Aufbruch

Aus dem Brüderverein wird die "Gemeinde für Christus"

Der Evangelische Brüderverein (EBV) feiert am kommenden Wochenende sein 100-jähriges Bestehen und gibt sich dabei einen neuen Namen: Gemeinde für Christus. Die Freikirche, die bisher auf Eigenleben setzte, ist im Umbruch.

Der Begriff ‚Brüderverein' entsprang dem Blaukreuz-Hintergrund des Gründers Fritz Berger und dem Milieu der Brüdergemeinden des 19. Jahrhunderts, die die Heiligung der Christen ins Zentrum des Gemeindelebens stellten. Da der Name heute eigenartig klingt, haben die EBV-Verantwortlichen vor Jahren eine Imagekorrektur mit Namensänderung erwogen.

Mehr vom Evangelium sollte im neuen Namen zum Ausdruck kommen als im bestehenden, sagt EBV-Pressesprecher Erich Christen im Gespräch mit Livenet. Statt ‚Verein' liegt nach einem Jahrhundert gemeinsamen Lebens ‚Gemeinde' nahe; der Name sollte zudem die Bindung an Christus oder ans Evangelium zum Ausdruck bringen. Die Verantwortlichen suchten eine eindeutige Bezeichnung, abkürzbar und internetfähig.

Basis bei der Namensfindung miteinbezogen

Der neue Name ist Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses. Ein Team wählte aus einigen hundert Vorschlägen von der Basis eine Handvoll für eine Vernehmlassung aus, stellte dabei aber nochmals die Frage, ob ein neuer Name überhaupt gewünscht werde. Dafür sprachen sich 70 Prozent der Basis aus. Anfang 2009 nahmen die 200 Mitglieder des Brüderrats den Vorschlag, welchen das Komitee schliesslich machte, mit grosser Mehrheit an: Der Evangelische Brüderverein benennt sich zum 100. Geburtstag um in "Gemeinde für Christus" (GFC).

Frucht der Heiligungsbewegung

Der Brüderverein bildete sich im Strom der Heiligungsbewegung des späten 19. Jahrhunderts. Ihr ging es um neues Leben durch Bekehrung und Wiedergeburt, die Heiligung bedeutet und fortschreitende Heiligung bewirkt (Hebräer 12,14). Der Gründer Fritz Berger, 1868 geboren, suchte als Agent des Blauen Kreuzes und Wanderprediger der Evangelischen Gesellschaft (EG) das ‚volle Evangelium' zu verkünden. 1902 erlebte er einen geistlichen Durchbruch - für ihn die Wiedergeburt: "Jetzt bin ich Christi Eigentum." Fortan betonte Berger das Leben aus dem Glauben, geheiligt zu sein - allen Kämpfen und Anfechtungen zum Trotz. Dies brachte ihn in Gegensatz zur landeskirchennahen EG, die ihn 1908 ausschloss.

Wachstum und Strenge

Am 4. Juli 1909 wurde am Wohnort Bergers der "Verein Dürrgraben des Freien Blauen Kreuzes vom Kanton Bern" gegründet, 1914 erfolgte die Änderung zu "Evangelischer Brüderverein". Berger leitete die wachsende Bewegung bis zu seinem Tod 1950, nach seiner Erkenntnis auf eine streng biblische Weise, was zu gesetzlichen Verengungen führte. Es folgten sein Schwiegersohn Max Graf (bis 1979) und leitende Brüder, die im rasanten gesellschaftlichen Wandel auf Beharren setzten. 1968 lösten sich missionarisch gesinnte Glieder vom EBV und gründeten die Freien Missionsgemeinden (VFMG). Der 2007 gewählte Beat Strässler (47) ist erst der vierte Nachfolger des weiterhin hochgeachteten Gründers, nach dem die EBV-Leute auch Berger-Brüder geheissen wurden. Die Freikirche wird vom Brüderrat (Älteste der 100 Gemeinden und Vollzeiter) und dem Komitee geleitet.

"Was Gott dir zeigt…"

Der Seeländer Ingenieur Erich Christen steht für die heutige Leitergeneration, die nach wie vor die Autorität der Bibel für Glauben und Lebensführung festhält, aber dem Einzelnen Verantwortung gibt: "Was Gott dir zeigt, damit hast du umzugehen - das verkündigen wir und überlassen dem Einzelnen, wie er es schriftgemäss tut."

Der Brüderverein ist im ersten Jahrhundert seines Bestehens eigene Wege gegangen, seit 1954 auch durch Mission am Ende der Welt, in Papua-Neuguinea. Dort gibt es heute gegen 800 Gemeinden und Versammlungsorte. Die meisten der etwa 60 EBV-Missionare arbeiten in Papua-Neuguinea, der Rest in Europa, Ghana, Bolivien und Kanada. Auch im Inland will der EBV weiterhin, wie Erich Christen sagt, "Leute gewinnen für Jesus, der für uns der Weg, die Wahrheit und das Leben ist".

Gesonderter Teil des Leibes Christi

Ist der Brüderverein, künftig die "Gemeinde für Christus", offen für punktuelle Zusammenarbeit mit anderen Freikirchen? Der EBV-Sprecher betont die Kontinuität der Organisation, die auch drei Altersheime führt: "Wir sehen uns als ein Puzzlestück oder Glied am Leib Jesu Christi. Wir haben eine relativ breit gefächerte Tätigkeit - unser Auftrag ist so vielfältig - und wollen sie treu fortführen."

Das Trennende bereinigt

In der Vorbereitung des Jubiläums hat die EBV-Leitung eine Altlast beseitigt: die schmerzhafte Trennung 1967/68. Nach vielen Einzelgesprächen fanden sich die Leitungen des Brüdervereins und der VFMG am Vormittag des 16. Mai 2009 zu einem Austausch. Christen: "Wir blickten auf die Geschichte zurück, bereinigten, was uns trennte, und feierten Versöhnung. Es war Himmelreich." Doch wolle man deswegen nicht wieder eine Gemeinde bilden. "In einem Papier haben wir festgehalten, dass jede Gemeinschaft den Auftrag an ihren Orten erfüllen und dort für das Evangelium ein Licht sein soll."

Laienprediger und freies Geben

Der EBV hat 40 vollamtliche Mitarbeiter, die als Evangelisten oder Prediger an etwa 100 Orten in der Deutsch- und Welschschweiz wöchentlich Versammlungen halten. Der Schwerpunkt liegt im Kanton Bern. Die Gemeinden haben 20 bis 250 regelmässige Besucher. Die EBV-Zentrale weist die Predigenden nach dem Rotationsprinzip zu. Gebetsstunden werden von den lokalen Ältesten geleitet. Der EBV führt keine Mitgliederlisten; er erhebt keine Beiträge und fordert den Zehnten nicht, sondern weist, so Erich Christen, auf den biblischen Zusammenhang von Geben und Gesegnet-Werden hin. Darin folge der EBV weiterhin Fritz Berger: "nicht betteln und keine Schulden machen".

Neue Wege zu alten Zielen

Die theologische Ausbildung am EBV-Hauptsitz Wydibühl unweit von Thun soll auch künftig so gestaltet werden, "dass unsere Absolventen anderswo weiterstudieren können". Mehr und mehr Staaten verlangen von Ausländern, die in ihrem Lande soziale oder seelsorgerische Arbeiten ausführen möchten, einen Bachelor-Abschluss. Die Urbanisierung der Schweiz, der Einfluss der Medien und weitere Entwicklungen der letzten Jahrzehnte spiegeln sich in der Gemeinschaft, die in diesen Jahren endgültig aus dem breiten Schatten von Fritz Berger heraustritt. Einzeln stehen die EBV-Leute mitten in der Gesellschaft, gemeinschaftlich halten sie Distanz. "Wir gehen nicht in eine Disco, wenn wir wissen, was dort abgeht", sagt Christen. In den Versammlungen wird empfohlen, auf den Zeitfresser TV zu verzichten. An die Stelle der Kleidervorschriften, an denen Aussenstehende bis in die 1990er Jahre die Strenge des EBV ablasen, sind grundsätzliche Empfehlungen (züchtig, korrekt und unanstössig) getreten. "Wir sagen heute: Nimm Rücksicht auf die eher urban Gekleideten."

Vier Generationen

Erich Christen betont, dass der EBV, bzw. die "Gemeinde für Christus" vier Generationen umfasst: Kinder, Teenies, junge und reife Erwachsene und Senioren. "Andere Freikirchen lassen die Jungen von den Alten wegdriften. Wir wollen sie zusammenhalten. Mit den konservativ Gesonnenen wie den Erneuerern wollen wir zusammenarbeiten und mahnen zur biblischen Toleranz." In manchen Punkten gibt es verschiedene Ansichten. "Wer sich ans Vorbild der Vorfahren halten will, kann das, aber er soll nicht über andere urteilen." Auf die 100-Jahr-Feier gibt es zum EBV-Liederbuch einen Nachtrag mit neueren Lobpreis-Liedern. 2013 folgt ein neues Liederbuch. "Als Viergenerationen-Gemeinde singen wir die bewährten Lieder weiter und nehmen neue dazu."

Imagekorrektur

Will der EBV künftig wieder Gemeinden gründen? "Herr, schenke uns die Vision!" antwortet Erich Christen mit einem kurzen Blick zum Himmel." Wir sehen vor allem Freundschaftsevangelisation." Doch werden Evangelisationswochen weiter durchgeführt, auch Strasseneinsätze oder Tage der Offenen Tür. Mit dem neuen Namen, glaubt Christen, "fördern wir das Bewusstsein, dass wir für Christus und mit Christus leben wollen. Nach aussen wollen wir ein Bild, aus dem falsche Schlüsse gezogen wurden, überwinden. ‚Weise uns, Herr, deinen Weg'." Dieser Weg endet am Tag, da Jesus Christus sichtbar wiederkommt. "Daran glauben wir, dass der Tag naht. Die Gemeinde hat sich auf den Tag vorzubereiten."

Das Jubiläumsfest des EBV findet am 4. und 5. Juli in Heimisbach im Emmental statt. Grosse Ausstellung, Rückblicke, Infos von den Missionsfeldern - am Sonntag Festgottesdienst in zwei Teilen. Weitere Infos unter www.100JahrEBV.ch

Links zum Thema:
Webseite des Evangelischen Brüdervereins
"Dankbarer Rückblick auf 100 Jahre Evangelischer Brüderverein" durch den Ex-Präsidenten Max Schlumpf

Datum: 29.06.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

Kommentar

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