Universum

Ein Zweck muss dahinter stehen

Der Kosmos muss exakt auf das menschliche Dasein ausgerichtet worden sein. Wären die Stärke der Gravitation, die Ladung eines Elektrons oder die Masse eines Protons nur geringfügig anders, gäbe es weder Atome noch funkelnde Sterne und erst recht kein Leben.

«Die Naturwissenschaft hat Methoden entwickelt, mit denen sie erfolgreich einen Teil der Wirklichkeit beschreiben kann - aber eben nur einen Teil», sagt Martin Federspiel, vom Planetarium der Stadt Freiburg. Daher komme die Naturwissenschaft auch nur zu bestimmten Antworten. Antworten auf Fragen, wie Geist und Materie zusammenhängen oder warum die Naturgesetze so sind und nicht anders.

Physiker reden jedoch selten über Glaubensfragen. Die Theologie basiert auf den religiösen Erfahrungen des Einzelnen und Offenbarungen - alles zwar Formen der Erkenntnis, aber eben keine naturwissenschaftlichen. Die so gewonnenen Antworten können jedoch, glaubt Federspiel, jene aus den Naturwissenschaften ergänzen.

«Universums lässt sich nur übernatürlich erklären»

Dass viele Physiker solche Erkenntnisse nicht als unwissenschaftlich abtun und einen festen Glauben entwickelt haben, findet meist eine plausible Erklärung. Bei Allan Sandage etwa waren es die Begegnungen des vernunftgeleiteten Forschers mit der Unendlichkeit und seine Fragen an der Grenze des physikalischen Wissens.

«Als junger Mann war ich praktizierender Atheist», sagte der amerikanische Kosmologe. Sandage beschäftigte sich ein halbes Jahrhundert mit dem Alter der Sterne und wurde zu einem Grossen seiner Zunft. Im Alter von 72 Jahren legte er ein überraschendes Glaubensbekenntnis ab: «Die Erforschung des Universums hat mir gezeigt, dass die Existenz von Materie ein Wunder ist, das sich nur übernatürlich erklären lässt.»

Auch Arnold Benz, vom Institut für Astronomie der ETH Zürich, hatte sich zum Glauben an Gott entschieden, bevor er als Astronom in die Tiefen des Weltalls spähte, ebenso wie John Polkinghorne, der wohl bekannteste Teilchenphysiker, der bekennender Christ ist. Der 1930 in England geborene Polkinghorne wuchs in einer anglikanisch geprägten Familie auf, studierte Physik an der University of Cambrigde, wurde dort 1968 Professor und arbeitete an der Theorie der Elementarteilchen.

Astronom wird Pfarrer

Sein schon im Kindesalter geprägter Glaube führte ihn 1979 zu einer klaren Entscheidung: «Nach 25 Jahren hatte ich das Gefühl, meinen Teil zur Wissenschaft beigetragen zu haben und dass es an der Zeit sei, etwas anderes zu tun», erinnert sich Polkinghorne. Er verliess die Universität und wurde 1981 zum anglikanischen Pfarrer geweiht. In den Jahren darauf schrieb Polkinghorne zahlreiche Bücher, in denen er versuchte, den Kosmos als Schöpfung Gottes zu erklären, ohne dabei wissenschaftliche Grundsätze über Bord zu werfen.

Exakt auf das menschliche Dasein ausgerichtet

Jene Astronomen und Astrophysiker, die mit ihrem Glauben in die Naturwissenschaften aufgebrochen sind, erleben den Kosmos voller wunderbarer Hinweise auf das Wirken Gottes. «Das Weltall ist uns so unwahrscheinlich günstig gesinnt, dass es geplant zu sein scheint», sagt etwa Andreas Tammann, Professor für Astronomie an der Universität Basel.

«Wäre zum Beispiel die Materiedichte nur um den zehn-hoch-vierzigsten Teil grösser gewesen, wäre das Universum in kurzer Zeit wieder kollabiert.» Mit dieser Erkenntnis kann Tammann in sein Weltbild problemlos einen Gott einbauen, der die Naturgesetze festgelegt und das Weltall «angeschoben» hat.

Tatsächlich scheint vieles im Kosmos exakt auf das menschliche Dasein ausgerichtet zu sein - Physiker sprechen vom anthropischen Prinzip. Wären die Stärke der Gravitation, die Ladung eines Elektrons oder die Masse eines Protons nur geringfügig anders, gäbe es weder Atome noch funkelnde Sterne und erst recht kein Leben.

«Die feine Abstimmung der Naturgesetze inspiriert zu der Annahme, dass dies kein Zufall ist, sondern ein Zweck dahinter steht», sagt John Polkinghorne. Nach seiner Auffassung könnte Gott allgegenwärtig in den Weltenlauf eingreifen, auf eine Weise jedoch, die sich physikalisch nicht nachweisen lässt. Gott beeinflusse etwa chaotische Prozesse, die unvorhersehbar in verschiedene Richtungen verlaufen könnten.

Viele Wissenschaftler sind sich - ob gläubig oder nicht - gerade in jüngerer Zeit erneut der Grenzen der Naturwissenschaften bewusst geworden. So machen Forscher immer wieder die Erfahrung, dass die Lösung eines Problems eine Vielzahl neuer Fragen aufwirft und die Komplexität des Universums zunimmt. Womöglich bedarf es nicht einmal eines starken Glaubens, um sich ein Eingreifen Gottes zumindest vorstellen zu können.

«Gott ist seit einiger Zeit jedenfalls kein Tabuthema mehr», bestätigt Eduard Thommes. «Es kommt inzwischen häufiger vor, dass man unter Kollegen darüber redet.»Bereits 1972 gründete der Milliardär Sir John Templeton eine Stiftung, die jährlich ein Preisgeld von einer Million Dollar an Persönlichkeiten vergibt, die sich um die Verbindung zwischen Wissenschaft und Spiritualität verdient gemacht haben. John Polkinghorne war der Preisträger des Jahres 2002, der Physiker Paul Davies wurde 1995 ausgezeichnet.

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Quelle: OTS / GEO / Spiegel

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