Kultur- und Religionsunterschiede
Dialog und Mission nach dem 29. November
Das Schweizer Stimmvolk hat mit dem Minarettverbot ein Signal gegeben. Worin es besteht und wohin es führt, darüber kann füglich gestritten werden. Die Auseinandersetzung ist eidgenössisch sorgfältig und mit Bedacht zu führen, gerade von Christen.Neben der unveränderten Herausforderung, Muslimen die Gute Nachricht von Jesus als Erlöser und Herr nahezubringen, gilt es «Klarheit und gute Nachbarschaft» (EKD) zu verbinden.
EKD-Handreichung «Klarheit und gute Nachbarschaft»
Zhlreiche Fragen nach der Abstimmung sind nicht einfach zu beantworten. Driften Grossstädte und der Rest des Landes auseinander? Worin ist sich die Mehrheit gegenüber der wachsenden, weil kinderreichen Minderheit einig? Der Minderheit, von der nur ein Teil den Islam engagiert praktiziert?
Was lernt die Elite, die Meinungsmacher, deren Parolen sich die Mehrheit entzog? Wer den 1'534'054 Ja-Stimmenden (57%) unterstellt, sie hätten dem Land das Problem eingebrockt, wird ihr Missbehagen und das Nein zu fremd bleibenden Muslimen noch versteifen. Andererseits gehört es sich nicht, das Votum des 29. November vor den isolationistischen Karren zu spannen.
Kirche schwächelt ohne Mission
Der Appell des Schweizerischen Rats der Religionen SCR «für ein Zusammenleben der Religionen in Frieden und Freiheit» hat sein Ziel verfehlt. Jene Vision einer multireligiös offenen Schweiz, die liberale Protestanten im Dialog mit Muslimen verwirklichen zu können meinten, ist an der Urne durchgefallen. Zwei Gedanken:Welcher Kirchenführer hierzulande hat darauf gepocht, dass Muslime weltweit das Evangelium hören, auch Christen werden und als Christen leben können, ohne ausgegrenzt und getötet zu werden? Darauf wurde in den letzten Jahrzehnten in aller Regel verzichtet und die Fürsprache für verfolgte Christen vernachlässigt. In den reformierten Kirchen machte sich ein Verständnis von Christentum breit, das Dialog an die Stelle von Mission setzt und den Anspruch von Jesus («Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben») ausblendet, relativiert oder offen verneint.
Evangelische Thesen zum Dialog der Religionen
Religionspluralismus mag zeitgeistig-attraktiv sein; mit ihm ist aber gegenüber einem aus dem Orient aufgerüsteten Islam kein Staat zu machen. Wenn dies harmoniebedürftige und von Hans Küng beeinflusste Kirchenleiter nicht einsehen wollen, spürt es doch das Volk (das so christlich gar nicht mehr sein will) und ist tief verunsichert. Die Abstimmung hat es erwiesen. Kirchenleiter haben in diesem Bereich ein gravierendes Glaubwürdigkeitsdefizit, wie der prominente Religionswissenschaftler Georg Schmid in einem Offenen Brief an SCR-Präsident Thomas Wipf festgehalten hat.
Georg Schmid: «Wir gelten als Schönfärber und Schönredner»
Wen vertreten die muslimischen Sprecher?
Dazu kommt zweitens, dass auch die in der nationalen Öffentlichkeit auftretenden Muslime und Musliminnen nicht ohne Zweifel als authentische Vertreter ihrer Religion wahrgenommen werden. Die Tätigkeit lokaler Moscheevereine erregt insgesamt wenig Aufsehen; die Grundsatzerklärung der Zürcher Muslime von 2005 mit dem Ja zum Schweizer Rechtsstaat ist bemerkenswert. Doch was Muslime international eint und auch künftig antiwestlich einen könnte (ihr Selbstverständnis als weltweite Gemeinschaft, der Koran, die Tradition - auch Scharia-Vorgaben?), wird zu Recht als Absage an unser Wertesystem und als Bedrohung wahrgenommen.Dies stellt auch nationale Repräsentanten ins Zwielicht, umso mehr, als sie die kulturelle Zersplitterung der aus über 100 Ländern stammenden Muslime nicht verbergen können. Die Repräsentanten haben das Misstrauen, das die rechtlichen, politischen und Gewaltaspekte des traditionellen Islam im Westen verursachen, nicht aufzulösen vermocht. Fanatische Prediger sind - soweit bekannt - unserem Land bisher weitestgehend erspart geblieben. Allerdings katapultierte sich Hani Ramadan mit einem Statement zur Steinigung aus seiner Genfer Lehrerstelle. Und übers Internet tropfen Aggressivität und Hass auf den unschuldigsten PC-Monitor.
Kurz: «Für ein Zusammenlebens der Religionen in Frieden und Freiheit» (Titel der Stellungnahme des Schweizerischen Rats der Religionen SCR zur Minarettverbots-Initiative) braucht es mehr als ziselierte Dialog-Rhetorik. «Alle Massnahmen, die zur Vertrauensbildung beitragen, sollen ... gefördert werden», schreibt der SCR. Zuerst ist eine klare Sprache vonnöten, die Befremdliches am Islam und seinen Gegensatz zum Christentum benennt. Weiter ist sind die Fragen aufzunehmen, die über das Miteinander entscheiden, etwa: Legen Koranschulen der Integration Hürden in den Weg?
Quelle: Livenet.ch