Kirchen, Sekten, Religionen

Nachschlagewerk in aktualisierter Neuauflage

Die religiöse Landschaft im deutschen Sprachraum wandelt sich rasch. Der Theologische Verlag Zürich hat das Nachschlagewerk dazu, das der Sektenkundler Oswald Eggenberger 1969 begründete, in siebter, aktualisierter Auflage herausgebracht. Verantwortlich für den nochmals dicker geratenen Band zeichnen die Theologen und Religionswissenschaftler Georg Schmid und Georg Otto Schmid (Vater und Sohn), die die evangelische Informationsstelle in Greifensee betreuen.

Eines der umfangreichsten Kapitel des 528 Seiten umfassenden Buchs ist charismatischen Gemeinschaften gewidmet. Der Buddhismus wird als „die eigentliche Trendreligion der gebildeten europäischen Gegenwart dargestellt“, wie der Tages-Anzeiger schreibt. Breiten Raum nehmen auch die Esoterik „als ganzheitliche Wahrheitssuche und Wunsch nach integraler Heilung“ ein.

Charismatiker fallen auf

Die Zürcher Tageszeitung brachte am Freitag ein Interview mit dem Herausgeber, Professor Georg Schmid. Dieser sieht in der immer bunteren Religionslandschaft neben dem Buddhismus auch den Islam „mit toleranten, aber auch problematischen Gruppen“ aufkommen. Bei den grossen Kirchen fallen Schmid sowohl charismatische als auch fundamentalistische Strömungen auf.

Die Esoterik hat sich gemäss dem Zürcher Sektenkundler durch den Trend zu kleinen Gruppen „allgemein versektet“. Fragwürdig sind in dieser Szene für Schmid die Satanisten („ein zahlenmässig beschränktes Phänomen“) und die Neuen Heiden, wo „Neonazis und Naturmystiker um die Vorherrschaft kämpfen“.

Heiss und kalt beim ‚Sektenthermometer‘

Hugo Stamm, der Sekten-Spezialist des Tages-Anzeigers und Buchautor, kann sich die Frage nicht verkneifen, wo Schmid die Freikirchen auf seinem so genannten ‚Sektenthermometer‘ (das allen religiösen Gemeinschaften angelegt wird, auch den Kirchen) die Freikirchen einstuft.

Den reformierten Forscher interessiert vor allem, wie eine Gruppe mit interner Kritik umgeht und wie sie Meinungsfreiheit gewährleistet. Bei isolierten, nicht einem Verband angeschlossenen Freikirchen werde der Chef eher zum kleinen Diktator, meint er.

Weite der Landeskirche – Mündigkeit der Christen

In Stamms nächster Frage zeigt sich sein eigenes Kirchen- und Toleranzverständnis: Wieso denn die reformierte Kirche „freikirchlich gesinnte Pfarrer und Gläubige“ dulde. Für Schmid dagegen ist klar, dass alle Pfarrer der Landeskirche „grundsätzlich Landeskirchler sind“. Er macht sich dafür stark, dass evangelikal oder pietistisch gesinnte Pfarrer genauso wie Vertreter anderer theologischer Strömungen in der reformierten Landeskirche arbeiten können.

Schmid bezeichnet sich im Gespräch als liberalen Christen, dem „jede Form engagierter Religion“ Freude mache. Er meint, dass die grossen Landeskirchen eine ‚Sektenabteilung‘ brauchen, wo Gläubige heimisch werden, „die eine autoritäre Führung brauchen und biblisch klar wissen wollen, was richtig und was falsch ist“. Diese Leute sollten nicht den Gurus überlassen werden. „In der Kirche darf man ‚sektenhaft‘ glauben. Aber die Kirche als Ganzes darf nicht zur Sekte werden.“ Vor allem – so Schmid – „muss ich auch meiner eigenen Kirche kritisch begegnen können.“

Eine ausführliche Besprechung folgt.
Das Handbuch „Kirchen, Sekten, Religionen. Religiöse Gemeinschaften, weltanschauliche Gruppierungen und Psycho-Organisationen im deutschen Sprachraum“ kostet 54 Franken / 37 Euro. ISBN 3-290-17215-5.

Webseite des Theologischen Verlags Zürich TVZ:
http://www.tvz.ref.ch

Webseite der Sekten-Informationsstelle:
www.relinfo.ch

Audio-Beitrag

Datum: 19.05.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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