Keine Anklage gegen Huonder

Staatsanwaltschaft stellt Verfahren gegen den Churer Bischof ein

An einem Vortrag in Fulda wollte der Churer Bischof Huonder «allen bedeutenderen Aussagen der Heiligen Schrift über die Ehe nachgehen». Dabei machte er mit alttestamentlichen Gesetzestexten belegte Aussagen zur Homosexualität und provozierte damit drei Strafanzeigen wegen Aufforderung zur Gewalt gegen Homosexuelle. Nun teilt die Bündner Staatsanwaltschaft mit, dass sie das Verfahren gegen Vitus Huonder einstellt.

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Vitus Huonder
Er wolle «in aller Schlichtheit an das erinnern, was uns das Wort Gottes zur Schöpfung von Mann und Frau, zur Ehe sowie zur Sexualität, und - infolgedessen - zur Familie sagt.» So begann der Churer Bischof Vitus Huonder (73) einen Vortrag am Kongress des Forums Deutscher Katholiken in Fulda am 31. Juli. In seinem Referat - eigentlich war es eine Bibelarbeit - beleuchtete er die Begründungen für die Ehe zwischen Mann und Frau und in diesem Zusammenhang auch die Einordnung der Sexualität aus der Sicht der Heiligen Schrift (Livenet berichtete).

Sex hat religiöse Dimension

Das Sexualverhalten könne nicht vom Glauben getrennt werden, sagte Huonder. Dieses sei «durch Gottes offenbarendes Wort geordnet, hat immer eine religiöse Dimension». Deshalb müsse die Kirche auf das Sexualverhalten Einfluss nehmen. Um seine Aussage zu belegen, verwies er auf 5. Mose, Kapitel 22, Verse 22, 28 und 29, ohne aber diese Textstellen vorzulesen. Dies hätte er besser getan. Vers 22 heisst nämlich: «Wenn ein Mann dabei ertappt wird, wie er bei einer verheirateten Frau liegt, dann sollen beide sterben, der Mann, der bei der Frau gelegen hat, und die Frau. Du sollst das Böse aus Israel wegschaffen.» Hat der Bischof damit zur Gewaltstrafe im Falle eines Seitensprungs aufgerufen? Sicher nicht. Doch genau das wurde ihm später beim Thema der homosexuellen Praxis nachgesagt. Denn Huonder zitierte anschliessend weitere Abschnitte aus den Reinheitsgeboten und dem Heiligkeitsgesetz Israels. Diese las er laut vor: «Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel. [...] Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen.» (3. Mose, Kapitel 18, Vers 22 und Kapitel 20, Vers 13)

Zitate ohne Einordnung

Ohne eine einordnende Erklärung dieser Bibelstellen zu liefern, sagte der Bischof von Chur: «Die beiden zitierten Stellen allein würden genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben.» Die Seelsorge habe sich nach der göttlichen Ordnung zu richten. Im Unterschied zu einem «reinen Humanismus» müssten in pastoraler Liebe «die Menschen in jeder Hinsicht aus dem Zustand der gefallenen Natur» befreit werden zum «Leben als Kinder des Lichtes». «Der Glaube», so Huonder, «ist für alle Menschen, auch für Menschen mit homophiler Neigung, eine Hilfe und kann zu einer Umleitung der diesbezüglichen Orientierung führen, einer Beherrschung des Sexualtriebs und zu ihrer Einordnung ins eigene Leben entsprechend der göttlichen Weisung.»

Es kam zu einem Aufschrei unter Homosexuellen, zu Empörung unter Teilen des Kirchenvolks, zu hastigen Relativierungen durch andere Bischöfe und zu drei Strafanzeigen wegen «Aufruf zur Gewalt» gegen Homosexuelle. Darauf stehen bis zu drei Jahre Gefängnis.

Bibel zitieren verboten?

Eine Frage stand gross im Raum: Wird in der Schweiz zum ersten Mal ein Geistlicher verurteilt, weil er in einer Predigt kontroverse Bibelstellen zitiert hat? Längst hat Huonder eingeräumt, dass seine Äusserungen ohne genügende Fachkenntnis und ohne Wissen um den Zusammenhang im Rahmen der Kirchenlehre falsch verstanden werden können. Die drastische Rede von der Todesstrafe zeige aber lediglich die alttestamentarische Ablehnung einer Handlung auf und sei nicht als Anleitung für kirchliches Handeln zu verstehen. Christen seien angehalten, das Alte Testament aus der Sicht der Erfüllung in Christus zu interpretieren. Huonder erklärte: «Ich zitierte aus dem Alten Testament. Dann sprach ich von der pastoralen Liebe gegenüber homosexuellen Menschen. Das hat man ausgeblendet und das Todesstrafe-Zitat wie meine persönliche Gesinnung dargestellt.» Wer den ganzen Abschnitt lese, könne nicht sagen, er habe die Todesstrafe gefordert. In Bezug auf die Homosexualität hält der katholische Katechismus einerseits fest, dass homosexuelle Handlungen «in keinem Fall zu billigen» sind, während er andererseits davor warnt, homosexuell empfindende Menschen «in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen». Bischof Huonder richtete eine Entschuldigung an alle, die sich wegen seiner Aussagen verletzt fühlten. So richtig abgenommen wurde sie ihm aber nicht.

Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein

Die Strafanzeigen gegen Vitus Huonder beriefen sich auf den Artikel 259 im Schweizer Strafgesetzbuch - «Öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit». Die Bündner Staatsanwaltschaft nahm darauf die Ermittlungen auf. Jetzt teilt sie mit, dass sie das Verfahren einstellt: «Aufgrund der durchgeführten Abklärungen kam die Staatsanwaltschaft Graubünden zum Schluss, dass seine Aussagen nicht die für die Tatbestandserfüllung geforderte Eindringlichkeit und Eindeutigkeit aufwiesen, weshalb das Verfahren eingestellt wurde.»

Zum Thema:
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Datum: 12.10.2015
Autor: Rolf Höneisen
Quelle: idea Schweiz

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