiner Residenz im Diplomatenviertel der Haupstadt Islamabad – sein Lebenswandel wies längst auf extra Einkommen hin – unter Hausarrest. Am Mittwoch tat er bei Präsident Musharraf zerknirscht Abbitte (das von der pakistanischen Regierung veröffentlichte Bild zeigt dies überdeutlich) und bat im Fernsehen auch die Bevölkerung um Verzeihung. Darauf begnadigte ihn Musharraf – aus Nachsicht über seine Popularität.
Islamische Extremisten
Gnade erging auch, um die Islamisten zu besänftigen, die in Khans Handeln kein Verschulden und in seinem Bittgang einen Kniefall vor dem Westen sehen. Musharraf wird vorgeworfen, er opfere den Nationalhelden, um sich Washingtons Gunst zu erhalten.
Pakistan ist eine Welt für sich. Es gibt kaum einen Staat auf der Welt, in dem der islamistische Extremismus bedrohlicher brodelt. Grosse Teile der Bevölkerung von über 150 Millionen Menschen leben in bitterer Armut. Dazu kommen die Spannungen zwischen Schiiten, der grössten Minderheit, und Sunniten.
Massive Front gegen Musharraf
Westliche Strategieexperten stellen die Frage, ob die USA beim Versuch, den Irak zu stabilisieren, nicht eine grössere Bedrohung vernachlässigen: die islamistischen Bewegungen in Pakistan und im angrenzenden Afghanistan. Im Unterschied zu Saddam ist Osama bin Laden noch auf freiem Fuss.
Die mit dem Westen paktierende (von ihm mit vielen Milliarden gestützte) Staatsführung unter General Pervez Musharraf geht mit dem nuklearen Droh-Potential zurückhaltend um. Die laufenden Verhandlungen mit dem übermächtigen Nachbarn Indien sind ein Beleg dafür. Ob sich die herrschenden Militärs auf die Dauer der Extremisten erwehren können, die nach ihren Wahlerfolgen die Innenpolitik Pakistans blockieren und auch im Geheimdienst Verbündete haben, ist eine andere Frage.
Schurkenstaaten profitierten
Mit Pakistan gewann vor fünf Jahren erstmals ein islamischer Staat die Fähigkeit zum Nuklearschlag – die ‚islamische Bombe’. Nun gesteht Islamabad ein, dass auch der Nachbar Iran und Gaddafis Libyen sowie die grausame Diktatur Nordkoreas vom Wissen profitierten – die internationalen Kontrollmechanismen haben bei den ‚Schurkenstaaten’ versagt.
Die Anprangerung Irans durch Präsident Bush (‚Achse des Bösen’) und die Besetzung Iraks dürften dazu beigetragen haben, dass Gaddafi die Flucht nach vorn ergriff und seine ABC-Rüstung offenlegte. Auch der Iran erklärte sich vor kurzem zur Zusammenarbeit mit der Atomenergiebehörde bereit.
Khans Motiv
Was war Khans Motiv? Laut der NZZ gab er zuerst an (entgegen den Behauptungen der Staatsführung), nicht aus Geldgier gehandelt zu haben. Er habe gehofft, der Druck des Westens auf Pakistan werde abnehmen, wenn auch andere muslimische Länder Atomwaffen besässen. Im Bericht der englischsprachigen pakistanischen Zeitung ‘The Dawn’ heisst es: "Dr Khan was motivated enough to make other Islamic countries nuclear power also so that intense Western pressure on Pakistan's nuclear power could be eased."
Allerdings begann die Weitergabe des Wissens, lange bevor Pakistan 1998 mit seinen Tests zur Atommacht avancierte und unter internationalen Druck geriet. Dies lässt ein tiefer liegendes Motiv erahnen: den Wunsch, mit der Weitergabe von nuklearem Know-How die im islamischen Raum verbreiteten Minderwertigkeitsgefühle gegenüber dem Westen zu verdrängen.
Kampf gegen die Rückständigkeit
Dies hat historische Hintergründe: Die islamisch geprägten Länder von Afghanistan über Iran bis nach Westafrika kämpfen mit einer kulturell bedingten Rückständigkeit. Die arabische Welt hat sich zunehmend abgeschottet und ist weit hinter dem Westen zurückgeblieben, dem sie bis vor 500 Jahren in mancher Hinsicht überlegen war.
Im Westen lösten Buchdruck, Reformation und Aufklärung im 16. Jahrhundert eine gewaltige, bis zur heutigen Wissensgesellschaft führende globale Dynamik aus. Im Unterschied dazu kreist die islamische Kultur seit ihrer Frühzeit um das Studium eines Buchs, des Koran, und tausender uralter Überlieferungen. Dies hat zum Beispiel zur Folge, dass allein für die Bevölkerung Griechenlands jedes Jahr mehr Bücher aus anderen Sprachen übersetzt werden als ins Arabische!
Nach den Märchen aus Tausendundeiner Nacht…
In den ersten Jahrhunderten nach Mohammed (als Europa im finsteren Mittelalter versank) glänzten die Araber mit einer Hochkultur, die sich wesentlich aus den Beiträgen der unterworfenen Nachbarvölker, namentlich der Perser, speiste. Einen Eindruck davon geben die Märchen aus Tausendundeiner Nacht.
Muslimische Intellektuelle diskutieren heute, wie es dazu kam, dass dann im Orient das Interesse an der Erforschung der Natur, an Technik und Wissenschaft – auch an der Aufnahme von Anregungen aus anderen Kulturen – erlahmte.
…das Verlangen nach dem nahen Gott
Als ein Grund wird die Hinwendung vieler gebildeter Muslime und breiter Volksschichten zur islamischen Mystik der so genannten Sufis genannt: Der Schöpfer und erhabene Weltenrichter, den Mohammed verkündet hatte, genügte diesen Gottsuchern nicht. Er war zu weit weg – sie verlangten mit ihrer Seele nach einem nahen Gott.
Um durch persönliche Erfahrung göttliche Kraft zu erleben, kehrten sie sich von der Aussenwelt ab, mit tiefgehenden Folgen für die islamische Kultur. Dazu kamen andere Faktoren, die den Austausch hinderten.
Dämmerung einer neuen Zeit
Nun, Jahrhunderte später, wirkt die Dynamik der westlichen Kultur unaufhaltsam auf den Orient ein. Dabei gelangen nicht nur Konsumgüter, Waffen und Know-How in den Nahen und Mittleren Osten.
Etwas Anderes dürfte folgenreicher sein: Bücher, moderne Medien und Kommunikationsmittel ermöglichen Millionen von Menschen, den nahen Gott tatsächlich zu entdecken und sich seiner Zuwendung zu vergewissern: Wie das Evangelium der Bibel zeigt, ist Gott in Jesus Christus Mensch geworden, ein Mensch von Fleisch und Blut, zur Rettung für alle, die an ihn glauben und ihn bekennen.
Für die gottesfürchtigen Menschen im arabischen Raum, die Vergebung für ihre Schuld suchen und nach Gnade dürsten, hat ein neuer Tag begonnen. Diese Entwicklung, fünfhundert Jahre nach Gutenberg und Luther, ist bedeutsamer und explosiver für die Zukunft des Orients als die ‚islamische Bombe’.
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch