Die Taufe

Kostbar und umstritten

Wenn die Taufe ein Schatz ist, den Gott der Kirche geschenkt hat: Wie gehen wir mit ihm um? Am Eingang zum Täuferjahr dachten Reformierte und Freikirchler in Aarau miteinander über Taufverständnis und -praxis nach.

Über 100 Teilnehmende verfolgten am Samstag, 27. Januar den Studientag der "Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie" (AfbeT). „Taufe ist mehr als ein Thema, über das man auch noch reden kann“: Der abtretende AfbeT-Präsident Beat Weber legte eingangs seine vielen Schichten und Spannungsfelder offen: Bibel, Kirchengeschichte und Heute spielen hinein. Taufe muss mehr sein als kirchliche Dienstleistung und Übergangsritual in der Event-Kultur. Sie verbindet mit dem dreieinen Gott – durch eine Trennung von bösen Mächten. Sie gehört in den weiteren Zusammenhang der „Heilswende“ im Leben des Einzelnen, wobei Gottes Handeln und das Reagieren des Menschen sich zu einem Ganzen fügen.

Wer das innere Geschehen (Geisttaufe) betont, müsse sich vorsehen, dass er den äusserlichen Vollzug nicht abwertet. Die gängige Praxis bringe manche Pfarrer in Gewissensnöte; viele der grosskirchlichen Probleme „stehen mit der undifferenzierten, unterschiedslosen Säuglingstaufe in engstem Zusammenhang“ (so Erich Geldbach). Eben darum verharren laut Weber Landeskirchen in der hergebrachten Praxis, während der Traditionsabbruch fortschreitet (folgenloses Taufversprechen der Eltern) und vermehrt Getaufte nach dem Tauferlebnis verlangen, zur Festigung ihres Glaubens.

In Christus hinein getauft

Taufe ist Bekennen: Sie ist dazu da, „den Glanz unseres Gottes in der Welt wieder aufzuzeigen“. Es geht um „Beheimatung im Haus Gottes, in der Gemeinde“, leitete der Aarauer Neutestamentler Dieter Kemmler seine engagierte Auslegung von Römer 6 ein. Christen sind „in Christus hinein getauft“: Dies drückt intime Gemeinschaft aus. Das durch den Kreuzestod ermöglichte, durch die Auferstehung von Jesus geschenkte neue Leben mit ihm ist durch den Heiligen Geist jetzt, nicht erst in der Zukunft erfahrbar.

Kemmler strich heraus, dass aufgrund des Todes von Jesus ein für allemal die Befreiung von der Herrschaft der Sünde geschieht; davon zeugt die Taufe. Paulus rufe die Christen auf, sich das Heil zu vergegenwärtigen und aus Gottes Ressourcen zu schöpfen: schon jetzt neues Leben – und Gewissheit des ewigen Lebens.

Den Vormittag beschloss Bernhard Ott, Studienleiter des täuferischen Ausbildungszentrums Bienenberg bei Liestal, indem er ein täuferisches Taufverständnis darlegte. „Keine kirchliche Tradition und keine Kirche kann es sich leisten, allein über die Taufe nachzudenken.“ Die Frage stelle sich, was sie zur Neu-Evangelisierung Europas beitragen kann. „Wie können wir damit Ernst machen, von der Nicht-Selbstverständlichkeit des Christseins auszugehen und Menschen in die Nachfolge von Jesus zu rufen?“

Nachwuchstaufe als Täuferproblem

Täuferkirchen wollen der Gemeinschaft der Gläubigen sichtbare Gestalt geben. Durch Verfolgung zu einem eigenen „Völklein“ geworden, bekamen sie laut Ott Probleme, als sie den Nachwuchs tauften. Zum vorangehenden Unterricht gab es – in der Freiwilligkeitskirche – keine Alternative; Taufe geriet zur Leistung. Neutäufer forderten im 19. Jahrhundert Busse und Bekehrung im Voraus. Seither wurde die Beziehung zu Gott vermehrt individualistisch gesucht und gelebt.

Theologische Dialoge mit Grosskirchen hätten seit 1950 dazu beigetragen, dass Täufer eigene Einseitigkeiten und Schwächen wahrnähmen, sagte Ott. „Wir werden in die Gemeinde hineinversetzt, berufen – aber doch besteht die Gemeinde aus Glaubenden, die sich dazu bekannt haben.“ Von ihrem Kirchenverständnis her könnten die Täufer „nicht alle Getauften als Christen anerkennen“; in Freikirchen finden sich diverse Weisen des Umgangs mit grosskirchlich Getauften.

Zwinglis Dilemma

Nach dem Mittagessen, das zahlreiche Gespräche zwischen Landes- und Freikirchlern ermöglichte, referierte Ralph Kunz, Professor für praktische Theologie an der Uni Zürich, über Widersprüche und Spannungen in der reformierten Tauftheologie und -praxis. Ein bewusst erlebter Taufakt könne erwachsenen Christen einen „Erfahrungsraum der Gnade“ eröffnen. Doch kommt eine zweite Taufe nicht in Frage; sie würde "einen Bruch mit der Symbolkraft eines Rituals, das nur einmal vollzogen werden kann“, bedeuten.

Zwingli habe dem souveränen Wirken des Heiligen Geistes alles zugetraut: „Daher bringt die Taufe die Gnade nicht mit sich, vielmehr wird der Kirche damit bezeugt, dass sie dem Täufling zuteil geworden ist“ (1530). Von daher, so Kunz, hätte Zwingli sich eigentlich für die Gläubigentaufe aussprechen müssen. Aber seine Reformation meinte er nur mit dem Kampf gegen die „Wiedertäufer“ vor den Autoritäten verteidigen zu können. Aus pragmatischen Gründen standen die Zürcher Reformatoren für die Kindertaufe ein und stellten sie als „Einweihungszeichen“ des Volkes Gottes dar.

Die Schönheit der Gläubigentaufe entdecken

Ralph Kunz erwähnte das Eintreten von Karl Barth – angesichts der Erfahrung, dass in der Nazi-Zeit „Volkskirche kaputt ging“ – für die Taufe der Gläubigen. Jürgen Moltmann baute darauf, als er das Gemeinschaftliche des Glaubens und den „Anbruch der Gottesherrschaft im Leben eines Menschen“ in den Vordergrund stellte: „Eine glaubwürdige Taufpraxis kann nur zusammen mit einer glaubwürdigen Kirche gewonnen werden.“ Kunz sagte, es sei „weder nötig noch realistisch“, die Kindertaufe abschaffen zu wollen. Er wünscht Schritte hin zur Gläubigentaufe, um ihre Würde und Schönheit zu entdecken.

Verlangen nach Tauf-Erlebnis

Sieben Diskussionsgruppen erörterten darauf Aspekte grosskirchlicher Taufpraxis. „Überall in lebendigen Kirchgemeinden gibt es Druck auf den Pfarrer“, hiess es in einer Gruppe: „Junge möchten Freude an ihrer Taufe. Für sie ist nie etwas sichtbar und hörbar geworden.“ Die Kindertaufe wird als unvollständig angesehen. Ein Pfarrer tauft im Fluss mit der Formulierung: „Du darfst gewiss sein, du bist getauft auf den Namen Gottes…“ Feiern zur Taufbestätigung und –erinnerung (in reformierten Kirchenordnungen vorgesehen) haben sich nicht durchgesetzt. Ein anderer Pfarrer warnt nach leidvollen Erfahrungen vor „Taufperfektionismus“.

Zum Abschluss der Tagung diskutierten die Referenten, deren Vorträge noch dieses Jahr als Buch erscheinen sollen, auf dem Podium. Für Beat Weber zeigte der Studientag, dass die Identität der Volkskirche engstens mit der Tauffrage verknüpft ist. Auf die Frage, was passiere, wenn die Reformierten an ihrer Taufpraxis nichts änderten, mahnte Ralph Kunz vor trennenden Praktiken; die Gläubigentaufe solle attraktiv gemacht und vor Individualisierung bewahrt werden. Bernhard Ott unterstrich nochmals das Wort von John H. Yoder, wonach in der Taufe Gott eine neue soziale Ordnung schafft.

Homepage der AfbeT: www.afbet.ch

Datum: 30.01.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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